2.28.1 (bru1p): Fortsetzung der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für die durch die neue Grenzziehung notleidend gewordenen Gebiete des Ostens (Osthilfegesetz).

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Fortsetzung der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für die durch die neue Grenzziehung notleidend gewordenen Gebiete des Ostens (Osthilfegesetz).

Der Reichskanzler stellte zunächst die Möglichkeiten der Finanzierung des Ostprogramms und ihr Verhältnis zum Gesamtbilde der Reichsfinanzen zur Debatte.

Der Reichsminister der Finanzen erläuterte dann die Vorschläge, die auf Seite 24 des Begleitschreibens zur Kabinettsvorlage vom 28. April aufgeführt sind1. Über die Finanzierung des Ostprogramms wurde eine Aufstellung[107] überreicht, die als Anlage beigefügt ist2. Das Reichsfinanzministerium legte auch eine Zusammenfassung der Gesetzentwürfe in ein einheitliches Gesetz vor3.

1

Für die Osthilfe standen im ordentlichen Haushalt 1930 116,3 Mio RM zur Verfügung. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus: 1. 29,3 Mio RM aus dem Ostpreußengesetz; 2. 22 Mio RM, die bereits im ordentlichen Haushalt für das Ostprogramm eingesetzt worden waren; 3. 35 Mio RM aus Hypotheken auf Reichsbesitz im Rheinland; 4. 20 Mio RM aus der Rücklage der Bank für Industrieobligationen; 5. 10 Mio RM aus den Mitteln für produktive Erwerbslosenfürsorge (Begründung zum GesEntw. vom 28.4.30, R 43 I /1801 , Bl. 191).

2

116 Mio RM der Osthilfe sollten für das Ostpreußengesetz (20 Mio RM), Zinsverbilligung (8 Mio RM), Lastensenkung (30 Mio RM), die Fortführung gefährdeter Betriebe (50 Mio RM) und für Zwecke des RIMin. (8 Mio RM) aufgebracht werden. 50 Mio RM freiwerdender Zwischenkredite sollten je zur Hälfte als Einlage für die Ablösungsbank und für Eisenbahnbauten verwandt werden. 500 Mio RM sollten 1930 und 1931 für Umschuldungen zur Verfügung stehen: 25 Mio RM von Hypothekenbanken, 100 Mio RM durch eine Anleihe, 125 Mio RM durch Ablösungsscheine (R 43 I /1443 , Bl. 117).

3

Die Gesetzesvorlage befindet sich in R 43 I /1443 , Bl. 118–125.

Der Reichsminister der Finanzen führte folgendes aus:

Um die Belastung des Grundbesitzes des Reichs im Westen zugunsten der Osthilfe zu vermeiden, habe der Reichsminister für die besetzten Gebiete vorgeschlagen, den Westfonds (22 Millionen RM im laufenden Etatsjahr) für den Osten zur Verfügung zu stellen und ihn auf 35 Millionen RM zu erhöhen.

Über die Heranziehung der Mittel aus Industrieobligationen werde der Reichsverband der Deutschen Industrie am 12. Mai verhandeln4.

4

In den Akten der Rkei war über diese Verhandlungen nichts zu ermitteln. StS Schäffer vermerkte in einer Aufzeichnung, daß GehR Kastl in einer Besprechung mit dem RFM die Beschlüsse des RdI erläutert hatte. Die Industrie wollte nur noch jährlich 200 Mio RM für die Industrieobligationen zahlen. 40% der Summe sollte für die Unterstützung der kleineren Betriebe verwandt, 60% der Ablösungsbank geliehen werden (12.5.30, Nachlaß Schäffer , IfZ, ED 93, Bd. 8, Bl. 120). Die Stellungnahme des RdI zum Ostprogramm erläuterte Kastl in einem Brief an StS Pünder vom 15. 5. (R 43 I /450 , Bl. 154–166; vgl. Dok. Nr. 45, P. 2, Anm. 4).

