2.180.1 (bru1p): Außenpolitische Angelegenheit.

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Außenpolitische Angelegenheit.

Zu Eingang der Sitzung sprach der Reichswehrminister dem Reichskanzler die guten Wünsche aller Mitglieder des Reichskabinetts und aller anderen Sitzungsteilnehmer zum Geburtstage aus.

Der Reichskanzler dankte ihm für seine Worte.

Der Reichsminister des Auswärtigen schilderte zunächst die Lage in Polnisch-Oberschlesien und die vom Auswärtigen Amt daraus gezogenen Schlüsse für das Verhalten der deutschen Reichsregierung1. Im ganzen seien in Oberschlesien 36 Terrorakte festgestellt. Auch in Pommerellen sei es zu Ausschreitungen gekommen, die aber wesentlich geringeren Umfang gehabt hätten. Das Auswärtige Amt schlage vor, daß die Reichsregierung durch eine Note an den Völkerbund eine Beschwerde über die Vorkommnisse in Oberschlesien erhebe,[658] die satzungsgemäß bei der nächsten Tagung des Völkerbundsrats, also im Januar, erledigt werden müsse. Wegen der Vorkommnisse im Polnischen Korridor sei mit der gerade in Berlin anwesenden Vertretung der dortigen Deutschen vereinbart worden, daß diese selbst eine Minderheitenbeschwerde an den Völkerbund richten sollten, der sich dann die deutsche Reichsregierung anschließen werde2.

1

S. Dok. Nr. 173, P. 1.

2

Am 26.11.30 verhandelte eine Delegation dt. Grundbesitzer aus Pommerellen mit dem RFM über finanzielle und zollpolitische Hilfen des Reichs zum Schutz der dt. Landwirtschaft im Korridor. Der RFM stellte die Gewährung neuer, zinsgünstiger Kredite, eine Erhöhung der Beleihungsgrenze und Umschuldungsmaßnahmen in Aussicht (Aufzeichnung des ORegR Planck vom 28.11.30, R 43 I /550 , Bl. 158–159). Vgl. auch Dok. Nr. 209 und Dok. Nr. 223, P. 2. Zur Minderheitenbeschwerde s. Dok. Nr. 227.

Die deutsche Note solle am 27. November abgehen und könne vielleicht in ihrem Anschreiben die Bemerkung enthalten, daß bei Wiederaufflammen der Unruhen oder überhaupt bei neuen unerträglichen Vorkommnissen, Deutschland gezwungen sein würde, auf sofortiger Einberufung einer besonderen Ratstagung zu bestehen3. Gleichzeitig würden die deutschen diplomatischen Vertretungen bei den beteiligten Großmächten angewiesen werden, den Schritt in Genf zu unterstützen. Mit dem Reichstagsabgeordneten Ulitzka sei über das so geschilderte Verfahren Einvernehmen erzielt worden.

3

In der Note vom 27. 11. an den VB-Generalsekretär Drummond bat der RAM, die polnischen Gewalttaten gegen die dt. Minderheit auf die TO der nächsten VB-Rats-Tagung zu setzen. Eine sofortige Einberufung des Rats wurde nicht gefordert. In der Note wurden Beispiele für die Beeinträchtigung des Wahlrechts und den Terror gegen die dt. Minderheit aufgeführt (Abschrift der Note in R 43 I /125 , Bl. 69–83). Zur Behandlung der dt. Beschwerde im VB-Rat s. Dok. Nr. 227.

 

Reichsminister Treviranus sprach sich mehr für Herbeiführung einer besonderen Ratstagung aus. Ein solcher Versuch der deutschen Reichsregierung, selbst wenn er scheitere, würde innerpolitisch günstig wirken, während im anderen Falle die Maßnahmen der Reichsregierung von der Rechtsopposition scharf kritisiert werden würden. Außenpolitisch versprächen die deutschen Schritte doch keinen Erfolg, so daß man die deutschen Maßnahmen lediglich nach innerpolitischen Rücksichten einrichten könne.

Der Reichsminister des Auswärtigen widersprach dem. Er glaubte, doch ein für Polen ungünstiges Ergebnis bei den Verhandlungen im Völkerbundsrat annehmen zu können.

Gegen den Versuch, eine außerordentliche Ratstagung herbeizuführen, sprachen sich auch der Reichsarbeitsminister und der Reichsverkehrsminister aus, denen sich der Reichskanzler anschloß, insbesondere mit der Begründung, daß man das Mittel der Einberufung einer besonderen Ratstagung für ganz schwere Existenzfragen des Deutschen Reichs aufsparen müsse.

In eingehender Debatte wurde erörtert, ob sich im Anschreiben der deutschen Note ein Hinweis auf die immer noch bestehende Möglichkeit empfehle, eine besondere Ratstagung einzuberufen.

Da sich mehrere Reichsminister aus außen- wie innenpolitischen Gründen gegen einen solchen Hinweis aussprachen, wurde festgesetzt, daß dieser nur eingefügt werden solle, wenn eine besonders sorgfältige Formulierung die vorgebrachten Bedenken beseitigen könne.

[659] Es wurde ferner beschlossen, daß als Vertreter der Reichsregierung der Reichsminister des Innern am 27. November nach Oppeln fahren solle, um mit der deutsch-oberschlesischen Bevölkerung Fühlung zu nehmen, falls Oberpräsident Lukaschek eine solche Reise für zweckmäßig halte; andernfalls solle Oberpräsident Lukaschek nach Berlin gebeten werden. Im Falle der Reise des Reichsministers Wirth solle auch der Preußische Staatsminister des Innern zur Beteiligung aufgefordert werden4.

4

Am 27. 11. informierte sich der RIM, der vom StS im PrIMin. Abegg begleitet wurde, in Oppeln über die Lage in Oberschlesien; der RIM unterrichtete auch die Vertreter der dortigen Parteien über die Haltung und das Vorgehen der RReg. in dieser Angelegenheit (WTB Nr. 2415 vom 28.11.30 in R 43 I /125 , Bl. 56).

Die Ministerbesprechung wurde hierauf geschlossen.

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