2.39.2 (bru1p): 2. Politische Lage und Geschäftsplan.

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2. Politische Lage und Geschäftsplan.

Der Reichskanzler legte dar, daß die Entwicklung der politischen Lage eine Änderung des vom Kabinett ursprünglich festgesetzten Geschäftsplans notwendig mache. Die Tagespresse habe sich wider Erwarten frühzeitig mit den Schwierigkeiten der Finanz- und Kassenlage des Reichs befaßt, und die Reichsregierung müsse daher schleunigst für eine Beruhigung der öffentlichen Meinung sorgen3. Hierzu sei in erster Linie notwendig, daß die Reform und[152] Sanierung der Arbeitslosenversicherung noch vor der Pfingstpause vom Kabinett verabschiedet werde. Ferner müsse das Kabinett auch über die Deckung des Etats abschließend Beschluß fassen. Er schlage vor, zu diesem Zwecke eine Kabinettssitzung für Dienstag, den 27. Mai, vorzusehen4. Besondere Beschleunigung sei auch um deswillen notwendig, weil in Sachsen am 22. Juni Neuwahlen zum Landtag stattfänden und nach der bisherigen Übung des Reichstags in der vorhergehenden Woche, d. h. in der Zeit vom 16.–21. Juni, eine Pause in den Arbeiten des Reichstags eintreten werde.

3

Der Vorwärts hatte in seiner Morgenausgabe Nr. 236 vom 22.5.30 in dem Artikel „4½% Arbeitslosenbeitrag? Stegerwald und Moldenhauer verhandeln“ festgestellt, daß die Mittel zur Sanierung der ALV im Reichsetat bisher nicht zur Verfügung ständen. Die MNN Nr. 139 vom 22.5.30 brachten die Schlagzeile: „Krisis der Arbeitslosenversicherung bricht aus – Durchschnittlich 1,8 Millionen Arbeitslose – Herstellung einer tragfähigen Grundlage dringend notwendig“.

4

S. Dok. Nr. 41, P. 35.

Der Reichsverkehrsminister erklärte, daß er es für unbedingt geboten halte, bei der Erörterung über die Deckung des Reichshaushaltsplans auch die finanzielle Lage der Reichsbahn-Gesellschaft in den Kreis der Beratungen mit einzubeziehen. Die Reichsbahn-Gesellschaft werde nach seinen Feststellungen selbst bei optimistischer Beurteilung der Verhältnisse im Jahre 1930 mit einem Defizit von rund 600 Millionen RM abschließen.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß der Reichshaushaltsplan 1930 nach den letzten Berechnungen jetzt noch mit einem Defizit von 436 Millionen RM abschließe. Hierbei sei vorausgesetzt, daß bezüglich der Arbeitslosenversicherung ein bestimmtes Reformprogramm zur Annahme gelange, und daß die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung um 1% erhöht würden. Die auf die Reform der Arbeitslosenversicherung bezüglichen Entwürfe seien fertiggestellt und würden in der vom Reichskanzler vorgeschlagenen Kabinettssitzung vom 27. Mai zur Beratung gestellt werden können. Dagegen sei er sich über die Deckungsvorschläge zum Haushaltsplan 1930 noch nicht völlig schlüssig geworden. Jedenfalls aber könne er in der Sitzung vom 27. Mai über die Finanzlage eingehend berichten und die bevorstehenden Deckungsmöglichkeiten zur Erörterung stellen.

Der Reichskanzler erklärte sich damit einverstanden, daß in der Kabinettssitzung vom 27. Mai auch die Finanzlage der Reichsbahn mit erörtert werde. Er empfahl dringend, noch heute durch die Presse bekanntzugeben, daß sich das Reichskabinett in den letzten Sitzungen wiederholt mit der Sanierung der Arbeitslosenversicherung und der gesamten Finanzlage nebst Deckungsvorschlägen beschäftigt und nunmehr beschlossen habe, am kommenden Dienstag, dem 27. Mai, zu diesen Fragen entscheidend Stellung zu nehmen.

Das Reichskabinett stimmte diesem Vorschlage zu.

Der Reichspostminister empfahl einen weiteren Zusatz des Inhalts, daß die Reichspost schon jetzt alle für 1930 vorgesehenen Lieferungsaufträge vergebe, und daß Arbeiterentlassungen bei der Reichspost nicht erfolgen sollen.

Das Reichskabinett war auch mit diesem Vorschlage einverstanden5.

5

Amtliche Mitteilung im Vorwärts Nr. 238 vom 23.5.30 und in den MNN Nr. 140 vom 23.5.30.

[153] Der Reichskanzler bat um die Ermächtigung, bei dem Reichstagspräsidenten anzuregen, die wegen der bevorstehenden sächsischen Landtagswahlen übliche Pause der Reichstagsarbeiten möglichst zu verkürzen oder ganz auf sie zu verzichten, da eine Pause angesichts der Fülle vordringlicher Arbeiten kaum verantwortet werden könne6.

6

In der RT-Ältestenratssitzung vom 23.5.30 trug StS Pünder die Auffassung des Kabinetts vor. Der Ältestenrat beschloß, an der Pfingstpause vom 29. 5.–15. 6. festzuhalten, aber wegen der bevorstehenden sächs. LT-Wahlen keine weiteren Pausen einzulegen. Vor den Pfingstferien sollten die Etats des RPMin. und des RWiMin. beraten werden (vgl. RTBd. 428 , Sitzungen vom 24. 5.–28. 5.). Nach dem 15. 6. sollten die Haushalte des RIMin. und des RArbMin. verabschiedet werden, allerdings müsse dem RT vor der Beratung des RArbMin.-Etats die Novelle zur ALV vorliegen (Konzept eines Schreibens Pünders vom 23.5.1930 an alle RMM in R 43 I /1014 , Bl. 313–314).

Das Kabinett war mit diesem Vorschlage einverstanden.

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