2.46.2 (bru1p): 2. Deckungsvorschläge zum Reichshaushalt 1930.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 1 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

[186] 2. Deckungsvorschläge zum Reichshaushalt 1930.

Der Reichsminister der Finanzen erläuterte den in der Sitzung zur Verteilung gelangten Entwurf eines Gesetzes über die Reichshilfe der Festbesoldeten, der in der Anlage beiliegt7.

7

Der „Entwurf eines Gesetzes über eine Reichshilfe der Festbesoldeten“ bestimmte, daß die Beamten und Angestellten des Reichs, der Länder und Gemeinden, der Dt. RB-Gesellschaft, der Rbk und der sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften vom 1.7.30 an bis auf weiteres mit einem Beitrag von 4% des Einkommens belastet werden sollten. Angestellte, die der ALV unterlagen, sollten ein Notopfer von 2% zahlen (GesEntw. in der Anlage zum Protokoll in R 43 I /1444 , Bl. 73–76).

Auf Grund der anschließenden Aussprache8 beschloß das Kabinett, daß grundsätzlich auch die Tantieme der Aufsichtsräte zu dem Notopfer mitheranzuziehen ist.

8

Über den Verlauf der Diskussion vgl. StS Schäffers Tagebuch: „Moldenhauer trägt die Reichshilfe der Festbesoldeten vor. Bredt: Der Entwurf ist sehr brauchbar. Man muß nur zum Ausdruck bringen, daß das erste, was herabzusetzen ist, das 1% Arbeitslosenversicherung ist. Moldenhauer: Man kann von der Regierung alles bezüglich der Reihenfolge abstimmen. Guérard: Man muß auch die Aufsichtsratstantieme einbeziehen. Schätzel auch für Einbeziehung der Aufsichtsräte und sogar für andere Einkommen. Moldenhauer: Wenn man die Aufsichtsratsbezüge hineinnimmt, landet man beim Zuschlag der Einkommensteuer. Das ist bedenklich. Guérard: Man darf nicht der Reichsbahn die Möglichkeit einer Lohn- und Gehaltssenkung wegnehmen. – Technische Durchführbarkeit der Aufsichtsratstantieme prüfen. Im Grundsatz beschlossen. – Guérard erwähnt, daß 500 Millionen Vorzugsaktien auch heute noch einen ausländischen Aufsichtsratsposten bringen können. Reichskanzler gegen Salzsteuer, bittet um andere Vorschläge. Moldenhauer erwähnt a) Kokotten-Steuer, b) Kurzerock-Steuer, c) Nach Ladenschluß verkauftes Rauchzeug, d) Zuckersteuer-Erhöhung, e) Konservensteuer. Ministerialdirektor Ernst: (Finanzministerium) gegen verspätete (d. h. wohl ‚hinausgeschobene‘) Tabakbesteuerung. Schätzel für Luxus-Ein- und Ausfuhr. Reichskanzler Salzsteuer und Rundfunkgebühren sind beide sehr unpopulär. Schätzel: Bisher sind von links starke Wünsche auf Ermäßigung der Rundfunkgebühren zu spüren. Außerdem bringt es nicht viel, weil die Leute schwarz hören. Man könnte eine Steuer auf die Geräte machen. Reichskanzler Bei diesen beiden Sachen fürchte ich, daß daß der Reichstag zu einem allgemeinen Vermögensopfer kommt. Moldenhauer: Wir sollten wieder zur Mietsteuer zurückkommen. Treviranus: Erste Einfuhr besteuern. Trendelenburg: Unmöglich ist diese Art Umsatzbesteuerung. Curtius spricht sich auch dagegen aus. Treviranus: Handelspolitische Bedenken spielen heute keine Rolle. Jede Art der Abwälzung auf die überflüssige Einfuhr ist heute volkstümlich. Curtius: Das zerschlägt unsere ganze Handelspolitik. Reichskanzler Zur Zeit kann man auf diese Sache nicht kommen, auch vom Standpunkt der Preissenkungsaktion. Stegerwald hat den gleichen Standpunkt wie Curtius. Salzsteuer und Rundfunkgebühren schaden vor den Wahlen. Reichskanzler Ich fürchte, daß diese Steuern in ein allgemeines Notopfer umgewandelt werden. Moldenhauer trägt die Biersteuer vor. Schätzel protestiert. Treviranus: Man muß Ersatz für Rundfunk und Salz finden. Schiele: Eine halbe Milliarde Mark für Südfrüchte. Da nutzen alle Bedenken wegen handelspolitischer Sorgen nicht. Eines Tages kommt die Sache doch, und wir werden zum Monopol gezwungen. Reichskanzler wünscht Einkommensteuererhöhung für Ledige und Festbesoldete. Moldenhauer: Kann man das nicht zugleich mit dem Festbesoldetenopfer machen? Bredt: Für die Ledigensteuer über Einkommen. Das bringt 45 Millionen für ¾ Jahre. Moldenhauer: Rundfunksteuer durch die Post einzuheben. Schätzel mehr für die Besteuerung der Apparate. Reichskanzler Wunsch des Reichspräsidenten, Repräsentationsausgaben sollen eingeschränkt werden. Alle Repräsentationsfonds sollen gemindert werden. Auch auf die Länder soll eingewirkt werden. – Reichspost. Moldenhauer: Wenn wir die Sache in die Öffentlichkeit bringen, muß zwar mit dem Opfer der Festbesoldeten auch die Politik auf Preissenkung erwähnt werden. Ohne eine solche Erklärung würde der Beschluß von heute in den Beamtenkreisen sehr befremdend wirken. Reichskanzler Man soll es mit den Fragen des Arbeitsprogramms verbinden. Stegerwald: Über Senkung des Bauindexes seitens der Minister vor Herausgabe des Bauprogramms. Moldenhauer: Krankenkassengesetz soll mit vorgelegt werden. Stegerwald: Einverstanden.“ (Nachlaß Schäffer , IfZ, ED 93, Bd. 9, Bl. 146 bis 148.)

