2.19.2 (bru1p): 2. Deutsch-rumänische Wirtschaftsverhandlungen.

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2. Deutsch-rumänische Wirtschaftsverhandlungen7.

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Die dt.-rumänischen Handelsbeziehungen waren bis 1930 durch autonome Verfügungen nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung geregelt worden. Der Wunsch beider Länder, von dieser Übung abzugehen und statt dessen ein vertraglich vereinbartes Recht zu setzen, hatte im Januar 1930 zur Aufnahme von Handelsvertragsverhandlungen geführt (Denkschrift des AA zum Entw. eines vorläufigen Handelsabkommens vom 21.6.30 in R 43 I /1113 , Bl. 59). Hauptstreitpunkt der Verhandlungen war der rumänische Export von Mais und Gerste nach Deutschland; die Auseinandersetzungen waren durch die Erhöhung der deutschen landwirtschaftlichen Zölle (s. Dok. Nr. 11 und unten P. 6) verschärft worden. Der Vorsitzende der rumänischen Verhandlungsdelegation, Dr. Antipa, hatte am 14.4.30 in einem Schreiben an den dt. Verhandlungsführer MinDir. Posse auf die möglichen negativen Folgen der dt. Zollerhöhungen für den Abschluß des dt.-rumänischen Handelsvertrags hingewiesen (Abschrift in R 43 I /1113 , Bl. 16–19).

Der Reichswirtschaftsminister trug den Inhalt der Kabinettesvorlage vor8. Anscheinend habe die rumänische Regierung ihren Bauern in Aussicht gestellt, daß sie über den Vorschuß von 7 bis 7,50 RM für den Zentner noch etwa 3 RM erlösen würden. Rumänien behaupte nun, Deutschland hätte durch seine neuen Zollmaßnahmen den Preis auf dem Weltmarkt geworfen und müsse, wenn es mit diesem Lande Handelsbeziehungen aufrecht erhalten wolle, den durch die Preisstürze entstehenden Schaden tragen, der Rumänien treffe.

8

In der Kabinettsvorlage vom 12.4.30 hatte der RWiM den Ankauf von 100 000 t rumänischem Mais durch die Reichsmaisstelle und von 300 000 t rumänischer Gerste durch die Getreide-Kommissions- und Industrie AG vorgeschlagen. Von dt. Seite sei dieses Entgegenkommen notwendig, weil Rumänien sonst die Meistbegünstigung für dt. Waren zum 1.5.30 aufheben würde, und dann ein Zollkrieg drohe (Vorlage in R 43 I /1113 , Bl. 11–12).

Durch die Preisstürze seien auch die Zentral-Genossenschaftsbank und andere Banken in Rumänien in Schwierigkeiten geraten, die sich auf die Bauernregierung übertrügen. Ihren Ersatz durch eine liberale Regierung würde für Deutschland starke Schäden mit sich bringen9.

9

Der RWiM hatte in seiner Vorlage darauf aufmerksam gemacht, daß ein Zollkrieg den Sturz der Dtld wohlgesonnenen Bauernregierung Maniu durch die liberale Partei herbeiführen könne, die Rumänien in die französische Interessensphäre eingliedern würde (R 43 I /1113 , Bl. 11). In der Denkschrift zum dt.-rumänischen Handelsvertragsentw. vom 21.6.30 erinnerte der RAM daran, daß die Bauernpartei nach ihrer Regierungsübernahme im Herbst 1928 die industriellen Schutzzölle, die 1927 von der liberalen Regierung erlassen worden waren, abgebaut hatte (R 43 I /1113 , Bl. 59).

Der Ankauf der 100 000 Tonnen Mais werde keinen Bedenken begegnen. Die 300 000 Tonnen Gerste müßten entgegen den sonstigen Gepflogenheiten des Getreidehandels gekauft werden, ohne daß vorher entsprechende Verkäufe abgeschlossen worden seien. Das Risiko, das sich daraus ergebe, in Höhe von etwa 5 Millionen, wolle der Reichsverband der Deutschen Industrie mit 2,4 Millionen übernehmen, wenn der Abschluß der geplanten Lieferungsverträge nach Rumänien erfolge.

Die Firma Kampffmeyer habe ihm nun vorgeschlagen, daß sie auf eigene Rechnung und Gefahr 200 000 Tonnen Gerste kauft und daß das Reich als Risikoprämie[54] 2 Millionen an die Firma zahlen solle. Sie rechnet damit, daß die Vorräte in Rumänien nicht ausreichen, um 300 000 Tonnen zu liefern10.

