2.35.1 (bru1p): Voraussetzungen für die Ingangsetzung des neuen Reparationsplanes.

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Voraussetzungen für die Ingangsetzung des neuen Reparationsplanes.

Der Reichskanzler teilte mit, daß die bereits in der Ministerbesprechung vom 14. Mai 1930 behandelte Meinungsverschiedenheit mit den Gläubigermächten über die Laufzeit der ungeschützten Annuitäten noch nicht bereinigt sei. Er verlas das Telegramm des Botschafters v. Hoesch aus Paris vom 15. Mai d. Js. Nr. 504 über seine Unterredung zur Sache mit dem französischen Ministerpräsidenten Tardieu, aus welchem sich der gegenwärtige Streitstand ergibt1.

1

v. Hoesch hatte berichtet, daß Tardieu drei Möglichkeiten vorgeschlagen habe, um jede Verzögerung der Räumung des Rheinlandes bis zum 30.6.30 zu umgehen:

1. Verzicht auf jede Inventaraufnahme; oder

2. Beschleunigung der Inventaraufnahme durch Mithilfe von dt. Beamten; oder

3. Inventaraufnahme nach Abzug der Truppen durch Zivilbeamte beider Seiten. Tardieu erwarte rückhaltlose dt. Mitarbeit bei der Durchführung. Im übrigen müsse die Dt. Reg. durch eine beschleunigte Zerstörung der Kehler Festungswerke ihren guten Willen beweisen. Vor allem müsse er fordern, daß eine Änderung der unnachgiebigen dt. Haltung in der Frage der letzten 22 Annuitäten eintrete. Das Brüsseler Juristengutachten vom 13.12.29 bezeichnete Tardieu als nicht rechtsverbindlich. v. Hoesch erwähnte den von Ruppel und dem frz. Vertreter Dayras versuchsweise entworfenen Briefwechsel (s. Anm. 4) und fragte Tardieu unter Betonung, daß dieser Briefwechsel vom RKab. abgelehnt werde, ob sich die Frz. Reg. damit eventuell einverstanden erklären würde. Nach kurzer Beratung mit seinen Sachverständigen bejahte Tardieu dies und stellte v. Hoesch vor die Alternative, daß die Dt. Reg. dem Briefwechsel bis zum 16. 5. zustimme oder das Schiedsgericht angerufen werden müsse, was das Inkrafttreten des Youngplans und die Rheinlandräumung um mehrere Monate verzögern würde (Telegramm Nr. 504 vom 15.5.30 in R 43 I /309 , Bl. 89–94).

Anschließend berichtete Staatssekretär v. Schubert über die von dem Reichsminister des Auswärtigen in Genf mit dem englischen Außenminister Henderson zur Sache geführten Verhandlungen, deren Ergebnis negativ ausgefallen sei. Ministerialdirektor Gaus habe in Genf von dem britischen Kabinettschef Selby ein statement erhalten, demzufolge der britische Schatzkanzler Snowden sich in der Sache nach wie vor absolut ablehnend verhalte und die These aufrechterhalte, daß auch die Annuitäten der letzten 22 Jahre in geschützte und ungeschützte Teile zerfallen2.

2

Der RAM hatte am 13. 5. aus Genf in zwei Telegrammen über seine Besprechungen mit Henderson und Briand betr. die Annuitätenfrage berichtet. Falls keine Einigung zustande kommen sollte, hatte Curtius folgenden Ausweg vorgeschlagen: Die Gläubigermächte sollten in einem Brief an Ruppel ihre Einschränkung formulieren. Ruppel sollte den Empfang des Briefes bestätigen und die Reserve der Gläubigerregierungen zurückweisen (Pol.Arch. des AA, Büro StS, Vötag, Tagung des Völkerbundsrats im Mai 1930, Bd. 17).

[133] Auf Vorschlag des Reichsministers der Finanzen beschloß das Kabinett nach kurzer Aussprache auf den französischen Vorschlag, der dahin geht, daß Deutschland für die letzten 22 Jahre B-Coupons übergibt und sich auf einen gleichzeitigen Briefwechsel zur Sache einläßt, grundsätzlich abzufinden. Die Entwürfe zu dem Briefwechsel, die in dem Telegramm von Ministerialdirektor Ruppel aus Paris vom 9. Mai d. Js. Nr. K 243 mit Entwurf II A und B bezeichnet sind, wurden in deutscher Übersetzung verlesen. Sie sind in der Anlage beigefügt4. Das Kabinett hatte bezüglich dieser Briefentwürfe folgende Änderungswünsche:

3

Das Telegramm K 24 vom 9.5.30 (ohne den Text des Briefwechsels) befindet sich in zwei Exemplaren in R 43 I /309 , Bl. 72–79.