Bei der Inanspruchnahme von 10 Millionen RM aus der produktiven Arbeitslosenfürsorge sei zu beachten, daß die Arbeitslosigkeit in diesem Jahre wesentlich langsamer zurückgehe als im vorigen. Die Zahl der unterstützten Arbeitslosen sei um 700 000 höher als damals5. Zwar sei die Hoffnung berechtigt, daß sich die wirtschaftliche Lage bessere, voraussichtlich aber noch nicht fühlbar in den nächsten Monaten. Bei den Städten wachse die Unterstützung aus Wohlfahrtsmitteln in bedrohlicher Weise. Die Belebung des Arbeitsmarktes, insbesondere auch des Baumarktes müsse mit allen Mitteln angestrebt werden. Vielleicht werde auch der Erlaß der Kapitalertragssteuer in dieser Richtung wirken.

5

Vgl. Dok. Nr. 21, P. 1, Anm. 12.

Die Lage sei so kritisch, daß die Beiträge erhöht und gleichzeitig Reformen für die Arbeitslosenversicherung durchgeführt werden müßten.

Bei dieser Sachlage könnten für die Osthilfe keine weiteren Mittel freigemacht werden. Die letzten Reserven seien bereits hierfür eingesetzt.

Selbst wenn die Beiträge der Arbeitslosenversicherung erhöht und durch Reformen 85 Millionen RM eingespart würden, müßten noch weitere 100 Millionen RM für die Arbeitslosen aufgebracht werden.

Für die Umschuldung sollten 500 Millionen RM nach dem beiliegenden Finanzierungsplane Ziffer 3 aufgebracht werden.

Für die Ablösungsscheine (2 x 125 Millionen RM) sei Reichsgarantie und Tilgung in 5 Jahren vorgesehen. Hierfür sollten 50 Millionen RM aus den Industrieobligationen, 25 Millionen RM aus Mitteln des Ostfonds sowie des[108] Westfonds, insgesamt rund 100 Millionen RM eingesetzt werden; das alles auf 5 Jahre.

Die Mittel für die Siedlung seien durch Anleihe aufzubringen. Der Geldmarkt sei zwar jetzt sehr flüssig, jedoch mehr für kurzfristige als für langfristige Anlagen.

Hierzu führte Staatssekretär Schäffer noch folgendes aus. Die Geldflüssigkeit, die sich in der ganzen Welt zeige, beruhe auf einem Tiefstand der Konjunktur auch in den Rohstoffländern. Auch die Absicht der großen Banken Amerikas, die Mobilisierungsanleihe vorzubereiten, spiele mit. Nach ihrer Unterbringung werde sich die Lage jedoch kaum wesentlich ändern.

Die zur Verfügung stehenden Kapitalmengen seien begrenzt. Allein die deutschen Anforderungen würden so groß sein, daß es fraglich wäre, ob sie befriedigt werden könnten. Mit Anforderungen von anderen Seiten sei zu rechnen. Es werde sich dabei zeigen, daß das Weltkapital Investierungen in verschiedenen Ländern der überwiegenden Versorgung eines Landes vorziehe. Vorsicht sei daher geboten, wie auch aus einem Brief von Max Warburg hervorgehe, der kürzlich eingetroffen sei.

Das Reich müsse in nächster Zeit 300 Millionen RM Schatzanweisungen in Papiere mit etwas längerer Lauffrist umwandeln. Erst dann werde die Konsolidierung der Kasse erreicht werden.

Zum Anleihebedarf für den Osten trete der der produktiven Arbeitslosenfürsorge. Die Verhandlungen hierüber ständen günstig.

Dagegen seien die Verhandlungen wegen der Mittelbeschaffung für die Dauerfinanzierung der Siedlung (200 Millionen) noch in den Anfängen. Die Hypothekenbanken hätten zwar Geld in Aussicht gestellt, Vereinbarungen aber seien noch nicht getroffen.

Der Reichskanzler sprach sich dahin aus, daß durch die Gruppierung der Mittel keinesfalls dem Vorwurfe Nahrung gegeben werden dürfe, Mittel für die Siedlung würden dieser entzogen und zur Subventionierung des Großgrundbesitzes seien nicht mehr zu halten. Die Anliegersiedlung und die anderen Siedlungsformen müßten in den Vordergrund treten.

Der Reichsarbeitsminister schloß sich hinsichtlich der Arbeitslosenversicherung den Ausführungen des Reichsministers der Finanzen an. Vor dem 1. Juli sei mit einer Sanierung nicht zu rechnen. Die Beitragserhöhung um ¼% würde in 9 Monaten 52 Millionen RM bringen. Weitere Vorschläge zur Sanierung der Reichsanstalt werde der Verwaltungsrat machen, der am 8. Mai tage.

