2.206.1 (bau1p): [Bedingungen der Gewerkschaften für den Abbruch des Generalstreiks.]

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Das Kabinett BauerKabinett Bauer Bild 183-R00549Spiegelsaal Versailles B 145 Bild-F051656-1395Gustav Noske mit General von Lüttwitz Bild 183-1989-0718-501Hermann EhrhardtBild 146-1971-037-42

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[Bedingungen der Gewerkschaften für den Abbruch des Generalstreiks.]

Anwesend: Mitglieder der preußischen Regierung, Reichsregierung, Gewerkschaftsbund, Vertreter der Mehrheitsparteien, Freie Angestelltenverbände, Gewerkschaftsbund Deutscher Beamtenvereine.

18. März 20 im Staatsministerium.

Legien: Sprecher für die Arbeitsgemeinschaft der Freien Angestelltenverbände und des Deutschen Beamtenbundes und der Gewerkschaften. Gestern Forderung, den Generalstreik zu verschärfen, weil Kapp-Regierung noch Verbindungen habe. Selbstverständlich bereit dazu, wenn es notwendig wird. Diese Notwendigkeit war nicht gegeben. Dennoch gestern abend beschlossen, daß Generalstreik fortgesetzt werden soll3, weil die Beseitigung der

3

Über das Zustandekommen dieses Beschlusses berichtet Legienu. a. mit abweichender Datierung (16. 3.) – im „Vorwärts“ Nr. 180 vom 8.4.20. Danach war die Auslieferung entsprechender, den Beschluß bekanntgebender Flugblätter am 17. 3. sabotiert worden. Erst am 18. 3. erschien ein Aufruf des ADGB, der Afa und des DBB, den Generalstreik bis zur Erfüllung folgender, der RReg. gestellter Bedingungen fortzusetzen: Entfernung der unzuverlässigen Truppen aus Berlin, Entwaffnung dieser Truppen, Neuorganisation der Reichswehr unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung von Militärputschen, „entscheidende Mitwirkung“ der unterzeichnenden Verbände „bei der Neuordnung der Verhältnisse“ (Flugblatt in: Nachl. Schiffer , Nr. 18, Bl. 12; Abdruck in: Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz. Bd. I, Dok. Nr. 73).

[711] 1. Regierung Kapp-Lüttwitz keine Bedeutung hat, sondern weil vor allen Dingen die Besetzung Berlins durch meuternde Truppen erledigt sein muß. Vorher wird der Generalstreik nicht abgeblasen.

2. Noske darf nicht mehr als Wehrminister zurückkehren. Noske hat uns in den Mehrheitsparteien und in der sozialdemokratischen Fraktion ständig erklärt, daß die Reichswehr zur Regierung stehe4. Er hätte müssen den Einbruch abwehren mit seiner Person. Weil er es nicht getan hat, deswegen Rücktritt.

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Siehe dazu Dok. Nr. 127, insbesondere Anm. 13.

3. Entscheidender Einfluß auf Neuordnung der Dinge. Auf dem Boden der Verfassung bleiben, aber wir sagen so: Die Reichsregierung hat Berlin verlassen, Reichsregierung hat die Arbeitnehmerschaft aufgefordert, auch Angestellte und Beamte, in den Generalstreik einzutreten5. Dieser Aufforderung sind wir gefolgt. Alle Arbeitnehmerkreise sind für den Generalstreik gewonnen worden.

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Zu dieser – umstrittenen – Frage s. Dok. Nr. 194, insbesondere Anm. 6.

4. Einzelne sozialpolitische Forderungen.

Gothein: Gegen den dritten Punkt.

Heine: Nationalversammlung ist versammelt. Hier keine Beschlüsse möglich. Nationalversammlung soll nach Berlin. Das dauert Tage. Wenn Generalstreik so durchgeführt wird, kann Regierung keine Kundgebung machen, während Kapp noch die Möglichkeit hat. Gebührender(m) Einfluß der drei Verbände bleibt jede Möglichkeit, wenn Reichsregierung und Reichsparlament in Berlin sind.

Aufhäuser: Wir haben auch Interesse an Sicherheit gegen Verbrecher und Plünderer. Das wird aber möglich sein ohne die Truppenteile, die wir bezeichnet haben. Legien wird noch über die Sicherung Groß-Berlins sprechen. Bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit soll die Arbeiterschaft herangezogen werden. Nicht nur nach rein militärischen Gesichtspunkten, sondern innere Beruhigung der Berliner Arbeiterschaft. Arbeiterschaft mitverantwortlich für die Sicherheit.

Frage Noske: Zum mindesten muß unterbleiben, was neuen Zündstoff in die Arbeiterschaft wirft. Abschaffung eines bestimmten Systems. Wir suchen einen Weg, um eine dauernde Sicherung von Berlin zu schaffen.

Dritte Frage: Entscheidender Einfluß der organisierten Arbeiterschaft. Warum so wenig Verständnis? Vor wenigen Tagen hat (wurde?) die Berliner Arbeitnehmerschaft von der alten Regierung aufgefordert, von dem äußersten[712] Kampfmittel Gebrauch zu machen. Die alte Regierung rief die Geister! Jetzt kann man sie nicht mehr wieder ausschalten. In den Organisationen besteht ein gewisser Mangel an Vertrauen, ob es der Regierung allein gelingen würde, die nötigen Reformen durchzuführen. Diese Garantien sehen wir in dem entscheidenden Einfluß der Arbeitnehmerforderungen. Keine Ausschaltung der Demokratie und der Verfassung. Wie das geschehen kann, darüber kann gesprochen werden6. Vorschlagsrecht allein genügt nicht; ein gewisses Einspruchsrecht mit der Möglichkeit, daß die Beschlußfassung den parlamentarischen Stellen verbleibt. Es handelt sich auch um die Neuordnung des Systems, und darüber ist sich die Arbeitnehmerschaft einig. Die Nationalversammlung hat in dieser Krise versagt und mußte versagen. Die Arbeiterschaft allein war die entscheidende Stelle, die uns wieder aus der Misere gebracht hat. Wir führen den Generalstreik nicht zugunsten der jetzigen Regierung, sondern zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Zustände. Man sagt, wenn die Gewerkschaften das verlangen, könnte auch jede andere Gruppe es verlangen. Aber das ist nicht richtig. Alles und jedes hängt nur von der Arbeiterschaft ab. Im Sinne der gesamten Bevölkerung ist es gelegen, wenn man die Gewerkschaften mit diesem erhöhten Einfluß ausgestaltet. Wir haben die Fühlung mit der hiesigen und auswärtigen Arbeiterschaft. Der Kampf ist keineswegs so abgebrochen, wie das hier scheinbar teilweise angenommen wird. Es wird den Gewerkschaften nicht leicht sein, die gesamte Arbeiterschaft zum Abbruch zu bewegen. Wir wünschen aber, daß die Arbeiter(schaft) mit gutem Gewissen ihr Kampfmittel aus der Hand legt. Nicht eher, bevor sie bestimmte Sicherheiten hat. In Berlin stark radikalisiert! Hinter der Aufforderung zum Abbruch muß positives Material stecken, sonst fehlt das Vertrauen.

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Aus den hschr. Aufzeichnungen Gotheins geht hervor, daß im Verlauf der Verhandlungen folgender Vorschlag gemacht wurde: „Einzelne Gewerkschaftler sollen als Referenten in die betr. Ministerien für wirtschaftl[iche] u[nd] sozialpolit[ische] Fragen kommen“ (Nachl. Gothein , Nr. 42, Bl. 2). Der Urheber dieses Vorschlags konnte nicht ermittelt werden.