4

Text der Anlage:

„Erklärung der Gläubigermächte

Die Unterzeichneten bringen im Auftrage ihrer Regierungen Herrn Dr. Ruppel als Vertreter der Deutschen Regierung zur Kenntnis, daß die Übermittlung eines Schuldzertifikats seitens der Deutschen Regierung an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, das für die letzten 22 Annuitäten Coupons ganz nach dem Typ B (aufschiebbar) enthält, nicht dahin ausgelegt werden kann, als ob dadurch in irgendeiner Weise der von den Regierungen der Gläubigermächte eingenommene Rechtsstandpunkt präjudiziert wird, wonach der nicht aufschiebbare Charakter eines Teils der Annuitäten des Youngplans sich auf die letzten 22 Annuitäten miterstreckt und als ob das Recht der Gläubigermächte präjudiziert würde für die Lösung dieser Frage, von der in Artikel 15 der Haager Vereinbarung vom 20. Januar 1930 vorgesehenen Schiedsgerichtsbarkeit Gebrauch zu machen.

Deutsche Erklärug

Der Unterzeichnete nimmt im Auftrag der Deutschen Regierung Akt von der Erklärung der Gläubigermächte, wonach [folgt Erklärung der Gläubigermächte]. Er bringt seinerseits zur Kenntnis, daß die Deutsche Regierung den von ihn eingenommenen Rechtsstandpunkt aufrechterhält, wonach der nichtaufschiebbare Charakter eines Teils der Annuitäten des Youngplans sich nicht auf die letzten 22 Annuitäten erstreckt“ (R 43 I /1443 , Bl. 197–198).

1.

In der Erklärung der Gläubigermächte soll der Vorbehalt einer schiedsgerichtlichen Regelung möglichst vermieden werden5;

2.

Die deutsche Erklärung soll durch einen Zusatz folgenden Inhalts verstärkt werden:

Der Vertreter der Deutschen Regierung erklärt seinerseits, daß die Deutsche Regierung den vorstehenden Vorbehalt der Gläubigerregierungen nicht als berechtigt anerkennen kann und ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhält, wonach der nicht aufschiebbare Charakter eines Teils der Annuitäten des Young-Planes sich nicht auf die letzten 22 Annuitäten erstreckt. Sie beruft sich dabei insbesondere auf die Beratungsergebnisse des Brüsseler Juristenkomitees6.

3.

[134]soll auch in der deutschen Erklärung der Hinweis auf das Schiedsgericht gestrichen werden7.

5

In dem Briefwechsel zwischen den Gläubigermächten und der Dt. Kriegslastenkommission, den Ruppel am 19. 5. telegraphisch übermittelte, hielten die Gläubigermächte an dem Vorbehalt einer schiedsgerichtlichen Regelung fest (Telegramm K 33 vom 19.5.30 in R 43 I /309 , Bl. 118–119).

6

Die endgültige Erklärung Ruppels in dem Briefwechsel lautete: „Der unterzeichnete Vertreter der Deutschen Regierung erklärt seinerseits, daß die Deutsche Regierung die Erklärung der Gläubigerregierungen nicht als berechtigt anerkennen kann und daß sie, indem sie sich insbesondere auf die Beratungsergebnisse des Brüsseler Juristenkomitees beruft, ihren Rechtsstandpunkt aufrecht erhält, wonach der nicht aufschiebbare Charakter eines Teils der Annuitäten des Young-Plans sich nicht auf die letzten 22 Jahre erstreckt“ (Telegramm K 33 vom 19.5.30 in R 43 I /309 , Bl. 119).

7

In der dt. Erklärung blieb der Hinweis auf das Schiedsgericht bestehen.

Staatssekretär v. Schubert wurde auf seinen Vorschlag hin ermächtigt, den deutschen Botschafter v. Hoesch in Paris fernmündlich über die Stellungnahme des Reichskabinetts zur Sache zu unterrichten. Er wurde ferner ermächtigt, den Botschafter v. Hoesch zu beauftragen, der Französischen Regierung das Befremden der Reichsregierung über die von der Französischen Regierung eingenommene Haltung zur Sache zum Ausdruck zu bringen.

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