2.9.1 (bru1p): 1. Frage der Doppelvorlage a) beim Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, b) beim Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung der Finanzreform.

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1. Frage der Doppelvorlage a) beim Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, b) beim Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung der Finanzreform.

Der Reichsminister der Finanzen trug vor, daß der Reichsrat die Beratung der Regierungsvorlagen

1. betreffend den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemeinden,

2. den Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung der Finanzreform abgeschlossen habe. An beiden Gesetzentwürfen habe der Reichsrat Änderungen vorgenommen.

a) Bei dem Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichs1 handele es sich in der Hauptsache um 3 Änderungen, nämlich

1

Der Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Übergangsregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich, Ländern und Gemeinden“ war vom RFM am 5.3.30 im Kabinett Müller II eingebracht worden: s. diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 461. Der GesEntw., der die bisherige Regelung des Finanzausgleichs ergänzen sollte (vgl. RGBl. 1927 I, S. 91 ), enthielt Bestimmungen über die Beteiligung der Länder an der Bier- und Mineralwassersteuer und den Mineralölzöllen; Text des GesEntw. in RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1916 .

[19] 1. um eine Änderung des Artikels 35. Dieser Änderung habe die Reichsregierung während der Verhandlung im Reichsrat in ihrer Sitzung vom 20. März zugestimmt […]2. Eine Doppelvorlage komme daher nicht in Frage;

2

Die Reg. Müller hatte in der Sitzung vom 20.3.30 einem Antrag Preußens auf folgende Änderung des § 35 zugestimmt: „Wenn die Anteile eines Landes, auf den Kopf seiner Bevölkerung berechnet, in einem Rechnungsjahr um mehr als zwanzig vom Hundert hinter dem Durchschnittssatze zurückbleiben, der von der Summe der Anteile der Länder auf den Kopf der Gesamtbevölkerung entfällt, so sind die Anteile des Landes für dieses Rechnungsjahr bis zur Erreichung der Grenze von zwanzig vom Hundert, jedoch nicht über ein Fünftel [statt bisher ein Drittel, vgl. RGBl. 1927 I, S. 93 ] der Anteile des Landes hinaus, nachträglich aus den dem Reiche verbliebenen Einnahmen an Einkommensteuer und Körperschaftssteuer zu ergänzen.“: Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 481.

2. habe § 38 des Finanzausgleichsgesetzes einen Zusatz erfahren, mit dem die Reichsregierung sich ohne weiteres abfinden könne3.

3

Der Zusatz zum § 38 lautet: „Beschlüsse über die Erhebung von Zuschlägen kann rückwirkende Kraft nicht beigelegt werden. Landesrechtliche Vorschriften, die den Gemeinden (Gemeindeverbänden) die Erhebung von Zuschlägen gestatten, können mit rückwirkender Kraft bis zum Beginne des laufenden Rechnungsjahres ausgestattet werden“: RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1916 .

3. habe der Reichsrat die Verteilung der Biersteuer abweichend von der Regierungsvorlage geregelt. § 42 b der Regierungsvorlage habe dahin gelautet, daß die Überweisung der Biersteuer an die Länder nach dem Verhältnis des Aufkommens erfolgen solle. Der Reichsrat habe statt dessen bestimmt, daß die Überweisung zu 2/3 nach dem Verhältnis des Aufkommens und zu ⅓ nach dem Verhältnis der Bevölkerungszahl verteilt werden solle. Mit dieser Änderung könne die Reichsregierung sich nicht einverstanden erklären. Der richtige Verteilungsschlüssel sei wohl der, daß das Verhältnis der Bevölkerungszahl mit 15 v.H. bei der Verteilung berücksichtigt werde4. Er schlage vor, bezüglich des § 42 b eine Doppelvorlage an den Reichstag zu machen und bei den Reichstagsverhandlungen zu erklären, daß die Überweisung der Biersteuer an die Länder abweichend von der Vorlage zu 85 v.H. nach dem Aufkommen und zu 15 v.H. nach dem Verhältnis der Bevölkerungszahl verteilt werden könne5.