Krüger: Die meuternden Truppen müssen nicht nur möglichst schnell entfernt werden, sondern auch Entwaffnung. Siehe Nachricht aus Wilmersdorf7. Diese Truppen sind kein Instrument zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit. Sondern möglichst bald hinaus mit ihnen! Es wird möglich sein, die Sicherheitswehr, die treu geblieben ist, kann in den Dienst der Ordnung gestellt werden8. Wir sind der Meinung, daß alle diejenigen, die Schuld tragen, daß sich die Sicherheitswehr kompromittiert hat, müssen entfernt werden9. Radikale Abhilfe gegen unzuverlässige Forderung. In dieser Beziehung Vorschlag von Aufhäuser gut. Das kann nicht heute und morgen geschehen, entsprechende organisatorische Grundlage, notwendige Vereinbarungen mit den Gewerkschaften; aber Verständigung darüber, daß bei der Umformung der Sicherheitswehr und Reichswehr und bei der Schaffung des[713] Ersatzes in erster Linie mit Hilfe der Gewerkschaften die organisierte Arbeiterschaft herangezogen werden muß.

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Hier hatten am 18. 3. acht Zivilisten und ein Soldat den Tod gefunden, als die Sturmkompagnie der 2. Marinebrigade in tumultartige Auseinandersetzungen zwischen abrückenden Truppen und einer aufgebrachten Volksmenge eingriff (Einzelheiten s. in: Darstellungen. Bd. VI, S. 145).

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Anm. Krieger: „Wörtliche Stenogrammübertragung“.

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Wie Anm. 8.

Frage Noske: Unsere Stellung ist bekannt. Wie weit er persönlich Schuld hat, ist gleichgültig. Aus politischen Gründen kann er nicht bleiben. Er hat auch schon zugestanden, daß er aus dem Amte scheiden will. Reichsregierung hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß es zweckmäßig wäre, erst nach Berlin zu kommen; wesentlich aus dem Grunde, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß diese Umänderung auf Grund der reaktionären Forderungen geschehe. Aber über den Zeitpunkt kann man ja reden.

Dritte Frage: Neuordnung muß unter Berücksichtigung der Lehren dieses Putsches kommen. Grundsätzlich gegen diese Forderungen eigentlich nichts einzuwenden. Entscheidend ist die Frage der Form. Eine Koalition wie die Arbeiter, Beamten und Angestellten nicht nur die festeste, sondern auch für die Republik die einzige zuverlässige Stütze der Demokratie sind [sic]. Eine solche Stütze bringen keine Truppen. Deshalb müssen auch die Gewerkschaften einen entscheidenden Einfluß haben. Auf dem bisherigen Wege war der Einfluß nicht gesichert. Über die Einzelheiten wird man sich später unterhalten müssen. Kein Zweifel, daß auch in dem Verhältnis der erwerbstätigen Bevölkerung zum Staat und zur Produktion Änderungen eintreten müssen. Es muß möglich sein, mit denjenigen Parteien, die im Parlament die Mehrheit bilden, und den Gewerkschaften Vereinbarungen zustande zu bringen. Dieser Einfluß muß über die Parteien im Parlament gehen als Weg. Wir müssen diese Frage betrachten: Wie ist es möglich, einen Abbruch des Generalstreiks zu erzielen, der die Arbeiter veranlaßt, jetzt abzubrechen, ohne daß die Radikalen dabei alles gewinnen! Dazu müssen wir die Gewißheit bringen, daß die Folge dieses reaktionären Putsches ein entschiedener Ruck nach links sein muß.

Daher dringende Bitte, sich grundsätzlich mit der Forderung der Gewerkschaften einverstanden zu erklären. Die Lösung der Personenfragen wird sich finden lassen. Also kein Bestätigungsrecht der Gewerkschaften, was unmöglich ist.

Kugler vom Beamtenbund: Heine kann es so gehen wie Noske. Das Offizierskorps der Sicherheitswehr ist schlecht10. Frage des Mitgestaltungsrechts. Nach der Revolution haben wir vieles schon erreicht. Im Punkt Beamtenfragen ist es schlechter geworden als früher. Die Geheimratswirtschaft blüht mehr als früher. In der Beamtenschaft sieht es traurig aus. Ministerium des Innern und der Justiz sieht übel aus, mit den anderen Ministerien kann man einigermaßen zufrieden sein. Die Beamtenschaft hat die Republik gerettet. Will auch gegen rechts und links die Ordnung verteidigen, auch die verfassungsmäßigen Zustände verteidigen. Es sind gewaltige Kräfte am Werke, die die Beamten unterhöhlen werden. Die Beamten fragt man, was sie wohl erreicht habe (hätten). Die meisten Männer der Regierung haben keine Fühlung mehr mit dem Volk. Daher muß man auf den Ruf der Beamten hören. Daher[714] Mitwirkung an der Neugestaltung der Dinge. Daher Demokratisierung der Verwaltungen in den Zentralen und in den anderen Behörden. Aufrücken von Beamten, die das Vertrauen der Beamten haben. In Personalstellen, die jede Verfügung erst durchsehen und mitberaten, damit keine Verfügung hinausgeht, die schlechte Wirkung hat. Wenn keine Abhilfe kommt, muß die Beamtenschaft das Vertrauen verlieren. Wo ein Wille, ist auch ein Weg. Wir wollen nicht, daß es wie im Punkt der Personalreform und bei der Besoldungsreform ist, daß die Organisation zugezogen worden ist, um Kenntnis zu nehmen. Das ist keine Mitarbeit! Achten Sie auf unsere Rufe. Es sind berechtigte Forderungen, es sind bescheidene Forderungen. Wir müssen etwas mitbringen. Erst dann kann die Beamtenschaft ihre Pflicht voll erfüllen.

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Zum Rücktritt des PrIM Heine, der für das unloyale Verhalten der Berliner Sipo während des Kapp-Lüttwitz-Putsches politisch verantwortlich gemacht wird, s. Dok. Nr. 218, Anm. 48.

Hirsch: Die Herren von der Berliner Gewerkschaftskommission sind erschienen. – Wir hier können überhaupt keine Zugeständnisse machen. Denn sie haben keinen Wert. Diese Forderungen sind an die Reichsregierung zu richten. Sie ist nicht vorhanden.

Legien: Dieser Kreis fühlt sich entweder legitimiert oder nicht. Wenn er nicht legitimiert ist, dann brauchen wir nicht weiter zu reden. Wenn wir sagen, daß wir einig sind, dann kann die Reichsregierung zurückkehren, sonst nicht. Also entweder Vereinbarung und Reichsregierung vorzulegen, nur unter dieser Bedingung kommt ihr zurück, oder wir können abbrechen. Die Reichsregierung kommt nicht zurück, wenn diese Forderungen nicht erfüllt werden.

