2.12.1 (bru1p): 1. Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Landwirtschaft.

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1. Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Landwirtschaft.

Der Reichskanzler stellte den auf Grund der Kabinettssitzung vom 7. April abgeänderten zweiten Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Landwirtschaft[34] zur Debatte1. Er wies darauf hin, daß die Wertbemessung der Einfuhrscheine nicht über die jeweils geltenden Zollsätze hinausgehen dürfe.

1

Der zweite GesEntw. befindet sich in R 43 I /2543 , Bl. 54–59.

Dem wurde zugestimmt. Im übrigen gab der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Erläuterungen zu den Abänderungen2.

2

Die Abänderungen betrafen vor allem die Schweinezölle. Außerdem erhielt anstelle des REM die RReg. die Ermächtigung, die Wertbestimmung der Einfuhrscheine zu regeln (Dok. Nr. 11, Anm. 16). Art. 9 (Dok. Nr. 11, Anm. 34) und Art. 10 (Dok. Nr. 11, Anm. 35) fehlten in der neuen Vorlage.

Der Reichsverkehrsminister erklärte, sein Antrag wegen des Weinzolles vom 7. April beruhe auf einem Irrtum3. Er trete für eine Heraufsetzung der Zölle für Wein, Keltertrauben und Weinmaische um 50% ein.

3

S. Dok. Nr. 11, Anm. 30.

Dagegen äußerte Staatssekretär von Schubert handelspolitische Bedenken. Die Zölle seien durch Handelsverträge gebunden4. Würden lediglich die autonomen Zölle erhöht, so würden Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllt würden. Würde die Abänderung der Verträge demnächst angestrebt, so würde das alle an der Einfuhr interessierten Kreise auf das schwerste beunruhigen.

4

Die Weinzölle waren seit 1925 durch die Handelsverträge mit Spanien (RGBl. II, S. 451) und Italien (RGBl. II, S. 1020) gebunden. Zur Frage der Weinzölle vgl. auch diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 330, P. 3 und Dok. Nr. 333, Anm. 11.

Der Reichsverkehrsminister erklärte hierzu, es bestehe Einverständnis darüber, daß eine Zollerhöhung in absehbarer Zeit nicht verwirklicht werden solle. Später aber werde sie nicht zu umgehen sein. Der Winzerstand dürfe nicht den Eindruck haben, daß er bei den Maßnahmen für die Landwirtschaft vergessen werde.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte sich mit diesen Ausführungen einverstanden, während der Reichswirtschaftsminister zwar für Winzerschutz eintrat, aber eine Beunruhigung der Industrie- und Handelskreise sowie der Länder fürchtete, die Weine ausführen. Das Ausland habe sich damit abgefunden, daß Deutschland die Vieh- und Fleischzölle erhöhe, habe aber Bedenken geäußert wegen der übrigen agrarpolitischen Maßnahmen, die insbesondere die Verträge mit den Westmächten gefährden könnten. Wenn es sich lediglich darum handle, die Winzer zu beruhigen, so sehe er keine Gefahr.

Dem Vorschlag des Reichskanzlers entsprechend wurde dem Antrag des Reichsverkehrsministers zugestimmt.

Einen breiten Raum nahm die Frage des Schweinezolles in der Aussprache ein5.

5

Im 2. GesEntw. erhielt der Art. 3 des Ges. über Zolländerungen vom 22.12.29 (RGBl. I, S. 227 ) folgende Fassung: „Artikel 1“

1.Die Worte „bei Schweinen zu Schlachtzwecken nicht unter 16 RM für 1 dz. Lebendgewicht“ werden gestrichen.

2.An Stelle der Zahl „32,00“ [RM Zoll für 1 dz. Schweinefleisch] ist die Zahl „45,00“ zu setzen.

3.Satz 2 und 3 werden durch folgende Vorschrift ersetzt: Außerdem darf durch vertragsmäßige Abmachungen das Wirksamwerden der in der Tarifnummer 106 des Zolltarifs getroffene Regelung nicht verhindert werden“ (R 43 I /2543 , Bl. 54).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wies erneut darauf hin, daß eigentlich bei einem Schweinefleischzoll von 45 M der Zoll für lebende[35] Schweine 36 M betragen müßte. Er wünschte sodann, daß der Normalzoll von 18 auf 24 M erhöht würde, so daß er nach der geltenden Regelung, die grundsätzlich in den neuen Entwurf übernommen werden soll, 36, 24 und 12 M betragen würde.

Wie der Reichswirtschaftsminister ausführte, würde beim gegenwärtigen Preisstand demnach also der Zoll für lebende Schweine sofort auf 36 M erhöht werden müssen. Er hatte schwerste Bedenken wegen des polnischen Handelsvertrages.

Diese Bedenken teilte Vortr.Leg.Rat Eisenlohr. Die Disparität zwischen Fleisch- und Lebendvieh-Zoll beruhe darauf, daß der Fleischzoll starr und übersetzt sei. In Frage käme die beantragte Erhöhung des normalen Zolles für Schweine auf 24 M, wenn der Zoll für Fleisch auf 32 M herabgesetzt würde.