Es werde nicht möglich sein, die letzte Rate der Siedlungszwischenkredite in Höhe von 50 Millionen RM im laufenden Etatsjahre restlos für Ostzwecke zur Verfügung zu stellen. Ob die Dauerfinanzierung der Siedlung rechtzeitig durchzuführen sei, sei bei dem ungeheuren Kapitalbedarf fraglich. Das Siedlungsverfahren müsse aber in seinem Fortgange sichergestellt sein.

Fraglich sei auch, ob für die produktive Arbeitslosenfürsorge alsbald Auslandsgeld eingehen werde. 55 Millionen RM seien für ihre Zwecke sehr gering. Jährlich könnten damit höchstens 120 000 Arbeitslose beschäftigt und damit auf ihre Arbeitswilligkeit geprüft werden. Das seien nur 7% der gesamten Zahl.

[109] Demnach könne noch nicht sicher damit gerechnet werden, daß für die Ablösungsbank aus Siedlungszwischenkrediten 25 Millionen RM und für den Bahnbau weitere 10 Millionen RM bereitgestellt werden könnten. Im übrigen könne mit einem festen Kapital von 200 Millionen RM eine großzügige Siedlung nicht durchgeführt werden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wies auf die Notwendigkeit hin, im Siedlungsverfahren geeignete Güter aufzukaufen, um den Gütermarkt zu entlasten. Die Besitzer sähen in der Siedlung erwünschte Hilfe.

Von den 64 Millionen RM, die zu Beihilfen zur Verfügung ständen, könnten 6–8 Millionen RM für die Verbilligung zweitstelliger Hypothekarkredite, 6 Millionen RM für die Zwecke des Reichsministeriums des Innern bereitgestellt werden. Für die Fortführung der Betriebe seien 50 Millionen RM unbedingt erforderlich. Er beabsichtige, mit diesem Betrage folgende Aufgaben zu lösen:

1.

Abwendung von Zwangsversteigerungen, die unverhältnismäßig großen volkswirtschaftlichen Schaden zur Folge hätten;

2.

Sicherung der Fortführung von Betrieben durch Beihilfen zu Betriebsaufwendungen, deren Unterlassung unverhältnismäßig große Ausfälle am Ertrage nach sich ziehen würde. Vorbeugen gegen Devastierung;

3.

Unterstützung der Veräußerung von Teilflächen, um die Fortführung des Restbetriebes zu ermöglichen, Unterstützung der Anliegersiedler und der Besitzer während der Übergangswirtschaft, Anschaffung von Inventar und ähnlichem;

4.

Inventarbeschaffung bei den kleineren und kleinen Betrieben;

5.

Überleitung von Gütern, deren Besitzer sich nicht halten könne, in andere Hände;

6.

Kosten der hiermit zusammenhängenden Verfahren und der Betriebsüberwachung.

Der Betrag von 50 Millionen RM sei für alle diese Aufgaben gering, zumal auch noch unter Umständen eine Zinsverbilligung bei Umschuldungen in Frage käme.

Die Nachrichten in der Öffentlichkeit über Ostprogramme seien so wirr, daß es nunmehr notwendig sei, in der Öffentlichkeit zu erklären, es werde ein großes Programm ausgearbeitet.

Der Reichswirtschaftsminister berichtete, daß die Gewerkschaften wegen des Ostprogramms bei ihm vorstellig geworden seien. Sie würden sich vielleicht beruhigen, wenn in den Etat des nächsten Jahres 50 Millionen RM für Siedlungszwecke eingestellt würden.

Die Leitung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie werde voraussichtlich bestrebt sein, dem Gedanken einer Inanspruchnahme der Industrieobligationen für den Osten entgegenzukommen. Die mittleren und kleineren Betriebe aber würden schweren Widerstand leisten. Sie würden die Belastung eines Teils der Bevölkerung für den Osten ablehnen.