Wels: Der Irrtum müßte erst berichtigt werden, daß die Reichsregierung zu dem Streik aufgefordert habe. Nur die sozialdemokratischen Mitglieder haben diese Aufforderung erlassen. Das war aber nichts Neues, sondern eine Erklärung dieser Art war bei einem Putsch schon häufig angekündigt worden. Reichskanzler Bauer hat das schon in Weimar und Berlin wiederholt gesagt. Die Bewegung, die dann eingesetzt hat mit dem Streikaufruf der sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften hat nicht nur diese Kreise erfaßt, sondern auch die Arbeitnehmer, die den anderen Parteien nahestehen. Das ganze Volk hat sich gegen Kapp und Lüttwitz erklärt, auch die Beamtenschaft der Ministerien. Noch sind nicht die Gefahren des Putsches vorüber, in Berlin nicht und im Reiche auch nicht. Das ist sicher wahr. Es muß Vorsorge dafür getroffen werden, daß das Volk nicht mehr derartigen Abenteuern ausgeliefert werden kann.

Aber da kommt die Frage, daß die sozialdemokratische Partei, (für) deren Vorstand ich nur persönlich sprechen kann, zur Frage der Zusammensetzung des Ministeriums ebenfalls Stellung nehmen muß. Deshalb Parteiausschuß zusammenberufen. Zum Zwecke der Erreichung von Sicherungen. Dabei in engster Fühlung mit den Gewerkschaften. Das ist selbstverständlich. Wir müssen aber betonen, daß die Möglichkeit, zusammenzukommen, im Augenblick nicht gegeben ist. Die Hinziehung der Einstellung von wenigen Tagen ist von größter Bedeutung, weil die Gewerkschaft nur abgebrochen werden (abbrechen) könnte, wenn Forderungen angenommen würden, die verfassungsrechtlich in anderer Weise festgelegt sind.

Es ist sehr wohl möglich, daß die Gewerkschaft Erklärung der bürgerlichen Parteien erhält, daß sie dafür wirken werden, daß bei der Umbildung[715] des Kabinetts die Wünsche und Forderungen dieser wichtigen Gewerkschaft gehört werden. Die Erklärung, daß die Bestimmungen der Generalkommission so weit gingen, daß die Reichsregierung die Forderungen entweder annehmen oder nach Berlin nicht zurückkehre, kommt darauf hinaus, daß der Generalstreik nicht früher abgebrochen wird.

Aber meine ganzen gewerkschaftlichen Erfahrungen in solchen Fragen unter Hinzuziehung aller Volkskreise lehren, daß der Generalstreik nicht beliebig ausgedehnt werden kann. Abbröckeln des Generalstreiks ist wahrscheinlich. Dieser Generalstreik ist ein Bekenntnis zur Demokratie und zur Republik. Wir dürfen daher die Frage nur so behandeln, daß die Arbeiter, die gemeinsam hineingegangen sind, gemeinsam aus dem Streik herausgehen.

Die Forderungen der Gewerkschaft sollen im weitesten Maße berücksichtigt werden. Die Umformung des Kabinetts kann nicht mehr Gegenstand des Streiks sein. Bisher gegen die Kappleute, jetzt soll es gegen die Regierung gehen. Die Leute der sozialdemokratischen Partei kennen die Vertrauensleute der Gewerkschaft und der Partei.

Wenn die Regierung erklärt, daß aus politischen Gründen sie die Umformung des Kabinetts herbeiführen wird, wenn sie nach Berlin zurückgekehrt sein wird, dann muß die Möglichkeit gegeben sein für unsere Partei, mit unseren Parteigenossen zu verhandeln. Dabei legen wir Wert darauf, daß diese Männer dabei sein müssen, auch die Gewerkschaft. Eine Einigung ist möglich, wenn die anderen Parteien erklären, daß sie die Forderung der Sicherungen als berechtigt erklären und daß bei der Umbildung die Vertrauensleute der Gewerkschaft gehört werden.

Gothein: Wenn gesagt worden ist, daß Sie die Verfassung schützen wollen, und dann Forderungen stellen, die mit der Verfassung im Widerspruch stehen, so möchte ich davor warnen. „Wie ich sie auffasse.“ Es ist die Forderung gestellt, daß die Reichsregierung erst zurückkommen darf, wenn sie Bedingungen erfüllt habe; aber das kann sie doch auch nicht erklären, weil es gegen die Verfassung wäre. Ihre Ankündigung ist ein Streik gegen das deutsche Volk. Wir sind bereit, Sicherheiten zu geben, um Putsche für die Zukunft zu verhindern, Offizierkorps anders zu gestalten. Wir haben uns immer gegen Noske gewandt. Wir sind ferner bereit, die Wünsche der Gewerkschaften und des Beamtenbundes auf Einfluß bei der Kabinettsbildung anzuhören und, so weit uns das (sie) mit den allgemeinen Interessen vereinbar sind, zu unterstützen. Darüber hinaus können wir aber nicht gehen. Wenn hier verlangt wird, daß ein entscheidender Einfluß ausschließlich dieser Gruppe gewährt werden soll, so kann ich dazu keine Zustimmung geben. Das ist eine Schädigung der anderen Kreise des Volkes. Zur Abwehr haben wir jeden anderen auch aufgerufen11. Ein Protest gegen den terroristischen Putsch war allgemein. Aber ich wehre mich gegen Terror von der anderen Seite. Legien will den Terror. Fortsetzung des Streiks macht das Zusammentreten des Reichstags unmöglich. Wir verlangen unser Recht der Gleichberechtigung. Legien drohte[716] mit einer eigenen Regierung; das ist Revolution gegenüber dem Volk. Das ist genau dasselbe, was die Kapp getan haben. Das Volk selbst ist befugt zu entscheiden.

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Vgl. dazu die Erklärung des Hauptvorstandes und der Fraktionen der DDP zum Ausbruch des Kapp-Lüttwitz-Putsches vom 13.3.20 (Flugblatt in: Nachl. Schiffer , Nr. 18, Bl. 6).

Hartmann: Wir sind nicht der Aufforderung der Regierung beim Generalstreik gefolgt, sondern der Erwägung, daß gegen Kapp unbedingt Generalstreik gemacht werden müsse. Wir haben uns nicht gescheut, öffentlich zu erklären, daß es nur ein Mittel gegen den Putsch gibt. Zweck war also Beseitigung von Kapp und Lüttwitz. Dieser Zweck ist so weit erreicht, daß es jetzt nur auf Sicherungen ankommen kann. Wenn man Generalstreik weitertreibt zur Durchsetzung weiterer Forderungen, so ist das Streik gegen die Regierung. Beim Generalstreik haben wir uns nicht dahin entschlossen zum Streike gegen die Regierung. Ursachen des Generalstreiks sind beseitigt. Wie können wir Sicherungen schaffen? Entfernung der Truppen. Dagegen nichts einzuwenden. Ob Noske zurücktreten muß, weiß ich nicht. Aber seines Bleibens kann wohl nicht sein.

Frage 3: Wo bleiben denn da die anderen Richtungen? Christliche, Hirsch-Dunkersche, die Gewerkschaftsbünde der Angestellten, wo Allgemeiner Eisenbahnerverband? Auch diesen Bünden muß man doch ein gewisses Mitbestimmungsrecht einräumen. Wie das gemacht werden kann, kann ich nicht sagen. Wie will man den Interessen dieser Arbeiter gerecht werden?

Gothein hat schon gesagt, daß man geneigt ist, den Arbeitnehmern einen gewissen Einfluß auf die Gestaltung der Dinge einzuräumen; also Vorschläge oder sonstwie. Ist damit nicht den Interessen der Arbeiter gedient? Dann wird wohl die große Masse der anderen Arbeiter auf die Schanzen steigen, und dann werden wir nicht zur Ruhe kommen. Wir rütteln nicht an der Verfassung. Wie ist Ausweg möglich? Also müssen wir die Reichsregierung zusammenbekommen, um diese Fragen weiter zu besprechen. Ob man so lange weiterstreiken kann, ist eine Frage für sich. Eine Streikstimmung für längere Dauer ist wohl kaum vorhanden, weil ungeheure Nöte für unser Volk kommen werden. Also Zurückstellung bis zur Rückkehr der Regierung und dazu Aufhebung des Generalstreiks. Und wie stellt man sich zu den anderen Arbeitern?