[187] Mit dieser Maßgabe stimmte das Kabinett dem vorgelegten Gesetzentwurf grundsätzlich zu.

Der Reichsminister der Finanzen bezifferte den finanziellen Ertrag des Gesetzes für die Zeit vom 1. Juli 1930 bis 30. März 1931 auf rund 300 Millionen.

Der Reichskanzler stellte fest, daß unter Hinzurechnung der 100 Millionen, die nach den Beschlüssen des Reichskabinetts vom 3. Juni 1930 durch Veräußerung von Reichsbahn-Vorzugsaktien gewonnen werden sollen9 und unter Hinzurechnung der im Reichshaushaltsplan zu kürzenden 60 Millionen noch 550 Millionen (Gesamtbedarf) – 300 Millionen (Notopfer) – 100 Millionen (Reichsbahn-Vorzugsaktien) – 60 Millionen (Etat) = 90 Millionen RM zu decken sind.

9

S. Dok. Nr. 45, P. 9.

Hiervon sollen 50 Millionen aus der Zigarettensteuer gedeckt werden.

Das Reichskabinett billigte zu diesem Zweck den vom Reichsminister der Finanzen mit Schreiben vom 5. Juni 1930 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes10.

10

Der vom RFM am 5.6.30 vorgelegte GesEntw. zur Änderung des Tabaksteuergesetzes sah eine Verkürzung der Zahlungsfristen vor (Text mit Begründung in R 43 I /2412 , Bl. 71–73). Der GesEntw. wurde mit geringfügigen Änderungen in die NotVO vom 16.7.30 (RGBl. I, S. 211 ; vgl. auch die VO des RPräs. zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände, 6. Titel, vom 26.7.30, RGBl. I, S. 313 ) aufgenommen.

Bezüglich der Deckung der restlichen 40 Millionen RM entstand eine längere Debatte. Die ursprünglichen Vorschläge des Reichsministers der Finanzen auf Wiedereinführung der Salzsteuer sowie auf Höherbelastung des Rundfunk11 wurden verworfen, ebenso wurden Vorschläge des Reichsministers für die besetzten Gebiete auf Besteuerung des ersten Umsatzes bei Einfuhr aus dem Auslande nicht gebilligt.

11

Der GesEntw. über die Wiedereinführung der Salzsteuer, vom RFM zusammen mit dem Änderungsentw. des Tabaksteuerges. eingebracht, belastete den dz Salz mit einer Steuer von 12 RM (R 43 I /2412 , Bl. 74–77).

Schließlich einigte sich das Kabinett dahin, daß der Fehlbetrag durch einen Sonderbeitrag in Höhe von 10% der Einkommensteuern der Ledigen geschaffen werden soll.

Ministerialdirektor Zarden schätzte den Ertrag dieser Sondersteuer auf 40–45 Millionen RM.

Der Reichskanzler äußerte den Wunsch, die Anträge für die in dem Reichshaushaltsplan vorzunehmenden Abstriche von noch 25 Millionen so beschleunigt vorzubereiten, daß sie vom Reichskabinett in der nächsten Sitzung geprüft und gebilligt werden können12.

12

S. Dok. Nr. 47, P. 5.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß die Vorarbeiten für diese Anträge in seinem Ministerium bereits in Angriff genommen seien und daß die Anträge baldigst dem Kabinett unterbreitet werden würden.

Anschließend hieran gab der Reichskanzler von einem besonderen Wunsche des Herrn Reichspräsidenten Kenntnis. Er trug vor, daß der Herr Reichspräsident für das laufende Rechnungsjahr eine wesentliche Einschränkung der Repräsentation angeregt habe und daß er es aus diesem Grunde begrüßen[188] würde, wenn die Herren Reichsminister bei den Abstrichen im Etat sich auch zu einer Kürzung der Aufwandsgelder bereitfinden würden. Der Herr Reichspräsident selbst werde auch bei der Verwirklichung dieser Anregung durch einen erheblichen Abstrich an den ihm zustehenden Aufwandsgeldern die Initiative ergreifen.

Das Kabinett einigte sich dahin, daß ein engerer Kreis von Reichsministern, bestehend aus dem Reichsminister der Finanzen, dem Reichsminister des Auswärtigen, dem Reichspostminister unter Zuziehung von Staatssekretär Dr. Meissner bis zur nächsten Kabinettssitzung Vorschläge auf Kürzung der Aufwandsgelder der Herren Reichsminister vorbereiten soll13.

13

Nach einem Vermerk von MinR Vogels vom 11.6.30 schlug das RFMin. nach Fühlungnahme mit StS Meissner vor, die Aufwandsentschädigung für 1930 generell um 10% zu kürzen (R 43 I /881 , Bl. 146). Vgl. Dok. Nr. 47, P. 5.

Der Reichsminister der Finanzen setzte hinzu, daß er selbstverständlich auch an die Länder herantrete und dort entsprechende Maßnahmen anregen werde.

Extras (Fußzeile):