Schließlich wurde nach längeren Auseinandersetzungen hierüber Einverständnis dahin erzielt, daß es bei der geltenden Regelung verbleibe, nur die Preisgrenze auf 75 und 85 M bemessen werde und für den Fall einer Senkung der Inlandspreise für Schweine durch Einfuhr die Heraufsetzung des Schweinezolles auf 36 M vorgesehen werde. Die Reichsregierung soll ermächtigt werden, den Zollsatz wieder herabzusetzen.

Nach kurzer Aussprache über den Milchzollvorschlag bei der die Stimmung zur Annahme neigte6, aber zunächst die Aussprache mit den Parteiführern abgewartet werden sollte7, wurde hinsichtlich der übrigen Punkte des Entwurfs Übereinstimmung erzielt. Nur wegen der Gefrierfleischfrage8 sowie Speck und Schmalz9 wurde die Entscheidung zurückgestellt.

6

S. Dok. Nr. 11, Anm. 27.

7

S. Dok. Nr. 13.

8

S. Dok. Nr. 11, Anm. 8.

9

S. Dok. Nr. 11, Anm. 31.

Zur Frage der Aufhebung des Gefrierfleischkontingents schlug der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft eine Erklärung der Reichsregierung auf entsprechende Anfrage aus dem Reichstage vor, daß die Reichsregierung bereit sei, an Minderbemittelte entsprechende Mengen von Frischfleisch zu billigen Preisen zu liefern, oder in anderer Weise einen Ausgleich herbeizuführen.

Hierzu äußerte der Reichsminister der Finanzen Bedenken. Ein autonomes zollfreies Frischfleischkontingent komme wegen der großen zolltechnischen Schwierigkeiten und der Auswirkungen auf die meistbegünstigten Staaten nicht in Frage. Mittel zum Ausgleich von Härten habe er nicht zur Verfügung.

Der Reichsarbeitsminister wies darauf hin, daß die Aufhebung des Gefrierfleischkontingents auf die Rinderpreise ebensowenig Einfluß haben werde wie seinerzeit die Ermäßigung des Kontingents von 120 000 auf 50 000 t. Den Landwirten werde nicht geholfen, den Minderbemittelten werde das Fleisch verteuert. Von einer Regierungserklärung im angeregten Sinne versprach er sich keinen Erfolg.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete hielt es im Interesse der Zusammenarbeit des Kabinetts für notwendig, dem Vorschlage des Reichsministers[36] für Ernährung und Landwirtschaft zuzustimmen. Für die kleinbäuerlichen Betriebe sei die Verwendung der ausgemolkenen Kühe von großer Bedeutung.

Zu Art. 6, Aufhebung der Zwischenzölle für Speck und Schmalz äußerte der Reichskanzler dahin Bedenken, daß es voraussichtlich nicht möglich sein werde, diesen Vorschlag im Reichstag durchzubringen. Ähnlich sprach der Reichsarbeitsminister.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ließ durchblicken, daß er mit Rücksicht auf die Einigung in der Schweinezollfrage diesen Vorschlag fallen lassen könne.

A. Das Kabinett faßte nach eingehender Aussprache folgende Entschließungen:

1.

Die Wertbemessung der Einfuhrscheine darf keinesfalls über die jeweiligen Zollsätze hinausgehen.

2.

Die autonomen Zollsätze für Keltertrauben, Weinmaische und Wein werden entsprechend dem Antrage des Reichsverkehrsministers erhöht (Anl. Ziff. 7 und 20)10.

3.

In Ziffer 8 der Anlage wird 80 durch 85 ersetzt. Im zweiten Satz werden die Worte „wesentlich“, „erheblich“ und „vorübergehend“ gestrichen11. Hinzugefügt wird: „Die Reichsregierung ist ermächtigt, den Zollsatz wieder herabzusetzen.“

10

Der Zollsatz für Keltertrauben und Weinmaische sollte von 60 RM auf 90 RM (Ziffer 7), die einzelnen Weinzölle sollten um 50% erhöht werden (Ziffer 20) (R 43 I /2543 , Bl. 57, 59).

11

Ziffer 8 der Anlage zum 2. GesEntw. hatte folgenden Wortlaut: „Ist der Preis am Berliner Markt für Schweine der Klasse C im Durchschnitt zweier Wochen niedriger als 75 RM je Zentner Lebendgewicht, so erhöht sich der Zollsatz für Schweine um 50 vom Hundert, bis der Preis am Berliner Markt für Schweine der Klasse C im Durchschnitt zweier Wochen vom Tage des Inkrafttretens des erhöhten Zollsatzes an gerechnet 80 RM je Zentner Lebendgewicht erreicht. Falls durch wesentliches Steigen der Einfuhr der Preis der Schweine auf dem deutschen Markt gedrückt wird, ist die Reichsregierung ermächtigt, den Zollsatz für lebende Schweine bis auf 36 RM für den Doppelzentner Lebendgewicht vorübergehend heraufzusetzen“ (R 43 I /2543 , Bl. 58).

B. Wegen des Zolles für Milch und Rahm (Ziffer 11 der Anlage), Speck und Schmalz (Art. 6) und der Gefrierfleischregelung wurde der Stellungnahme der Fraktionsführer entgegengesehen12. Im übrigen wurde der Entwurf in seiner zweiten Fassung gebilligt.

12

S. Dok. Nr. 13.

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