Stegerwald: Die Forderungen stehen im Widerspruch zur Verfassung und zur Demokratie. So läßt es sich nicht machen. Es wäre eine schöne Regierungsbildung, wenn wir hier Beschlüsse von so großer Tragweite fassen würden. Auch internationale Lage muß berücksichtigt werden, Lebensmittelfrage, Wahlen usw. Darüber kann man hier nicht ohne weiteres beraten. Das wäre nicht verfassungsmäßig. Wenn man davon die Aufhebung des Generalstreiks abhänging machen will, dann bedeutet das lediglich Versandung des Generalstreiks und Elend für die untersten Volksschichten. So geht es also nicht. Andere Basis muß gesucht werden.

Bei den drei Fragen, so wird im Einverständnis mit dem Fraktionsvorsitzenden erklärt: Punkt 1 und 2 kann akzeptiert werden. Aber die ganze Neuorganisation der Reichswehr usw. kann man nicht in wenigen Stunden schaffen; auch nicht die geforderte Neuorganisation des Sicherheitsdienstes. Die Frage Noske ist eine sozialdemokratische Parteifrage. Dritte Forderung:[717] Wie stellt man sich das konkret vor? Vor den Wahlen keine Verfassungsänderung, das ist Standpunkt der Zentrumspartei. Auch eine Verfassungsänderung, daß jetzt bestimmte Instanzen auf die Neubildung der Regierung Einfluß haben, kann praktisch nicht in Frage kommen. Es handelt sich nicht um eine Regierung von Tagen, sondern um Regierung, dauerhaft bis zu den Wahlen, denn sonst überstehen wir nicht die Konsequenzen des Putsches. Wir haben keinen Kredit für die Nahrungsmittel, die wir nötig haben. Also muß konkreter gesprochen werden als mit allgemeinen Redensarten; auch die anderen Organisationen müssen gehört werden. Erst konkrete Forderungen, dann Stellungnahme.

Schumann: Einige Redner kennen den ganzen Ernst der Lage nicht. Sonst kaum dazu kommen können, die Ausführungen zu machen, die sie gemacht haben. Außerordentliche Lage und außerordentliche Maßnahmen. Unter Umständen ein Abweichen von Formalien, die sonst immer in den Vordergrund geschoben wurden, wenn es galt, Forderungen der aufstrebenden Schichten abzuwehren. Legien und Aufhäuser haben schon gesagt, daß das, was von uns gefordert wird, das Mindestmaß dessen ist, was erfüllt werden muß, wenn der Generalstreik auf der ganzen Linie beigelegt werden soll. Wer die Lage nicht erkennt, sich ablehnend verhält gegen diese durchaus berechtigten Forderungen, sorgt mit dafür, daß unser Wirtschaftsleben weiter schwer geschädigt wird dadurch, daß der Generalstreik weitergeführt wird, gegen unseren Willen. Dann kommen weitere Komplikationen!

Noske darf nicht wieder zurückkehren. Einmütigkeit bei uns herrscht, daß das die erste Voraussetzung für den Abbruch des Generalstreiks ist. Entscheidendes Mitbestimmungsrecht auf die Zusammensetzung der Regierung und bei der Neuordnung der Verhältnisse. Wir wollen Sicherungen gegen ähnliche Lage in späterer Zeit. Diese Sicherung besteht in Einräumung entscheidenden Einflusses bei der Neugestaltung. Dazu bedarf es einer Verfassungsänderung nicht. Wir können es ruhig der späteren Entwicklung überlassen, ob sich Einrichtungen notwendig machen, ein Mitbestimmungsrecht der Arbeiter zu schaffen. Die Arbeiter sind die maßgebenden Bevölkerungsteile.

Es handelt sich um die bündige Erklärung der Regierungsvertreter, daß den Gewerkschaften der von ihnen beanspruchte Einfluß eingeräumt wird. Das ist weder Terror noch Revolution gegenüber dem Volk, sondern Selbstverständlichkeit, daß (da) die Arbeiter die Republik gerettet haben. Die anderen Parteien und Parlament werden nicht ausgeschaltet. Der entscheidende Einfluß kann sich ungefähr in der Weise geltend machen, daß Verständigung über die Personen erfolgt, auch Verständigung über die Neuorganisation der Regierung und Verwaltung. Es soll nicht diktiert werden, sondern wir wollen nicht zulassen, daß der frühere Zustand wieder seinen Einzug hält, bei dem wir gezwungen waren, um Selbstverständlichkeiten monatelang zu kämpfen. Wir wollen heute nur die grundsätzliche Erklärung. Das geht nicht aufzuschieben, bis die Regierung nach Berlin zurückkehrt. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, diese Erklärung zu geben. Wenn diese drei Forderungen nicht erfüllt werden, können wir den Generalstreik nicht abblasen.

[718] Rausch12: Forderungen: Die Minister haben erklärt, daß sie nicht legitimiert sind, Forderungen entgegenzunehmen. Aber sie werden diese Forderungen wohl der Regierung unterbreiten. Gewerkschaftskommission hat beschlossen, Streik weitergehen:

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Gemeint ist der Vorsitzende der Berliner Gewerkschaftskommission, Rusch. Im folgenden wird die Schreibweise stillschweigend verbessert.

1. Völlige Neubildung des Kabinetts, nur sozialdemokratische Arbeiter als Regierende. Bisher arbeiterfeindliche Regierung. Wir betrachten eine Verfassung nicht als nichtabänderlich. Also Abänderung der Verfassung.

2. Sofortige Zurückziehung aller meuternden Truppen und Auflösung und Entwaffnung. Arbeiter müssen in die Truppenteile mit hinein. Dann Entwaffnung und Beseitigung der Meuterer.

3. Das bisher militaristische Regime hat dem Kapital als Schutzgarde gedient, gegen Streikende. Deshalb Auflösung der gesamten Söldnerscharen, auch der Einwohnerwehren.

4. Auflösung der Technischen Nothilfe. Dafür Arbeiterwehr zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit.

5. Entscheidende Mitwirkung bei der Neuordnung.

6. Sofortige Aufhebung des Ausnahmezustandes.

Ehe diese Forderungen nicht erfüllt sind, haben wir nicht die Absicht, mit Ihnen (ihnen?) weiterzuverhandeln oder Streik abzublasen. Daher Gewicht beizumessen den Äußerungen des Beamtenbundes usw. Wels hat erklärt, eine Umbildung des Kabinetts sei möglich, aber dazu bedürfe es keines Abbruchs des Streiks. Wir wollen bündige Erklärung. Wir haben auch die Macht, alles durchzusetzen. Die Mindestforderungen, die von Ihnen zugestanden werden müssen, sind die, die der Deutsche Bund13 vorgeschlagen hat.

