2.29.2 (bru1p): 2. Behandlung des Reichshaushaltsplans 1930.

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2. Behandlung des Reichshaushaltsplans 1930.

Der Reichskanzler erörterte sodann die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens der Koalitionsparteien bei der Behandlung des Reichshaushaltsplans 1930. Er meinte, daß wohl ohne weiteres Einverständnis der Parteien darüber angenommen werden könne, daß Erhöhungen der Ansätze der Regierungsvorlage nicht vorgenommen werden sollen und daß daher die Schwierigkeit der Frage nur bei der Einigung über die Ersparnisanträge liegen könne.

[116] Der Reichsminister der Finanzen schlug im Einvernehmen mit dem Reichskanzler vor, daß sich die Regierungsparteien über Streichungen politischen und grundsätzlichen Charakters vor ihrer Einbringung mit der Reichsregierung einigen möchten.

In der Aussprache stimmten die Vertreter aller Fraktionen diesem Vorschlage grundsätzlich zu. Es kam zum Ausdruck, daß die Einbringung gemeinsamer Anträge der Regierungsparteien vermieden werden solle, weil ja keine feste Regierungskoalition besteht, sondern nur eine lose Verbindung zwischen Parteien und Kabinett. Insoweit einzelne Parteien Ersparniswünsche haben, sollen diese Parteien sich nach den getroffenen Vereinbarungen vorher mit dem Kabinett und den anderen Regierungsparteien in Verbindung setzen, bevor die Streichungsanträge formell eingebracht werden.

Von einzelnen Abgeordneten, insbesondere den Abgeordneten von Sybel, Drewitz und Cremer wurde die Notwendigkeit betont, das Ausgabenniveau noch weiter erheblich zu senken.

Der Reichskanzler erwiderte, daß zwischen zweiter und dritter Lesung eine Einigung zwischen der Regierung und den Parteien über den Gesamtetat herbeigeführt werden müsse, zumal, da es notwendig sei, gewisse notwendige Ausgaben, die bis jetzt noch nicht untergebracht seien, alsdann möglichst durch Abstriche an anderer Stelle in den Etat einzusetzen.

Man war ferner darüber einig, daß die Hauptmeinungsverschiedenheiten über mögliche Streichungen beim Etat des Arbeitsministeriums entstehen könnten. Daher wurde in Aussicht genommen, vor Beginn der Beratungen über den Arbeitsetat eine besondere Parteiführerbesprechung über diesen Etat abzuhalten3.

3

Vgl. Dok. Nr. 63 und Dok. Nr. 67.

Der Abgeordnete von Lindeiner brachte die Sprache auf die am Vormittage im Haushaltsausschuß erledigte Abstimmung über den Marineetat. Er führte lebhaft Klage darüber, daß nach Ablehnung der ersten Rate für den Panzerkreuzer B ein Antrag des Abgeordneten Ersing auf Wiederherstellung der alten Regierungsvorlage vorwiegend wegen des Verhaltens der Demokratischen Partei gleichfalls abgelehnt worden sei. Infolgedessen habe der Marineetat abweichend von der Regierungsvorlage eine Kürzung um 2,9 Millionen RM erfahren. Die Kürzung entfalle mit 2 Millionen RM auf die Baurate für den Kreuzer Leipzig, die der Reichswehrminister nur unter der Voraussetzung zurückgestellt habe, daß der Panzerkreuzer B noch in diesem Jahre begonnen werde. Das Abstimmungsergebnis werde von seinen politischen Freunden kaum ohne ernstliche Rückwirkungen auf die Gesamteinstellung zum Etat hingenommen werden können4.

4

Der RT-Haushaltsausschuß hatte am 8.5.30 mit den Stimmen der Sozialdemokraten, Demokraten, Kommunisten und zweier Z-Abg. die 1. Rate für das Panzerschiff B abgelehnt (WTB Nr. 917, 8.5.30). Ebenso war der Eventualantrag Nr. 595 (Ersing, v. Lindeiner-Wildau u. a.) auf Erhöhung der Beiträge für andere Schiffsbauten abgelehnt worden (Protokoll der 149. Sitzung des RT-Haushaltsausschusses vom 8.5.30, S. 23 f.).

Der Abgeordnete Bernhard warnte demgegenüber davor, die politisch heikle Frage des Wehretats im Augenblick zu vertiefen. Er meinte, daß es für[117] die Demokratische Partei ohnehin sehr schwierig sei, sich mit den sehr geringen Abstrichen abzufinden. Beim Heeresetat seien bekanntlich nur 1,8 Millionen RM gekürzt worden, und wenn sich die Demokraten mit der Kürzung von 2,9 Millionen RM beim Marineetat zufrieden gäben, so sei dies schon die äußerste Grenze des Vertretbaren.

Der Abgeordnete Meyer erklärte im weiteren Verlauf der Debatte, daß es der Demokratischen Partei nicht darauf ankomme, gerade die Rate für den Panzerkreuzer Leipzig zu kürzen. Er glaube sagen zu können, daß es den Demokraten nur darauf ankomme, daß die Summe der Streichungen beibehalten werde und daß anstelle der Rate für den Kreuzer Leipzig andere Streichungsanträge akzeptiert werden würden, wenn sich bei den weiteren Verhandlungen mit dem Reichswehrminister solche Möglichkeiten finden ließen. Es wurde daher für zweckmäßig gehalten, daß über den Wehretat zwischen den Parteien noch weitere Verhandlungen geführt werden.

In der Aussprache wurde ferner der im Haushaltsausschuß von dem Abgeordneten Brüninghaus gestellte Antrag auf Vorlegung eines auf mehrere Jahre verteilten eingehenden Marinebauprogramms erörtert. Man kam zu dem Ergebnis, daß die Regierung sich diesem Antrage gegenüber zweckmäßig darauf beschränken solle, die Erklärung des alten Reichskabinetts zu wiederholen, daß ein Schiffsbauersatzplan vorgelegt werden würde, der auch den Ersatz der Linienschiffe enthalten werde. Dabei soll besonders unterstrichen werden, daß sich schon die alte Reichsregierung über diesen Plan grundsätzlich einig gewesen sei5. Einigkeit herrschte schließlich auch darüber, daß die Regierung den Entwurf eines Ausgabensenkungsgesetzes den gesetzgebenden Körperschaften mit tunlichster Beschleunigung vorlegen müsse6.

5

Der RWeM gab am 23.5.30 eine entsprechende Erklärung im RT ab (RT-Bd. 428, S. 5300 ).

6

S. dazu Dok. Nr. 37, P. 4.

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