Ministerialdirektor Dammann brachte den Wunsch zum Ausdruck, daß für die Zwecke des Reichsministeriums des Innern, die wesentlich produktiver[110] Art seien, höhere Beträge als zunächst vorgesehen, zur Verfügung gestellt werden möchten, etwa in Anlehnung an die Denkschrift vom März 19306. Die Frage sei zu klären, ob die Maßnahmen des Reichsministeriums des Innern auf 10 Jahre oder nur, wie das Ostprogramm für die Landwirtschaft, auf 5 Jahre disponiert werden sollten.

6

Die Denkschrift des RIM befindet sich in R 43 I /1801 , Bl. 3–19.

Ministerialrat Gisbertz gab eingehende Ausführungen über den Stand der Siedlungen. Jährlich seien zur Fortsetzung der Arbeiten im bisherigen Umfange etwa 75 Millionen RM erforderlich. Der Dauerkredit erfordere Disagiozuschüsse und Zinsverbilligung für die Schuldner, da er etwa zu 9% verzinslich und mit 94% auszuzahlen sein werde. Dadurch würde der in Aussicht genommene Betrag von 50 Millionen RM für das laufende Etatsjahr geschmälert. Für Ostpreußen habe nach § 8 des Ostpreußengesetzes ein Betrag von 18 Millionen RM zur Verfügung gestanden, der in Höhe von 11 Millionen RM ausgegeben worden sei7. Die Differenz zu 75 Millionen RM sei durch Reste aus früheren Jahren und dadurch aufgefüllt worden, daß die Rückzahlungen dem Fonds wieder zufließen.

7

Nach § 8 des OstpreußenGes. vom 18.4.29 (RGBl. I, S. 97 ) erhielt das Land Preußen 18 Mio RM zur Verwendung für Neu- und Anliegersiedlungen.

Der Reichsminister der Finanzen wies hierzu darauf hin, daß im Jahre 1931 für die Siedlungen 100 Millionen RM zur Verfügung ständen, wenn 50 Millionen RM in den Etat eingesetzt und weitere 50 Millionen RM wieder durch Ablösung der Zwischenkredite im Wege des Dauerkredits flüssig gemacht würden.

Der Reichsverkehrsminister hatte Bedenken dagegen, daß dem Vorschlage des Reichsministers für die besetzten Gebiete entsprechend der Westfonds gestrichen und die Mittel dem Ostfonds zugeführt würden. Die Liegenschaften würden schwierig zu verkaufen, aber leicht zu vermieten sein.

Hierzu erklärte der Reichsminister für die besetzten Gebiete daß Grundstücke im Werte von einigen Millionen bereits verkauft seien. Im übrigen werde Geld durch Beleihung des Grundbesitzes flüssig gemacht werden können, um Mittel für die Erfüllung der vorgesehenen Aufgaben zu beschaffen. Er glaube, dadurch den Grund für die Beschwerden des Westens zu beseitigen und sei bereit, die bei der Hingabe von 22 Millionen RM bis zum erwarteten Betrage von 35 Millionen RM fehlende Summe von 13 Millionen RM leihweise zur Verfügung zu stellen. Einer Anregung des Reichsverkehrsministers entsprechend soll ein Etatsvermerk in diesem Sinne formuliert werden.

Nachdem der Reichskanzler nochmals eine Übersicht über die Verwendung der Osthilfsmittel gegeben hatte, erklärte der Reichsarbeitsminister seine Zustimmung zu der Inanspruchnahme von 10 Millionen RM aus der produktiven Arbeitslosenfürsorge unter der Voraussetzung, daß ein größerer Betrag aus Auslandsdarlehen hereinkommen werde; andernfalls sei ihm die Hergabe dieser Mittel nicht möglich. Der Landarbeiterwohnungsbau dürfe keinesfalls verzögert werden, der Mangel an Wohnungen auf dem Lande sei der Grund für die Hereinlassung zahlreicher ausländischer Landarbeiter. Wie in früheren Jahren[111] müßte auch im laufenden Etatsjahre ein Betrag von 25 Millionen RM für Landarbeiterwohnungen ausgegeben werden. Hinzu kämen noch Verpflichtungen aus früheren Jahren.

Staatssekretär Dr. Schäffer erklärte sich bereit, im Falle günstigen Verlaufs der Verhandlungen über Auslandsanleihen für die produktive Arbeitslosenfürsorge außer den 10 Millionen RM noch 15 Millionen RM zur Verfügung zu stellen.

