2.90.1 (bru1p): Notverordnungen.

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Notverordnungen.

Das Kabinett setzte die am vorausgegangenen Abend unterbrochene Beratung des Entwurfs der Notverordnung fort.

Arbeitslosenversicherung:

Nach längerer Aussprache schlug der Reichsminister der Finanzen vor, den bisher umstrittenen Art. 4 wie folgt zu fassen:

Artikel 4. Übersteigt der Bedarf der Reichsanstalt ihre eigenen Mittel und ergibt sich, daß die für die Reichsanstalt im Plan zur Haushaltsführung 1930 vorgesehenen Zuschüsse und Darlehen zur Deckung des Bedarfs nicht ausreichen werden, so gewährt das Reich für dieses Haushaltsjahr die Hälfte des Mehrbedarfs als Zuschuß. Der Rest ist durch Erhöhung oder Abstufung der Beiträge oder durch die Verbindung beider Maßnahmen zu decken. Die Reichsregierung wird ermächtigt, die hierzu erforderlichen Abänderungen der geltenden Vorschriften im Benehmen mit dem Vorstande der Reichsanstalt fortzusetzen.

[347] Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß er dieser Fassung zwar nicht ausdrücklich zustimmen könne, daß er sich jedoch damit abfinden wolle, wenn das Kabinett sie beschließe.

Der Reichskanzler stellte darauf die Zustimmung des Reichskabinetts zu der vorgeschlagenen Fassung des Artikels 4 fest.

Entwurf eines Gesetzes über Kürzung von Versorgungsbezügen.

Die Aussprache über den Gesetzentwurf führte zu keiner Einigung.

Das Kabinett beschloß die Frage der Neuregelung der Pensionen noch im August in einem diese Frage regelnden und Mißstände beseitigenden Gesetzentwurf zu verabschieden und dem Reichsrat vorzulegen1.

1

Zur Beratung des PensionskürzungsGes. vgl. Dok. Nr. 108, P. 1.

Abstriche am Etat.

Der Reichsminister der Finanzen trug vor, daß insgesamt 134 Millionen RM am Etat abgestrichen werden müßten. Zu diesem Betrage komme der Posten von 35 Millionen Minderdefizit des Jahres 1929. Über die Abstriche habe er sich im großen und ganzen mit den Ressorts geeinigt. Meinungsverschiedenheiten bestünden nur noch mit dem Reichsarbeitsministerium, dem Reichsministerium des Innern und dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Reichsarbeitsministerium2.

2

StS Geib bat am 16.8.30 um eine Änderung des Protokolls über den Etat des RArbMin. (Schreiben an MinR Wienstein in R 43 I /709 , Bl. 64; das Protokoll wurde am 21.8.30 entsprechend geändert: a.a.O., Bl. 65). Die ursprüngliche Niederschrift hatte folgenden Wortlaut: „Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß das Reichsarbeitsministerium 34 Millionen RM hergeben müsse. Diesbezüglich sei eine Einigung über 25 Millionen RM bereits erzielt. Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß er bereit sei, den Posten Kapitalabfindung für Kriegsbeschädigtenrenten um 2 Millionen, ferner den Posten Familienwochenhilfe um 4 Millionen RM kürzen zu lassen. Außerdem werde er weiter 12,5 Millionen RM dadurch verfügbar machen, daß die Postgebühren für die Auszahlung der Renten und Bereithaltung der Versicherungsmarken vom Reich auf die Versicherungsträger abgewälzt würden. Das Reichskabinett nahm hiervon Kenntnis“ (R 43 I /1445 , Bl. 229).

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß er sich mit dem Reichsarbeitsminister wegen einer Beteiligung an der Deckung des vorgenannten Fehlbetrags bereits über Abstriche in Höhe von 25,225 Millionen RM geeinigt habe.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß er weiter bereit sei, im Haushalt für Versorgung und Ruhegehälter den Posten Kapitalabfindung für Kriegsbeschädigten-Renten um 2 Millionen, ferner im Haushalt des Reichsarbeitsministeriums den Posten Familienwochenhilfe um 4 Millionen RM kürzen zu lassen. Außerdem werde er 12,5 Millionen RM dadurch verfügbar machen, daß die Postgebühren für die Auszahlung der Renten und den Vertrieb der Versicherungsmarken vom Reich auf die Versicherungsträger abgewälzt würden.

Das Reichskabinett nahm hiervon Kenntnis.

[348] Reichsministerium des Innern.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß das Reichsministerium des Innern 5 Millionen RM hergeben müsse.

Der Reichsminister des Innern bot 2,5 Millionen an. Bezüglich der restlichen 2,5 Millionen RM erklärte er die Verantwortung für die Kürzung, die nach seiner Meinung nur bei der technischen Nothilfe und dem Deutschtumsfonds erfolgen könne, nicht allein übernehmen zu können. Er verwies weiter darauf, daß bei seinem Etat ein Betrag von 2,5 Millionen RM dadurch freigeworden sei, daß die im Vorjahre bereitgestellten 6 Millionen RM für den Abtransport deutschstämmiger Bauern aus Rußland nicht voll in Anspruch genommen seien3.

