2.103.3 (bru1p): 3. Erste Aussprache über Fragen des Finanzausgleichs und damit zusammenhängender finanzpolitischer Fragen.

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3. Erste Aussprache über Fragen des Finanzausgleichs und damit zusammenhängender finanzpolitischer Fragen.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß es ihm noch nicht möglich gewesen sei, festformulierte Vorschläge ausarbeiten zu lassen. Auf Grund[381] von persönlichen Überlegungen, die er jedoch mit seinem Amt noch nicht habe durchsprechen können, sei er zu folgenden drei Grundgedanken gekommen, die man erörtern und verfolgen könne.

A) Die Gefährdung des Reichshaushalts durch die Arbeitslosenversicherung müsse im kommenden Rechnungsjahr 1931 aufhören. Zu diesem Zweck müsse die Arbeitslosenversicherung vom Reichshaushalt völlig losgelöst werden. Auf Grund von Vorbesprechungen, die er mit dem Reichsarbeitsminister gehabt habe, glaube er annehmen zu dürfen, daß dieser diesen Weg nach den Wahlen mitgehen werde. Er sei davon überzeugt, daß die Leistungen der Arbeitslosenversicherung in der jetzigen Zeit nicht ernstlich beschnitten werden könnten. Andererseits dürfe die produzierende Wirtschaft nicht weiter belastet werden. Im Gegenteil, sie müsse entlastet werden. Daher dürfe man zur Finanzierung der Reichsanstalt neue Steuerquellen nicht mehr erschließen. Er denke sich die Aufbringung der Mittel etwa so, daß die von den Unternehmern und den Arbeitnehmern je zur Hälfte aufzubringenden Beiträge eine gewisse Grenze, über deren Höhe man noch sprechen müsse, nicht übersteigen dürfen. Der Mehrbedarf müsse auf breiteste Schultern abgewälzt werden, und zwar auf die Gesamtheit der Lohn- und Gehaltsempfänger. Die Unternehmungen als solche müßten geschont werden. Er schätze das Gesamtvolumen an Löhnen und Gehältern, auf das die Last zu verteilen sein werde, auf 40 Milliarden Reichsmark.

B) Die Steuerlast müßte derart gemildert werden, daß sie für die Wirtschaft erträglicher werde. Zu diesem Zweck sei eine Senkung der Realsteuern notwendig. Diese Senkung der Realsteuern müsse durch eine allgemeine Umgruppierung der Bauwirtschaft erreicht werden. Bisher betrage das Aufkommen aus der Hauszinssteuer4 rund 1,6 Milliarden RM. Von dieser Summe werde die Hälfte mit 800 Millionen für Wohnungsbauzwecke verwendet, die zweite Hälfte werde von Ländern und Gemeinden für Zwecke ihres allgemeinen Finanzbedarfs verwendet. Er denke daran, den Ländern auch die ersten 800 Millionen zuzuweisen mit der Auflage, diese Summe ausschließlich zur Senkung der Realsteuern zu verwenden. Dafür müsse die Bauwirtschaft ganz auf das Reich übernommen werden. Bei der Frage, wie das Reich die erforderlichen Mittel aufbringen könne, sei zunächst davon auszugehen, daß durch Senkung der Baukosten heute mit 600 Millionen der gleiche Effekt erzielt werden könne, der bisher mit 800 Millionen erreicht worden sei, zumal wenn man das Bauprogramm etwas beschneide. Er gehe also davon aus, daß in Zukunft nunmehr 600 Millionen aufzubringen seien. Hiervon könne man 200 Millionen im Wege des Kredits aufbringen, die restlichen 400 Millionen müßten laufenden Mitteln entnommen werden.

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Zur Hauszinssteuer s. Dok. Nr. 119, Anm. 3.

C) Der Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden müsse grundsätzlich umgestaltet werden. Zu diesem Zwecke sei es in erster Linie notwendig, die Bestrebungen der Länder nach weiterer anteiliger Beteiligung an den Reichssteuern nachdrücklichst zu bekämpfen. Den Ländern könne man die Biersteuer und die Branntweinsteuer überweisen und sie im übrigen auf eine[382] Beteiligung an der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer beschränken. Die Umsatzsteuer müsse dem Reich allein verbleiben. Ländern und Gemeinden eine Anpassung ihrer Gehälter an die Besoldungsordnung des Reichs vorzuschreiben, halte er nicht für möglich. Richtiger sei es nach seiner Meinung, vorzuschreiben, die Besoldungsordnungen der Länder in eine Abhängigkeit zur Höhe der Realsteuern zu bringen in der Weise, daß Erhöhung der Realsteuern nur vorgenommen werden dürfen, wenn zuvor eine Revision der Besoldungsordnungen stattgefunden habe.

Diese Gedanken des Reichsministers der Finanzen wurden eingehend erörtert. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Die Besprechungen sollen in der nächsten Ministerbesprechung am 22. August fortgesetzt werden5.

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S. Dok. Nr. 105, P. 3.

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