Der Reichskanzler führte zur politischen Behandlung der gesetzgeberischen Arbeiten aus, er sehe keine Möglichkeit, den Gesetzentwurf über die Arbeitslosenversicherung8 im Reichstag durchzubringen, wenn nicht im engsten Zusammenhange mit den Bestimmungen des Ostpreußengesetzes über die Umschuldung, eine Auflösung des Reichstags wegen des Arbeitslosengesetzes wäre nicht zu ertragen.

8

Vgl. hierzu Dok. Nr. 41, P. 3.

Der Reichsarbeitsminister fürchtete, daß die SPD den Beratungen fernbleiben und damit die Beschlußfähigkeit des Reichstags mindestens in Frage stellen werde. Im Sommer werde es kaum möglich sein, dann die erforderliche Zahl von Abgeordneten zusammenzubringen.

Die geplanten Reformen der Arbeitslosenversicherung seien nicht sehr umfassend, aber immerhin beachtlich. Der DVP werde die Zustimmung zur Erhöhung der Beiträge ohne diese Reformen nicht möglich sein. Der Entwurf des Gesetzes könne in kurzer Frist sichergestellt werden. Es werde sich empfehlen, ihn dann zusammen mit dem Ostgesetze einzubringen.

Der Reichskanzler hielt die Inanspruchnahme der Industrieobligationen in Höhe von 50 Millionen RM jährlich nur im Rahmen des gesamten Finanzprogramms für 5 Jahre möglich. Im Gesetz müsse also die Bestimmung des Absatzes 3 von § 2 des neuen Entwurfs des Reichsfinanzministeriums wegfallen9.

9

§ 2 Abs. 3 des OsthilfeGesEntw. sah vor, daß von 1931 bis 1935 jährlich 50 Mio RM aus der Aufbringungsumlage für die landwirtschaftliche Umschuldung herangezogen werden sollten (R 43 I /1443 , Bl. 118).

Der Reichsbankpräsident führte zur Frage der Ablösungsbank und der Umschuldung folgendes aus: Nach nochmaliger eingehender Prüfung mit dem Reichsbankdirektorium halte er die Errichtung einer Ablösungsbank für notwendig. Die Rentenbank-Kreditanstalt könne in ihrer Deckung keine Hypothekenwerte aufnehmen, die über der 50%-Grenze des Wertes lägen. Eine Änderung dieser Bestimmung sei nicht möglich, wohl aber könne sie sich an einer anderen Zentralbank, also an der Ablösungsbank, beteiligen.

Auch die Ausgabe von Ablösungsscheinen sei zweckmäßig. Sie möchten so gut wie möglich ausgestattet werden, um für ihre Annahme einen Anreiz zu geben. Jede Umschuldung sollte dann möglichst mit Ablösungsscheinen vollzogen werden. Nur wenn sich dies dann nicht durchsetzen lasse, sollten Bargeldzahlungen in Frage kommen.

Es wäre zweckmäßig, wenn die Ablösungsbank von vornherein die Anleihen aufnähme. Andererseits empfehle es sich wohl, da sie noch unbekannt sei, daß die Rentenbank-Kreditanstalt für sie auftrete. Übrigens fühle sich die[112] Rentenbank-Kreditanstalt durch die bisherigen Verhandlungen noch nicht gebunden, denn nach ihrer Auffassung befinde sich die Angelegenheit noch im Stadium der Erwägungen. Die Aufnahme von Anleihen sei abhängig von der Gestaltung des Marktes. An gutem Willen fehle es der Leitung der Rentenbank-Kreditanstalt nicht. Gleichwohl wäre es zweckmäßig, wegen der Anleihe von 100 Millionen die Verhandlungen mit ihr weiterzuführen, damit sie nicht den Eindruck habe, das Kabinett entscheide über sie hinweg.

An sich werde es wohl möglich sein, die 100 Millionen aufzubringen. Es frage sich aber, welche anderen Ansprüche gleichzeitig an den Geldmarkt gestellt würden. Die Frage werde er noch mit dem Reichsfinanzminister besprechen.