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Anm. Kriegers: „So im Stenogramm.“

Unabhängige Partei gibt Erklärung ab: Wir treten für Forderungen des Bundes ein, obschon eigene Forderungen weitergehen. Auflösung aller militärischen Sicherheitswehren, Einwohnerwehr, Entwaffnung des Bürgertums und des Grundbesitzes, revolutionäre Wehren, Freilassung aller politischen Gefangenen. Sofortige Sozialisierung, sofortige Wahl revolutionärer Arbeiterräte, Ausnahmegerichte. Unabhängige werden die Forderungen des Bundes unterstützen. Vorher kein Abbruch des Streiks14.

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Vgl. dazu den Aufruf des ZK der USPD vom 19. 3., in dem zum Kampf für die Durchsetzung der vorgenannten Forderungen gegenüber der „Regierung Bauer-Noske“ aufgefordert wird (Abdruck in: Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz. Bd. I, Dok. Nr. 80). Unter Bezugnahme auf diesen Aufruf tritt die Berliner Zentralstreikleitung, wahrscheinlich am gleichen Tag, dafür ein, „mit ungebrochener Kraft im Streik auszuharren und die einheitliche Kampffront des werktätigen Volkes gegen die Säbeldiktatur und die Arbeiterschlächter aufrecht zu erhalten“ (ebd., Dok. Nr. 81).

Aufhäuser: Nicht alle Anwesenden ziehen aus dem 13. März die Lehren, die wir als selbstverständlich vorausgesetzt haben. Aufklärung, warum nur die freien Gewerkschaften? Wir sind zunächst hier als freie Gewerkschaften. Diejenigen, die diesen Kampf geführt haben, nicht diesen Kampf auszunützen versuchen, sondern nur diejenigen, die unbedingte Zuverlässigkeit gezeigt[719] haben, den Einfluß haben dürfen. Ein Teil der Angestelltenverbände hat den Streik nicht erklärt. Ein Teil der Verbände ist uns direkt in den Rücken gefallen. Deutschnationaler Handlungsgehilfenverband! Verteidiger der Putschisten. Wir müssen auch das Verhalten der Christlichen untersuchen. Wir mißachten nicht die Gesetze der Demokratie. In letzter Zeit sind Gesetze herausgekommen, bei denen man nicht nach der Demokratie gefragt hat. Vorbereitender Reichswirtschaftsrat! Da hat man auch nicht an die Demokratie gedacht!

Warum also jetzt keine Änderung der Verfassung? Bedenken kommen immer nur gegen die Arbeiter. Aufforderung zum Generalstreik nur von den sozialdemokratischen Ministern unterzeichnet. Das nehmen wir zur Kenntnis. Das ist nicht das Entscheidende. Tatsächlich hat die Arbeitnehmerschaft den Ausschlag gegeben. Andere haben geholfen. Aber die Entscheidung haben wir gegeben. Die Kappregierung hat zuerst am Engelufer15 angerufen. Die Kappregierung hat zuerst mit den Gewerkschaften verhandelt16. Deshalb haben wir berechtigten Grund zu unseren Forderungen. Wenn die sozialdemokratische Partei noch keine Stellung genommen hat, so ist das nicht entscheidend. Wir haben acht Millionen Menschen hinter uns. Mehr als alle Parteien zusammen. Es ist ausgeschlossen, daß wir vor die Arbeiter treten mit solchen Erklärungen. Das müßte ich ablehnen. Nach diesen Opfern kann man das nicht mehr tun. Der Zeitpunkt ist nicht mehr gegeben.

15

Im dortigen Gewerkschaftshaus befand sich das Büro des ADGB.

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Legien berichtet, daß Kapp am 15. 3. vormittags „mit dem A.D.G.B. in Verbindung zu treten [versuchte], ehe noch der Generalstreik zur vollen Auswirkung gekommen war. Die Gewerkschaftszentralen lehnten jede Verhandlung […] ab“ (Vorwärts Nr. 180 vom 8.4.20). – Vgl. dazu auch Legiens Ausführungen vor der NatVers. am 29.3.20 (NatVers.-Bd. 332, S. 4953  ff.).

Hirsch hat erklärt, daß die preußische Regierung nicht in der Lage sei, Erklärungen abzugeben. Diese Auffassung kann ich nicht teilen. Jede parlamentarische Regierung ist in der Lage, auch ohne Parlament in der Lage, Forderungen aufzunehmen und sie vor den Parlamenten zu vertreten. Wenn diese bindende Erklärung gegeben wird, so ist das Grundlage zu Verhandlungen. Ob der Streik abbröckelt oder nicht, darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Rusch hat dazu das Nötige gesagt. Wir wollen Kontrolle aller Minister, auch wenn sie aus den Arbeitern gekommen sind. Widerspruch mit der Verfassung? [Art.] 165 sieht bereits vor, daß nicht nur in den Betrieben, sondern auch überall gleichberechtigte Mitwirkung. Man sagt: Streik gemeinsam abzubrechen. Das wollen wir auch. Aber wir haben auch das Verantwortungsgefühl. Wir können nur ein Ergebnis annehmen, das die Arbeiter befriedigt. Wir wollen nicht gegen die Regierung streiken, sondern nur Garantien gegen bestimmte Verhältnisse. Wenn Sie nicht geneigt sind, genügende Garantien zu geben, dann ist es nicht unsere Schuld, wenn Streik weitergeht, und zwar gegen die jetzige Regierung.

Hirsch: Kein Regierungsvertreter hat eine Erklärung abgegeben. Stegerwald hat als Gewerkschaftler gesprochen, Herr Heine als Abgeordneter. Deshalb kann man keine Schlußfolgerungen daraus ziehen. Gegen meine Äußerung,[720] daß wir nicht in der Lage seien, Erklärungen abzugeben, hat Aufhäuser etwas gesagt. Aber wir sind nicht die Reichsregierung. Wir können nicht für die Reichsregierung sprechen. Uns wäre lieber, wenn die Reichsregierung hier wäre. Wir haben gegen die Entfernung gesprochen und sie gebeten, rasch hierher zurückzukehren. Wir haben also alles getan, was wir konnten. Wenn es sich nur darum handelt, Erklärungen in Beamtenfragen zu geben, so decken sich die Forderungen mit dem Programm der preußischen Regierung.

Graßmann: Entweder wir betrachten die beiden Reichsminister nur als Notbehelf, oder wir haben eine akademische Unterhaltung, die uns nicht vorwärts bringt. Also müssen Schlicke und Schiffer eine Äußerung tun. Wir sind aufgeblasen, wenn wir mit Nachdruck darauf hingewiesen haben, daß wir die Attacke geworfen haben. Bei aller Anerkennung der Haltung der übrigen Bevölkerungsschichten ist es etwas anderes, was Arbeiter getan haben und was Geschäftsleute getan haben. Wir knüpfen nicht mehr da an, wo man am 13. März aufgehört hat. Wir wollen Neuordnung der Dinge. Entscheidenden Einfluß; nur bei der Kabinettsbildung. Kein Amt oder Stellenhunger. Aber wir wollen Einfluß haben auch bei der Besetzung der höheren Stellen der Verwaltung. Die Dinge (die sich) im Eisenbahnwesen und in der Justiz ereignet haben, die vielen Klagen aus Arbeiterkreisen sind so deutlich, daß wir uns gesagt haben, so gehe es nicht weiter. Meist sind es die Geheimräte, die die Sachen auf das tote Gleis geschoben haben. Auch die Minister sind betrogen. Sabotage der Geheimräte. Die Kappisten müssen entfernt werden, in Preußen und auch in Süddeutschland. Auch da muß man mit eisernem Besen fegen. Diese Neubildung geht ohne Verfassungsänderung. Ferner sind wir der Meinung, daß die Truppen mit Arbeitern durchsetzt werden müssen. Wir wollen den Zustand beseitigt wissen, daß die Truppen jedem Abenteurer gefällig sind, wenn jemand etwas mehr bietet. Wir sind nicht hierhergekommen, um radikale Forderungen zu unterbreiten, weil wir besorgen, daß die riesenhafte Maschine, die in Bewegung gesetzt wurde, das bißchen noch zerstört, was von unserer Volkswirtschaft noch vorhanden ist. Dafür müssen Garantien geboten werden durch Einsetzung für unsere Forderungen.

