2.150.1 (bru1p): Regelung des 6%igen Gehaltsabzuges – auch für Reichswehr und Polizei im Reich und in den Ländern.

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Regelung des 6%igen Gehaltsabzuges – auch für Reichswehr und Polizei im Reich und in den Ländern1.

1

Die Chefbesprechung ging auf eine Anregung des PrMinPräs. zurück (Vermerk Pünders vom 21.10.30, R 43 I /2367 , Bl. 152).

Der Preußische Ministerpräsident erklärte, daß für die Entscheidung der Frage, ob der im Wirtschafts- und Finanzplan der Reichsregierung vorgesehene 6%ige Gehaltsabzug2 auch auf die Polizeibeamten zu erstrecken sei, nicht nach finanziellen oder besoldungspolitischen Gesichtspunkten beurteilt werden könne, daß vielmehr hierfür politische Gründe ausschlaggebend sein müßten. Die Preußische Regierung halte es aber in der gegenwärtigen politisch so überaus unruhigen Zeit, die voraussichtlich auch während des ganzen kommenden Winters anhalten werde, für völlig unmöglich, den im polizeilichen Außendienst verwendeten Polizeibeamten eine Gehaltskürzung zuzumuten. Es komme alles darauf an, die Hingabe der Polizei an ihre Aufgabe und ihre Dienstfreudigkeit zu erhalten. Die Polizei befinde sich gewissermaßen im[567] Kriegszustande und müsse täglich damit rechnen, zur Bekämpfung oder Verhütung ernster Unruhen eingesetzt zu werden. Von keiner anderen Beamtenkategorie werde in ihrer Gesamtheit ein derartiges Maß von Hingabe an den Dienst gefordert. Darum seien berechtigte Berufungen von anderer Seite auch nicht zu befürchten; insbesondere nicht von der Reichswehr, die nur ihren normalen Friedensdienst zu absolvieren habe. Mit dem bisherigen Zulagensystem auszukommen, sei nicht angängig. Die politische Situation erfordere aus psychologischen Gründen eine bevorzugte Behandlung der Polizei gegenüber der Gesamtheit der übrigen Beamtenschaft.

2

S. Dok. Nr. 124, Anlage zu P. 1 und Dok. Nr. 157, P. 1.

Der Reichswehrminister führte demgegenüber aus, daß er volles Verständnis für den schweren Dienst der Polizei habe, daß er es aber unter keinen Umständen zulassen könne, daß die Polizei anders behandelt werde, wie die Reichswehr. Er könne die Zuverlässigkeit der Reichswehr nur dann gewährleisten, wenn das Heer sich nicht hinter der Polizei zurückgesetzt fühle. Darum müsse die Gehaltskürzung die Polizei in gleichem Maße treffen wie die Reichswehr. Andererseits habe er nichts dagegen einzuwenden, wenn der Polizei, wenn sie zu besonders schwerem Außendienst eingesetzt werde, hierfür besondere Zulagen gewährt würden. Er halte diese Zulagen sogar für notwendig.

Staatsminister Dr. Severing unterstützte die Ausführungen des Preußischen Ministerpräsidenten und meinte, daß die in dem jetzigen Zeitpunkt an die Polizei zu stellenden Anforderungen so außergewöhnliche seien, daß begründete Berufungen der Reichswehr kaum vorgebracht werden könnten.

Staatsminister Dr. Höpker Aschoff wies darauf hin, daß bisher an die Polizei für außergewöhnliche Tage Alarmzulagen und sonstige Vergünstigungen gewährt worden seien. Er empfehle, dieses System der Zulagen, soweit nötig, auszubauen, im übrigen aber die Polizei, schon mit Rücksicht auf die Gesamtheit der übrigen Beamtenschaft, in die Gehaltskürzungsaktion miteinzubeziehen.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß auch er sehr bedenkliche Berufungen der gesamten übrigen Beamtenschaft befürchte, wenn für die Polizei eine Ausnahme gemacht werde. Er setzte auseinander, daß eine Ausnahmebehandlung das finanzielle Sanierungswerk erheblich gefährden werde.

Der Reichskanzler bemerkte, daß nach seiner Auffassung es besser sei, der Polizei mit besonderen Zulagen zu helfen; denn wenn bei der Gehaltskürzung irgendwie mit Staffelungen vorgegangen werde, so werde die schwerwiegende Gefahr einer Gefährdung der ganzen Kürzungsaktion heraufbeschworen.

Die Aussprache wurde noch eine ganze Weile fortgesetzt und führte schließlich zu dem Ergebnis, daß in kleinem Kreise zwischen den beteiligten Reichs- und preußischen Ressorts eine Regelung gefunden werden soll, die die grundsätzliche Gleichbehandlung von Polizei und Reichswehr sicherstelle3.[568] Das von der Preußischen Regierung angestrebte Ziel einer Schadloshaltung der Polizei für ihren besonders schwierigen Dienst solle durch zweckmäßigen Ausbau des Zulagensystems für den außerordentlichen Bereitschafts- und Einsatzdienst erreicht werden.

3

Über die weitere Behandlung dieser Angelegenheit ist in den Akten der Rkei nichts zu ermitteln. Die NotVO vom 1.12.30 (RGBl. I, S. 517 ) enthielt keine Sonderregelung für Polizeibeamte.

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