Zuständige örtliche Stellen im Osten äußerten sich wegen der Abnahme von Ablösungsscheinen im Vergleichsverfahren einigermaßen zuversichtlich. Die Neigung, sie anzunehmen, werde vom Grade der Bedrängnis der Gläubiger abhängen. Die Abnahmeneigung werde gesteigert, wenn die Ablösungsscheine börsenfähig wären. Er könne ihre Lombardierung innerhalb der üblichen Grenze und unter Vorbehalt der Entscheidung im Einzelfalle sowie eine Änderung der Entscheidung in Aussicht stellen, insbesondere zum Ultimoverkehr. Jedoch sei das noch keine endgültige Erklärung.

Gegen den Vorschlag des Reichswirtschaftsministers, das Personalkreditgeschäft der Rentenbank-Kreditanstalt nicht unbegrenzt, sondern nur auf 2 Jahre zu verlängern, habe er keine Bedenken.

Staatssekretär Schäffer gab zur Erwägung, ob die Ablösungsscheine börsengängig gemacht oder registriert würden, so daß die Regierung sie in gewissem Sinne noch übersehen könne. Bei großen Beträgen sei die Aufnahmefähigkeit der Börse fraglich. Das Problem der Kursstützung sei zu lösen. Hierüber werde noch mit den Banken zu verhandeln sein.

Ministerialrat Quassowski begründete den Vorschlag, den Personalkredit der Rentenbank-Kreditanstalt ohne Zeitbeschränkung zu verlängern, mit den geschäftlichen Bedürfnissen der Anstalt. Alle in Frage kommenden Kreditorganisationen, außer der Preußenkasse, wünschten diese Verlängerung. Die Preußenkasse sei dagegen, weil sie eine Konkurrenz fürchte. Das aber zu Unrecht, denn der Personalkredit der Rentenbank-Kreditanstalt sei im Verhältnis zu ihren übrigen Geschäften gering und werde es bleiben. Im übrigen empfehle es sich nicht, monopolartige Bildungen zu begünstigen, solange die freie Konkurrenz möglich sei.

Der Reichskanzler hielt die Vertagung der Entscheidung über diese Frage für geboten. Er dankte dem Reichsbankpräsidenten für seine Mitarbeit.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft kam nochmal auf die Fortführung landwirtschaftlicher Betriebe zu sprechen. Die Hilfe müsse zur Voraussetzung haben, daß das Durchhalten der Betriebe durch sie gesichert erscheine. Der Zustand der Wirtschaft, ihrer Leitung, der Schuldenlast, die Rentabilitätsverhältnisse müßten eingehend geprüft, die Hilfe müsse von der Überwachung des Betriebs abhängig gemacht werden.

Die Landstellen müßten im Benehmen mit Preußen errichtet werden. Für die Unterstützung mittlerer und kleiner Betriebe seien erleichternde Vorschriften[113] vorzusehen. Die Landstellen müßten sowohl mit dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft wie mit der Preußischen Staatsregierung zusammenarbeiten. Sie müßten über die Mittel aus eigener Verantwortung verfügen unter Berücksichtigung der Richtlinien, die eingehend zu formulieren wären. Diese Richtlinien werde er in der nächsten Besprechung der Osthilfe dem Kabinett unterbreiten. Er werde dabei die Anregungen berücksichtigen, die ihm zugingen.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich grundsätzlich mit den Vorschlägen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft wegen der Fortführung landwirtschaftlicher Betriebe einverstanden. Er sah darin aber eine große Gefahr, weil die Mittel als Dotationsfonds für den Großgrundbesitz aufgefaßt werden könnten. Er fürchte einen starken Ansturm auf diese Mittel, wünschte ein objektives Verfahren für ihre Verteilung, damit nicht die Raschesten die Vorhand bekämen, sondern damit nach Würdigkeit und Notwendigkeit verteilt würde. Die Öffentlichkeit müsse ausreichend unterrichtet werden.

Der Reichsminister für die besetzten Gebiete erwartete wie auch der Reichswirtschaftsminister, lebhafte Kritik. Für die Betriebserhaltung werde ein Zuschuß von 10% der Schulden zu gering sein. Er schätze, daß etwa 20% erforderlich sein würden, um für die Betriebe eine gewisse Schonfrist zu erreichen. Das Wesentliche sei, die Entscheidung verantwortungsbewußten Männern anzuvertrauen.