Schulz macht den Versuch, eine konkretere Formel zu finden. „Die anwesenden Reichsminister, preußischen Minister und Mitglieder der interfraktionellen Ausschüsse verpflichten sich, einmütig und mit größter Energie dafür zu sorgen, daß in Zukunft die verfassungsmäßigen Garantien und Demokratisierung (der) Verwaltung durch starke und organisierte Mitwirkung der Arbeiterschaft in Zukunft fester gesichert werden als bisher.“ Wenn diese Verpflichtung nicht durchgesetzt wird, dann Mandate zurückzugeben.

Schiffer: Vorwurf, daß die Reichsregierung nicht eingegriffen habe in die Debatte. Ich bin sehr spät gekommen, weil ich Vertreter der Entente empfangen mußte. Ich konnte also nicht dauernd hier bleiben. In der Sache selbst: 1. Meuternde Truppen dürfte praktisch erledigt sein. Wir brauchen den Schutz gegen Störungen [sic], sondern wir müssen verhüten, daß ein ungeregeltes Herausziehen Schwierigkeiten macht. Tatsache besteht, daß das Wilhelmsviertel frei ist. Morgen aus dem Weichbild von Berlin entfernt.

[721] Noske: Offen gesagt, es tut mir im Herzen weh, daß Noske gehen muß. Aber er muß gehen. Hat Autorität verloren. Über die Form des Abgangs scheint ein gewisser Zweifel zu bestehen. Ebert scheint noch warten zu wollen bis Rückkehr nach Berlin. Es würde auch nicht den Forderungen entsprechen, wenn nicht Neuordnung insgesamt erfolgt. Das gesamte Kabinett wird seine Ämter zur Verfügung stellen. (Das Kabinett kann aber nicht kommen, wenn wir es nicht wollen!)

Um die Lage zu erleichtern, habe ich gesagt, alle Posten zur Verfügung zu stellen. Dann ist der Fall Noske in die Gesamtheit der Dinge eingeordnet.

Punkt 3: Das ist keine Frage des Staatsrechts, sondern eine politische Frage. Sie wollen die Verfassung nicht ändern. Diese politische Frage muß von den Abgeordneten der Parteien und vom Reichspräsidenten erwogen und entschieden werden. Es wird sich eine Verständigung finden, wenn formale Forderungen erhoben werden. Eine enge Fühlungnahme mit der Arbeiterschaft muß stattfinden. Solch enge Fühlungnahme würde ich geboten erachten auch ohne den Putsch. Das war immer meine Meinung. Wir werden dazu kommen, diese enge Fühlungnahme, um größere Beruhigung herbeizuführen, um Vertrauensverhältnisse zu schaffen, sehr bald dafür sagen17. Die Arbeiterschaft hat den Putsch nicht allein niedergeworfen. Sondern die Haltung der Beamten. Das hat ungeheuren Eindruck gemacht. Beamte aller Richtungen. Gerade die Mittel hat Schröder verweigert18. Diese Mitwirkung dieser Kreise war nicht zu verachten. Generalstreik hätte sein Ziel erreicht, aber erst später und unter größeren Opfern. Von größter Wirkung war wiederum die Haltung einer großen Anzahl von Generalen! Das ist die Wahrheit. Der Anspruch der Arbeiterschaft ist besser begründet und tiefer begründet als allein durch das Verhalten bei dem Putsch. Wir müssen überhaupt zum engeren Verhältnis mit der Arbeiterschaft kommen. Das muß geschehen nicht ohne wechselseitiges Vertrauen. Wenn man stets mit Mißtrauen gegen die Regierung arbeitet, dann kommt nichts dabei heraus, auch bei neuen Verfassungsparagraphen. Wir wollen alle zusammenarbeiten, um die ungeheuren Folgen des Generalstreiks abzuwenden.

17

Anm. Kriegers: „Wahrscheinlich im Stenogramm verschrieben statt ‚sorgen‘.“

18

UStS Schroeder hatte am 13. 3. vormittags die Reichshauptkasse angewiesen, Auszahlungen nur aufgrund alter Ermächtigungen zu leisten; am Nachmittag hatte er mit dem Präs. und VPräs. der Rbk über Sicherungsmaßnahmen im Falle von Zahlungsanweisungen der Kapp-Regierung beraten (Karl Brammer: 5 Tage Militärdiktatur. S. 55). Er handelte damit in Übereinstimmung mit einem Telegr. der RReg. aus Dresden vom gleichen Tag, das Beamte für Zahlungen im Auftrage Kapps regreßpflichtig machte (ebd., S. 11).

Legien: Auch Schiffer faßt die Lage nicht so auf wie nötig. Wir sind keine unartigen Kinder. Wenn Sie sich nicht verständigen, dann ist das nichts anderes als der Bürgerkrieg in Deutschland. Wir sind außerstande, die Arbeiterschaft aus dem Kampf zurückzurufen, wenn wir nichts zeigen können. Auch andere Kreise sind gegen Kapp gewesen. Aber entscheidend war Arbeiterschaft. Straßenbahn, Wasserwerk. Ohne Verständigung kommt der Bürgerkrieg.[722] Sie können uns nicht zumuten, daß wir jetzt, nach der Verordnung von Kapp über Todesurteile19, zurückgehen.

19

Nachdem durch eine VO des Gen. von Lüttwitz vom 15. 3., Arbeitsniederlegungen und Sabotage in volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben unter Strafe gestellt und streikenden Arbeitern zusätzlich Zwangsarbeit und der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte angedroht worden waren (Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz. Bd. I, Dok. Nr. 58), sah eine am 16. 3. veröffentlichte VO Kapps für Rädelsführer und Streikposten, die sich der in den vorgenannten VOen unter Strafe gestellten Handlungen schuldig machten, die Todesstrafe vor (Flugblatt in: Nachl. Schiffer , Nr. 18, Bl. 10; Abdruck in: Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz. Bd. I, Dok. Nr. 59). Die VO wurde von Kapp noch vor ihrem Inkrafttreten wieder zurückgezogen (vgl. dazu Dok. Nr. 218, Anm. 12).

Wels hat erklärt, nicht die demokratische Regierung habe den Streikaufruf erlassen, sondern nur die sozialdemokratischen Minister. Wie kommt dann Schiffer dazu, den Generalstreik für beendet zu erklären20? Wenn Sie, Schiffer, als Vertreter den Aufruf zum Streik nicht erlassen haben, dann dürften Sie nicht zurückpfeifen. Minister Schiffer hat also als Vertreter des Reichskanzlers gehandelt? (Schiffer: Ich hatte das Recht. Als Person und als Vertreter des Reichskanzlers. Ich glaubte, im Rahmen der Regierung zu handeln.) Die Baltikumtruppen waren aber noch nicht aus Berlin heraus. Doch darüber brauchen wir nicht zu reden. Wird die Reichsregierung den Aufruf decken? Die Eisenbahner haben die Aufnahme der Arbeit nicht beschlossen21. Der erste Name Kotzur ist gefälscht. Ob andere Namen noch gefälscht worden sind, wird man erfahren. Die Postbeamten haben nicht beschlossen, die Arbeit aufzunehmen. Das Schwindelbüro von Wolff muß beseitigt werden. Das wird auch eine von unseren Forderungen sein.