4

Der RR hatte am 20.3.30 eine Abänderung des § 42 b beschlossen: Niederschriften über die Vollsitzungen des RR, Jahrgang 1930, S. 89–93. Der RFM leitete den RR-Antrag zusammen mit der von der RReg. ursprünglich gebilligten Fassung dem RT als Doppelvorlage zu: RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1916 .

5

Im RT wurde der GesEntw. nicht debattiert, sondern am 9.4.30 an den Steuerausschuß überwiesen (RT-Bd. 427, S. 4857 ) und am 12.4.30 von der TO abgesetzt: RT-Bd. 441, S. 4947 .

b) Bezüglich des Gesetzentwurfs zur Vorbereitung der Finanzreform6 empfehle er, von einer Doppelvorlage Abstand zu nehmen. Die Reichsregierung habe bezüglich dieses Gesetzentwurfs in der Regierungserklärung allerdings erklärt, daß sie sich materiell auf den Boden des in den Vorverhandlungen mit den Parteien zustandegekommenen Vermittlungsvorschlages stellen wolle7. Eine Einarbeitung dieses Vermittlungsvorschlages in die Regierungsvorlage[20] sei zeitlich nicht möglich, es sei denn, daß die Reichsregierung die abgeänderte Gesetzesvorlage nochmals an den Reichsrat gehen lassen wolle. Hiervon rate er aus zeitlichen Gründen ab und empfehle, statt dessen bei den Reichstagsverhandlungen erklären zu lassen, daß die Reichsregierung sich damit abfinden werde, wenn durch Initiativanträge der Parteien die Regierungsvorlage entsprechend dem Vermittlungsvorschlage abgeändert werde8.

6

Der GesEntw. zur Vorbereitung der Finanzreform war vom RFM ebenfalls am 5.3.30 der Reg. Müller zugeleitet worden: Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 461. Text des GesEntw. in RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1914 .

7

Der vom RFM angeführte Vermittlungsvorschlag war Gegenstand einer Parteiführerbesprechung am 27.3.30 gewesen: Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 487. Zur Übernahme dieses Kompromisses in das Programm des Kabinetts Brüning vgl. die Regierungserklärung des RK vom 1.4.30: RT-Bd. 427, S. 4729 .

8

Am 8.4.30 empfahl der RFM im RT, anstelle der Kabinettsvorlage dem von den „in der Regierung vertretenen Parteien“ eingebrachten Initiativantrag zuzustimmen: RT-Bd. 427, S. 4832 . Nach einem Vermerk des MinR Vogels hatte das RArbMin. unter Beteiligung des RFMin. den Initiativantrag ausgearbeitet; der Antrag verfiel am 10.4.30 im Sozialpolitischen Ausschuß wegen Stimmengleichheit, bei Stimmenthaltung der Deutschnationalen, der Ablehnung (R 43 I /2363 , Bl. 251). Vgl. auch RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1939 . Der Antrag wurde am 12.4.30 im RT zur 2. Lesung des GesEntw. eingebracht (RT-Bd. 441 , Drucks. Nr. 1945 ) und am 14.4.30 in 3. Lesung verabschiedet (RT-Bd. 427, S. 4998 –4999). Text im RGBl. 1930 I, S. 145 . Das Gesetz setzte den Beitrag für die RAfAuA auf 3½% des Arbeitsentgelts und den Reichszuschuß für das Rechnungsjahr 1930 auf 150 Mio RM fest (Art. I §§ 1 und 2). Die Reichsmittel für die Invalidenversicherung wurden von 40 Mio RM auf 20 Mio RM jährlich gekürzt (Art. II). Der RFM wurde beauftragt, ein langfristiges Sparprogramm aufzustellen und vom ordentlichen Haushalt 1930 mindestens 600 Mio RM einzusparen. Die Ersparnisse sollten für die Senkung der direkten Steuern verwandt werden (Art. III).

Das Reichskabinett billigte nach kurzer Aussprache die Vorschläge des Reichsministers der Finanzen.

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