Der Reichswirtschaftsminister erklärte, sich mit den Vorschlägen abfinden zu wollen, wenn er auch Mißbräuche voraussehe. Besser sei es schließlich, das Geld zu generellen Maßnahmen, etwa zu einer Senkung der Zinsen zu verwenden. Die Demokratische Partei sei bereit, Mittel zu bewilligen, sie wolle aber genau wissen, zu welchen Zwecken.

Der Reichskanzler glaubte, daß § 11 in der Fassung des neuen Entwurfs im Reichstage nicht durchzubringen sein werde10. Er hielt es für erforderlich, die Grundzüge der geplanten Richtlinien bereits in das Gesetz aufzunehmen. Auch die Formulierung von § 3 werde geändert werden müssen11. Dem stimmte der Reichsminister der Finanzen zu. Die Ablösungsbank werde in der Bestimmung nicht zu erwähnen sein. Im Gesetze sei das Schema des Ostpreußengesetzes anzuwenden. Die Siedlungsfrage sei schärfer herauszuarbeiten.

10

§ 11 des GesEntw. lautete: „Zur Sicherung der Fortführung in ihrem Bestande gefährdeter landwirtschaftlicher Betriebe, die nach Lage der Verhältnisse noch erhalten werden können und bei denen die Person des Inhabers hierfür Gewähr bietet, können Reichsmittel verwendet werden“ (R 43 I /1443 , Bl. 120).

11

§ 3 ermächtigte die RReg. zur Übernahme von Bürgschaften bis zur Höhe von 200 Mio RM für Verpflichtungen aus langfristigen Darlehen zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung in dünnbevölkerten Gebieten (R 43 I /1443 , Bl. 118).

Nach eingehenden Beratungen bestand Übereinstimmung im Kabinett über folgende Punkte:

1) Der Entwurf des Osthilfegesetzes ist unter Anlehnung an das Ostpreußengesetz und unter Berücksichtigung der Anregungen umzuarbeiten, die in den Verhandlungen vorgebracht worden sind.

2) Der Siedlungsgedanke ist in den Vordergrund zu rücken, auch bei der Gruppierung der verfügbaren Mittel.

[114] 3) In den außerordentlichen Haushalt des nächsten Jahres sollen 50 Millionen für Siedlungszwecke aufgenommen werden.

4) Wegen der Umgruppierung der für den Westen vorgesehenen Mittel zugunsten des Ostens gegen Freistellung der Liegenschaften des Reiches im Westen für die dortigen Zwecke wird ein entsprechender Etatsvermerk formuliert werden.

5) Die Frage der Bereitstellung von 10 Millionen aus Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge für die Osthilfe soll unter den Ressorts geklärt werden. Jedenfalls sollen Mittel der produktiven Erwerbslosenfürsorge, die für den Osten bereitgestellt werden, für Bahnbauten Verwendung finden.

6) Die Aufbringung der Mittel für die Umschuldung (Inanspruchnahme eines Teiles der Aufbringungsmittel der Industrie, Garantieübernahme für Darlehen zu Umschuldungszwecken. §§ 2 Abs. 3 und § 512 des neuen Entwurfs) soll im Zusammenhange mit dem großen Finanzprogramm und der Reform der Arbeitslosenfürsorge geregelt werden. Die Pläne der Regierung für die Hilfeleistung sollen ohne nähere Angabe der Mittelbeschaffung alsbald veröffentlicht werden.

12

§ 5 ermächtigte den RFM, für die Gewährung von Umschuldungsdarlehen eine Bürgschaft bis zum Betrag von 300 Mio GM zu übernehmen (R 43 I /1443 , Bl. 119).

7) § 11 des Entwurfs soll durch nähere Angaben über die beabsichtigten Maßnahmen und ihre Durchführung weiter ausgestaltet, § 3 entsprechend den Ergebnissen der Verhandlungen geändert werden.

8) Die Frage der Verlängerung des Personal-Kreditgeschäfts der Rentenbank-Kreditanstalt soll bis zum 14. 5. durch Fühlungnahme mit der Rentenbank-Kreditanstalt und der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse geklärt werden.

Die Verhandlungen werden am 14. 5. fortgesetzt13.

13

S. Dok. Nr. 34.

Über die Beratungen wurde die anliegende Pressenotiz veröffentlicht […]14.

14

Die Pressemeldung wurde am 7.5.30 von WTB Nr. 910 veröffentlicht (R 43 I /1801 , Bl. 325).

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