20

Schiffer hatte in einem am 18. 3. morgens von WTB veröffentlichten Aufruf, den Zusammenbruch des Kapp-Lüttwitz-Putsches bekanntgegeben und zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert. Der Aufruf war unterzeichnet: „Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Schiffer“ (Schultheß 1920, I, S. 56; Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz. Bd. I, Dok. Nr. 67).

21

Ein Aufruf der Generalstreikleitung der Eisenbahnerverbände zum Abbruch des Generalstreiks war in der Extraausgabe des „Vorwärts“ vom 18.3.20 erschienen.

Jetzt bekanntgeben die Spezialisierung unserer Forderungen: Forderungen des Gewerkschaftsbundes: Entscheidender Einfluß auf Regierung und Neuregelung der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gesetzgebung. Bestrafung der Beamten und Soldaten. Noske. Preußische Minister Oeser und Heine. Gründliche Beseitigung der reaktionären Persönlichkeiten. Wiedereinstellung der gemaßregelten Organisationsvertreter. Sofortige(r) Ausbau der sozialen Gesetze, Gleichberechtigung. Freiheitliches Beamtenrecht. Sofortige Sozialisierung des Bergbaues und (der) Kraftgewinnung. Kalibergwerke. Enteignung der Grundeigentümer, die keine Nahrung abliefern. Beseitigung, Auflösung jeder konterrevolutionären Formationen. Übernahme des Sicherheitsdienstes durch die organisierte Arbeiterschaft22.

22

Legien trägt hier in Ergänzung seiner eingangs zit. Forderungen ein Neun-Punkte-Programm des ADGB, der Afa und des DBB vom 18. 3. vor. Es lautet im einzelnen: „I. Entscheidender Einfluß der genannten Arbeitnehmerverbände auf die Umgestaltung der Regierungen im Reich und in den Ländern sowie auf die Neuregelung der wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetzgebung. II. Sofortige Entwaffnung und Bestrafung aller am Putsch beteiligten Truppen und Bestrafung aller Personen, die am Sturz der legalen Regierungen beteiligt waren oder sich als Beamte des Reichs, der Länder oder Gemeinden ungesetzlichen Regierungen zur Verfügung gestellt haben. III. Sofortiger Rücktritt des Reichsministers Noske sowie der preußischen Minister Oeser und Heine. IV. Gründliche Reinigung der gesamten öffentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von allen reaktionären Persönlichkeiten, besonders solchen in leitenden Stellungen, und deren Ersatz durch zuverlässige Kräfte. Wiedereinstellung aller in öffentlichen Diensten gemaßregelten Organisationsvertreter. V. Schnellste Durchführung der Demokratisierung der Verwaltungen unter Zuziehung und Mitbestimmung der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten. VI. Sofortiger Ausbau der bestehenden und Schaffung neuer Sozialgesetze, die den Arbeitern, Angestellten und Beamten volle soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung gewährleisten. Schleunige Einführung eines freiheitlichen Beamtenrechts. VII. Sofortige Sozialisierung des Bergbaus und der Kraftgewinnung. Übernahme des Kohlen- und des Kalisyndikats durch das Reich. VIII. Sofortige Vorlegung eines Enteignungsgesetzes gegen Grundbesitzer, die die verfügbaren Lebensmittel nicht abführen oder ihren Betrieb nicht im Interesse des Volksganzen bewirtschaften, damit die produktiven Kräfte zur Gewinnung von Nahrungsmitteln restlos ausgenutzt werden. IX. Auflösung aller konterrevolutionären-militärischen Formationen, Übernahme des Sicherheitsdienstes durch die organisierte Arbeiterschaft“ (mschr. Manuskript in: Nachl. Wissell , Nr. 10923; Abdruck u. a. in: Arbeiterklasse siegt über Kapp und Lüttwitz. Bd. I, Dok. Nr. 72).

[723] Nicht Ernst der Lage verkennen. Es wäre unzweckmäßig, wenn wir jetzt eine Entscheidung der Herren herbeiführen wollten. Die Minister haben keine Zeit gehabt, sich die Sache zu überlegen. Im übrigen sind die Vertreter der Mehrheitsparteien verantwortlich. Sie müssen mitwirken, wenn wir das Kabinett ähnlich zusammensetzen wollen als [sic] bisher. Also gönnen wir den Herren noch 24 Stunden Zeit. Aber die Sache nicht leicht nehmen. Wir sind außerstande, die Arbeiterschaft zurückzuhalten von der Gründung einer eigenen Regierung, wenn wir nicht mindestens die vorgeschlagenen Sicherungen erhalten. Sowohl23 wir eine Arbeiterregierung bekommen, dann kommt der Bürgerkrieg. Wenn wir zu keiner Einigung kommen, übernehmen wir die Verantwortung auch für die Regierung. Das ganze Kabinett trägt die Verantwortung24.

23

Anm. Kriegers: „Wahrscheinlich verschrieben statt ‚Sobald‘.“

24

Vgl. zu dieser fragmentarischen Darlegung die hschr. Aufzeichnung Schiffers auf der Rückseite eines Flugblatts: „Legien am 18. 3. abends im PrStaatsMin.: Wenn Sie unsere Forderungen nicht befriedigen, machen wir eine Arbeiterregierung gegen die Regierung Bauer. Ich: Auch wenn dies den Bürgerkrieg bedeutet? L[egien]: Auch dann. Ich: Dafür übernehmen Sie die Verantwortung? L[egien]: Ja – dann übernehme ich auch für den Bürgerkrieg die Verantwortung“ (Nachl. Schiffer , Nr. 18, Bl. 3). Die Niederschrift ist von Schiffer auf den „18.3.1920“ datiert worden; das Flugblatt – mit dem Text der aus den nachfolgenden Verhandlungen hervorgehenden Vereinbarungen (s. Dok. Nr. 218, Abschnitt VIII) – kann allerdings erst am 20. 3. erschienen sein. Sinngemäß wird die Schiffer-Niederschrift durch hschr. Aufzeichnungen Gotheins bestätigt (Nachl. Gothein, Nr. 42, Bl. 6).

Hirsch: Verfahren: Wir werden morgen zusammenkommen, um zu den Fragen Stellung zu nehmen. Wenn wir morgen wieder zusammenkommen, dann Mitteilung, welche Stellung wir eingenommen haben.

Schiffer: Das Kabinett ist nicht ausgekniffen. Bei der Beratung in der Nacht ist gesagt, daß gekämpft werden müsse oder ausziehen25.

25

Einzelheiten s. Dok. Nr. 188.

Oeser: Keine persönlichen Fragen; darüber morgen. Es ist gesagt worden, daß Unterschrift Kotzurs gefälscht sei. Das ist nicht wahr.

Wels: (zur Geschäftsordnung): Lege Wert darauf festzustellen, daß ich in meinen Ausführungen lediglich betont habe, daß ich die Forderungen der Gewerkschaften nach entscheidender Mitwirkung für berechtigt halte. Aber[724] daran muß die Reichsregierung mitwirken. Die Reichsregierung muß informiert werden. Muß Möglichkeit haben, in 24 Stunden nach Berlin zu kommen.