10

Kurt Kampffmeyer, der Inhaber der Getreidegroßhandelsfirma Kampffmeyer Berlin, bestritt in einer Besprechung mit MinDir. Posse, daß er dem REM eine Zusage für den Kauf von 200 000 t rumänischer Gerste auf eigenes Risiko gegeben habe. Er könne auch keine Summe nennen, die ihm das Reich als Risikoprämie zahlen könne, bevor nicht der Einkaufspreis mit den Rumänen vereinbart worden sei. Das AA erkannte an, daß die vom Kabinett zur Verfügung gestellte Summe zur Deckung des bei dem Einkauf von 200 000 t Gerste entstehenden Risikos nicht ausreiche. Deshalb werde MinDir. Posse das Angebot, rumänische Gerste abzunehmen, fallenlassen (Abschrift einer Aufzeichnung des AA vom 17.4.30 in R 43 I /1113 , Bl. 21–22).

Bei dieser Sachlage komme in Frage, den Rumänen anzubieten, daß ihnen 4,4 Millionen – 2,4 Millionen vom Reichsverband der Deutschen Industrie, 2 Millionen vom Reich – zur Abdeckung der Verluste durch den Gerstenpreissturz in bar gegeben werde, mit der Zusicherung, daß die Regierung darüber hinaus auf den Handel einwirken werde, in Rumänien Getreide zu kaufen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft führte eingehend aus, daß er nicht in der Lage sei, auf seinen Etat eine Garantie von 2–3 Millionen RM zu übernehmen. Von den 20,25 Millionen, die dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft zur Roggenstützung zur Verfügung ständen, seien 19 Millionen verbraucht. Außerdem müsse er 7,5 Millionen an das Reichsfinanzministerium zurückgeben.

Wenn der Firma Kampffmeyer 2 Millionen gezahlt würden, sei er bereit, davon ¾ Millionen zu tragen.

Auf einen Hinweis des Reichsverkehrsministers darauf, daß der Reichstag die Beteiligung des privaten Handels bei den Getreidegeschäften wünsche, erklärte der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, daß er an der Ausfuhr von Roggen zu 75% beteiligt werden solle; gegebenenfalls würde Kampffmeyer bereit sein, auch bei dem rumänischen Geschäft Firmen zu beteiligen, die bisher dort Getreide gekauft hätten.

Der Reichsminister der Finanzen äußerte gegen Barzahlung Bedenken, weil hierfür keine Mittel im Etat zur Verfügung ständen. Die Geschäfte könnten aber wohl über den Garantiefonds ausgeführt werden.

Der Reichssparkommissar wies darauf hin, daß für die Garantie Unterlagen fehlten.

Auch der Reichskanzler sprach sich dafür aus, daß die Geschäfte etatsmäßig richtig gestellt würden.

Nach eingehender Aussprache war das Kabinett darüber einig, daß die Delegation für die Handelsvertragsverhandlungen mit Rumänien den Rumänen drei Angebote machen kann:

1.

Kauf der 100 000 Tonnen Mais und 300 000 Tonnen Gerste nach den Vorschlägen der Vorlage.

2.

Kauf der 100 000 Tonnen Mais durch das Maismonopol und von 200 000 Tonnen Gerste durch die Firma Kampffmeyer, gegebenenfalls unter Beteiligung anderer Handelsfirmen, die bisher mit Rumänien Getreidehandel getrieben haben. Das Reich würde in diesem Falle an die Firma Kampffmeyer aus Mitteln des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft [55]2 Millionen als Abfindung für das mit dem Kaufe verbundene Risiko zahlen.

3.

Zahlung von 4,4 Millionen an die rumänische Regierung, davon 2,4 Millionen vom Reichsverband der Deutschen Industrie, 2 Millionen aus Mitteln des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Dabei soll den Rumänen in Aussicht gestellt werden, daß die Regierung auf die deutschen Interessenten einwirken wird, um sie zum Kauf von Getreide in Rumänien zu veranlassen11.

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In dem Schreiben vom 17.4.30 übermittelte MinDir. Posse der rumänischen Delegation die Kabinettsvorschläge, mit Ausnahme des Kaufangebots von rumänischer Gerste. Als Gegenleistung für die 4 Mio RM, die das Dt. Reich der Rumänischen Regierung als Ausgleich für die Bevorschussung der Gerstenernte zur Verfügung stellen wollte, sollte Rumänien bei dt. Firmen Eisenbahnmaterial im Wert von 30 Mio RM bestellen (Abschrift des Schreibens mit Anlage in R 43 I /1113 , Bl. 23–25).

Die interessierten Bauern sollen an den Verhandlungen nach Bedarf beteiligt werden.

Wenn der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft aus seinen Etatsmitteln 2 Millionen für die Rumänen-Angelegenheit zur Verfügung stellt, wird der Reichsminister der Finanzen ihm 1,25 Millionen zurückerstatten.

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