3

Vgl. hierzu diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 351, P. 1, sowie Dok. Nr. 344, P. 4 und Dok. Nr. 452.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß es sich bei diesen 2,5 Millionen RM um Ausgabenreste des Jahres 1929 handele, die für die jetzt zur Erörterung stehenden Abstriche kaum in Ansatz gebracht werden könnten.

Der Reichsminister der Finanzen behielt sich vor, angesichts der nicht zu erzielenden Einigung die Entscheidung des Reichskanzlers, der die Sitzung vorübergehend hatte verlassen müssen, anzurufen, wie dies den früher gefaßten Grundsätzen im Kabinettsbeschluß über die Abstriche am Etat entspricht4.

4

Der Beschluß über die Modalitäten der Etatsabstriche war in der Kabinettssitzung vom 25.6.30 (Dok. Nr. 56) gefaßt worden.

Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Der Reichsminister der Finanzen trug vor, daß das Ernährungsministerium 10 Millionen RM hergeben müsse.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bot von dieser Summe 5 Millionen an. Über die restlichen 5 Millionen RM wurde eine Einigung nicht erzielt.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß er sich vorbehalten müsse, dieserhalb in gleicher Weise, wie er dies für das Reichsministerium des Innern angekündigt hatte, die Entscheidung des Reichskanzlers einzuholen.

Der Reichskanzler der den Vorsitz vorübergehend abgegeben hatte, stellte nach seiner Rückkehr die Zustimmung des Reichskabinetts zu dem Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände fest5.

5

Die Verordnung des Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände vom 26.7.30 wurde im RGBl. I, S. 311  veröffentlicht.

Er sprach den Reichsministern und den Beamten, die bei der Vorbereitung der Verordnung ihre ganze Kraft eingesetzt hatten, den besten Dank für ihre Mitarbeit aus.

Bestimmungen über die Osthilfe.

Der Reichsbankpräsident erklärte, daß er seine grundsätzlichen Bedenken gegen den Vollstreckungsschutz zurückstellen wolle unter der Voraussetzung,[349] daß der Vollstreckungsschutz nur soweit angewendet werde, wie Betriebserhaltungs- und Umschuldungsmaßnahmen mit Aussicht auf Erfolg möglich seien.

Der Preußische Finanzminister wünschte einschränkende Zusätze zu den Bestimmungen über die Siedlungsgesellschaft (Anl. 1)6.

6

Die hier nicht abgedruckte Anlage präzisierte die rechtliche Stellung der zu gründenden Deutschen Siedlungsbank. Die vom PrFM gewünschte Formulierung wurde in den § 3 des 3. Abschnitts der NotVO (RGBl. 1930 I, S. 316 ) aufgenommen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft berief sich dagegen auf eine Entschließung des Ausschusses, die der Regierung weitgehende Freiheiten hinsichtlich des Siedlungsinstituts gewähren wolle7.

7

Vgl. hierzu die Entschließung des 5. RT-Ausschusses vom 8.7.30 (RT-Bd. 443 , Drucks. Nr. 2270 , II b 4).

Der Reichsarbeitsminister trat jedoch den Ausführungen des Preußischen Finanzministers bei.

Die Entschließung des Ausschusses sei gegen seinen Willen, auf Betreiben der Rentenbank-Kreditanstalt, gefaßt worden und entspreche nicht den Vereinbarungen, die mit Preußen getroffen worden seien. Sie wären im Reichstagsplenum nicht angenommen worden8.

8

Die Entschließung war vom RT am 17.7.30 angenommen worden: RT-Bd. 428, S. 6440 .

Der Reichsminister der Finanzen stellte fest, daß es bei den Abmachungen bewenden müsse, die mit Preußen getroffen worden seien. Unter dieser Voraussetzung erklärte Staatssekretär Krüger vom Preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, daß er auf die Einfügung des Wortes „ausschließlich“ in den Gesetzestext keinen Wert mehr lege.

Mitwirkung Preußens bei den Durchführungsbestimmungen.

Der Preußische Finanzminister wünschte, daß in den §§ 20 ff. des Entwurfs stärker zum Ausdruck gebracht werde, daß die Maßnahmen im Einvernehmen mit der Preußischen Staatsregierung durchzuführen wären9.

9

Vgl. §§ 20 und 21 des 3. Abschnitts der NotVO vom 26.7.30 (RGBl. I, S. 318 ).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und der Reichsminister der Finanzen erklärten hierzu, daß eine Änderung der Bestimmungen nicht erforderlich sei, es müsse die Zusage genügen, daß die Bestimmungen im Einvernehmen mit Preußen loyal durchgeführt würden.

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