Krüger: Es handelt sich nicht darum, daß die Gewerkschaften die Lage benützen, sondern daß es so ist: Die Parteien und Gewerkschaften haben nicht die Macht, den Generalstreik abzublasen, wenn die Arbeiterschaft nicht Sicherheit hat, daß in jeder Beziehung die Macht der Reaktion in Reich und Staat gebrochen wird. Legien hat die Forderungen noch spezialisiert. Über einen großen Teil der Forderungen ist gar kein Streit. Viele Forderungen sind schon alte Programmforderungen der Regierungen. Aber jetzt soll endlich Ernst damit gemacht werden. Einzige Schwierigkeit ist vielleicht die Frage der Mitwirkung bei der Regierung. Die Erklärung Legiens, daß die Reichsregierung nicht zurückkommen dürfe, wenn sie nicht schon alles bewilligt habe. Sondern wohl nur darum, den Gewerkschaften Einfluß zu sichern. Deshalb wird wohl die andere Formel (Schulz) uns einer befriedigenden Lösung schon näherbringen. Die ganze Frage ist nicht darauf zu stellen, daß die Regierungen Erklärungen abgeben, sondern daß die Parteien ihrerseits diese Erklärungen abgeben. Wir müssen den Vorschlägen folgen, um zu verhindern, daß der Streik zu den Folgen führt wie in anderen Städten. Wir wollen das. Also müssen große Maßnahmen getroffen werden. Also ohne politische Diktatur. Bei gutem Willen kommen wir zur Einigung. Auch Reichsregierung wird sich wohl einverstanden erklären.

Vollmerhaus: Was Rusch und Legien angeführt haben, wird zur Tatsache. Dieser Streikabbruch liegt nicht in den Händen der Minister. Wenn die minimalen Forderungen nicht restlos erfüllt werden, so geht es weiter. Die USPD, die wir nicht offiziell vertreten26, die nicht an diesen Beratungen teilzunehmen gedenkt, weil sie des Kuhhandels satt ist und weil sie weiß, daß sie hier nicht genügend ihre Forderungen unterstützt bekommt, steht auf dem Standpunkt, daß sie unsere Forderungen vertritt, obschon ihre Forderungen selbst weitergehen. Einzelne Organisationen können den Streik abblasen, aber der Streik wird doch in Bewegung bleiben. Der ganzen Bewegung können Sie nur ein Ende bereiten, wenn Sie auf unsere Vorschläge eingehen. Daß Wels Legien eine solche Backpfeife gegeben hat, muß ich noch feststellen. Natürlich war es unangenehm, daß die Gewerkschaften jetzt Einfluß gewinnen. Heute abend oder <bis morgen>27 innerhalb 24 Stunden bindende Erklärungen von Ihnen. Sonst Verantwortung für die Dinge, die dann kommen werden. Die Rechte hat an Macht verloren. Deshalb verlangen wir Sozialisierung des Bergbaues und der landwirtschaftlichen Betriebe, die sich versündigt haben. Damit mögen manche nicht einverstanden sein, aber die Arbeiterschaft fordert das und wird es sich nicht nehmen lassen.

26

Vollmerhaus sprach für den Ausschuß der Gewerkschaftskommission Berlins und Umgebung, der mit Vertretern der USPD und der KPD die Zentralstreikleitung von Groß-Berlin gebildet hatte.

27

Anm. Kriegers: „Im Stenogramm durchstrichen.“

Wels: Die Regierung muß innerhalb 24 Stunden nach Berlin kommen.

Brunner: Fälschung des Namens Kotzurs. Der Eisenbahnerverband hat den[725] Generalstreik erklärt, nachdem der Gewerkschaftsbund so gehandelt hat. Erst später sind die anderen Verbände an uns herangetreten. Der Streik der Eisenbahner dauert fort, bis die Forderungen bewilligt worden sind.

Hirsch: Vorschlag: Über Antrag Schulz keine Entscheidung. Legien hat eine Reihe von Forderungen überreicht. Legiens Vorschläge werden durchgeschlagen [sic]. Legien weiter vorgeschlagen, daß heute keine Entscheidung, sondern vertagt wird bis morgen abend. Zu diesen Forderungen müssen die Mitglieder der Regierungen und die Vertreter der Mehrheitsparteien Stellung nehmen. Frage, ob Mitglieder der Regierungen und Parteien gemeinsam tagen sollen oder getrennt? – Also gemeinsame Tagung. Um 3 Uhr. Wels Wunsch ausgesprochen, Reichsregierung nach Berlin zurückzukehren. Die Benachrichtigung der Regierung geschieht durch Wels und Krüger.

Gesamtsitzung um 7 Uhr. Auch im Staatsministerium28.

28

Die Aussprache wird gegen 22 Uhr vertagt. – Der Gang der weiteren Verhandlungen läßt sich aufgrund der unzureichenden Quellenlage nur bruchstückhaft dokumentieren: Am 19. 3. beraten, wie Gothein ausführt, die Ausschüsse der Koalitionsparteien in der NatVers. und der PrLV in gemeinsamer Sitzung. Über eine Besprechung der sozialdemokr. Mitglieder der PrReg. mit sozialdemokr. Parteifunktionären liegt im Nachl. Südekum  ein vierseitiges Stenogramm vor (Nr. 21, Bl. 10 f.). Da auch diese Sitzung noch nicht zu einer endgültigen Klärung führt und – soweit ersichtlich – die RReg. in ihr nicht vertreten ist, wird auf den Abdruck einer Übertragung dieses Stenogramms (Nachl. Südekum, Nr. 121, Bl. 25–31) hier verzichtet (Drucknachweise s. in den Literaturhinweisen in Anm. 1). Die Verhandlungen gelangen, ohne daß Mitglieder der in Stuttgart weilenden RReg. noch rechtzeitig hinzugezogen werden können (vgl. dazu Dok. Nr. 205), in einer Nachtsitzung vom 19./20. 3. zwischen Vertretern der RReg. (RWiM Schmidt, RArbM Schlicke), der PrReg., der Koalitionsparteien im Reich und in Preußen sowie Funktionären des ADGB unter Führung Legiens, der Afa des DBB und der Berliner Gewerkschaftskommission am 20. 3. um 5 Uhr morgens zum Abschluß. Als Ergebnis wird wiederum eine neun Punkte umfassende Vereinbarung ausgehandelt, die zwar auf dem Neun-Punkte-Programm der Freien Gewerkschaften vom 18. 3. (s. o. Anm. 22) basiert, jedoch stellenweise hinter den dort gesteckten Zielen zurückbleibt. Der Text dieser acht Forderungen und die Mitteilung über die den erfolgten Rücktritt der Minister Noske und Heine beinhaltende Vereinbarung ist in diesem Band in Dok. Nr. 218, Abschnitt VIII abgedruckt. Die Freien Gewerkschaften erklären daraufhin am 20. 3. um 7.05 Uhr den Generalstreik für beendet. – Zur Reaktion der RReg. s. Dok. Nr. 206.

Legien: Wenn USPD mitmachen will, bestehen dagegen Bedenken?

Hirsch hat keine Bedenken. Aber keine neuen Forderungen! Das bestätigt Legien.

Ein Eisenbahner will Vertreter der Eisenbahner dabei haben. Das wird abgelehnt.

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