2.145 (bru1p): Nr. 145 Der Hessische Finanzminister an den Reichskanzler. Darmstadt, 20. Oktober 1930

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Nr. 145
Der Hessische Finanzminister an den Reichskanzler. Darmstadt, 20. Oktober 1930

R 43 I /2367 , Bl. 216–220

[Wirtschafts- und Finanzplan der Reichsregierung.]

Hochzuverehrender Herr Reichskanzler!

Den mir bislang nur durch die Presse bekanntgewordenen Finanz- und Wirtschaftsplan der Reichsregierung1 begrüße ich als den Ausdruck entschlossenen Willens, die schweren finanziellen Nöte unserer Zeit zu überwinden und den Grund für eine gedeihliche Entwicklung in der Zukunft zu legen. Gerne bin ich deshalb bereit, dieses Programm zu unterstützen und zu fördern. Aber diese ernste Bereitwilligkeit zur Hilfeleistung bei der Erreichung des großen Zieles wird begleitet von schweren Sorgen, die zahlreiche Einzelheiten des Programms bei dem verantwortlichen Leiter des hessischen Finanzwesens auslösen müssen. Und wenn ich diese Sorgen Ihnen, hochverehrter Herr Reichskanzler, zur Kenntnis zu bringen mir erlaube und im Interesse des Landes Hessen entsprechende Änderungen erbitte, geschieht dies nicht zuletzt deswegen, weil ich der Ansicht bin, daß eine nachhaltige Gesundung der Reichsfinanzen letzten Endes nur dann möglich ist, wenn auch der Unterbau des Gesamtorganismus – die Länder und Gemeinden – gesund sind. Wenn ich dabei weiter zum Ausdruck bringen darf, daß bei der Form der einzelnen Maßnahmen möglichst Rücksicht auf die Eigenstaatlichkeit der Länder genommen werden möchte, so bewege ich mich mit dieser Bitte auf derselben Linie. Nichts wäre wohl verderblicher, als durch finanzielle Maßnahmen die Lebensfähigkeit[541] der Länder aushöhlen zu wollen, um damit vielleicht erwünschte Reformen im Verfassungs- und Verwaltungsorganismus von Reich und Ländern herbeizuführen.

1

Veröffentlicht von WTB Nr. 1971 vom 30.9.30 (R 43 I /1446 , Bl. 335–338); vgl. auch Dok. Nr. 124, Anlage zu P. 1.

Zu I und II 12.

2

Gehaltskürzungen in Reich, Ländern und Gemeinden.

Den Absichten der Reichsregierung, in erster Linie eine Sanierung der Finanzen von der Ausgabeseite aus herbeizuführen, kann ich nur zustimmen. Daß eine wirksame Ausgabensenkung nur dann möglich ist, wenn der Personalaufwand heruntergedrückt wird, liegt bei dem Verhältnis zwischen Sach- und persönlichen Kosten auf der Hand. So hart eine solche Maßnahme für die betroffenen Beamten und Angestellten auch sein mag, so wird man sich notgedrungen damit abfinden müssen. Ich hätte auch aus dem gleichen Grunde nichts dagegen einzuwenden, wenn auch die Tagegelder einer ähnlichen Kürzung unterworfen würden. Als Gegenstück dieser Kürzung der Beamtenbezüge müßte eine wirksame Aktion zur Senkung der Preise in Angriff genommen werden. Alle Maßnahmen, die die Reichsregierung in dieser Beziehung zu ergreifen gedenkt, werden von mir unterstützt werden.

In Hessen hat man sich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken getragen, die notwendige Ausgleichung des Etats, die mit anderen Maßnahmen, selbst durch eine energische Personalverminderung (es wurden bei einem Gesamtpersonalbestand von 14 622 Personen 2500 Beamten- und Anwärterstellen abgesetzt), sich seither nicht erzielen ließ, durch eine entsprechende Verminderung der Personalausgaben herbeizuführen. Wenn nun einem derartigen Vorgehen durch die Maßnahmen des Reiches Grenzen gesteckt werden, so entbehren die Länder eines Ausgleichsfaktors in ihrem Etat. Ich würde es deswegen für angemessen halten, wenn bei den Anordnungen des Reiches den Ländern die Möglichkeit gegeben würde, über die Reichsnormen hinaus in Anpassung an ihre speziellen Bedürfnisse weiterzugehen. Freilich müßte das in der Form geschehen, daß die Norm des von dem Reiche vorgeschriebenen Kürzungssatzes als solche beibehalten werden müßte, daß es sich also nur um eine gleichmäßige und einheitliche Erhöhung dieses Satzes handeln kann.

Zu I 23.

3

die Mitwirkung des Reichs bei der Haushaltsaufstellung der Länder.

Es ist wohl selbstverständlich, daß sich die Länder mit einer Kürzung der Überweisungen insoweit abfinden müssen, als sie sich aus dem Rückgang der Einnahmen des Reiches ergibt. Ungerechtfertigt erscheint es indessen, wenn gewissermaßen als Äquivalent für die Entlastungen bei den Personalkosten der Länder und Gemeinden eine Herabsetzung der Überweisungen um 100 Millioenen eintreten soll4. Eine solche Minderung in den Überweisungen würde in Hessen dazu führen, daß die Kürzungen in den Bezügen der Landesbeamten nicht einmal ausreichen würden, um den Rückgang der Steuereingänge auszugleichen. In diesem Zusammenhange darf ich auch darauf hinweisen, daß bei[542] der Schaffung der neuen Besoldungsordnung in unserem Lande, zu der man durch das Vorgehen des Reiches veranlaßt worden ist5, man hat annehmen müssen, daß dem Lande für die daraus entstehenden Mehraufwendungen auch größere Einnahmen durch das Reich überwiesen würden. Wie bekannt, ist das völlig ausgeblieben, während das Reich sich für Deckung seiner Aufwendungen gesorgt hat. Es erscheint deswegen nicht unbillig, wenn von dem Lande gefordert wird, daß die Besoldungskürzungen auch in ihrem Endergebnisse in viel höherem Maße dem Lande zukommen, wie dies im Programm vorgesehen ist.

4

Aufgrund der Kürzung der Beamtengehälter hatte die RReg. eine Verringerung der Überweisungen an die Länder um 100 Mio RM beschlossen (Wirtschafts- und Finanzplan der RReg. I.2, R 43 I /1446 , Bl. 335).

5

Damit ist wahrscheinlich das Besoldungsgesetz vom 16.12.27 (RGBl. I, S. 349 ) gemeint.

Die Überweisungsanteile der Länder werden nicht zum geringsten Teil durch positive Maßnahmen des Reiches in ihrem Ausmaß herabgedrückt; insbesondere würde die Durchführung der in Aussicht genommenen Kleinbetriebsbesteuerung6 gerade bei uns eine erhebliche Schmälerung des Aufkommens herbeiführen. Sie würde für uns noch fühlbarer werden, wenn man an dem seither geltenden Verteilungsschlüssel der Überweisungen festhalten wollte. Um Ungerechtigkeiten in dieser Beziehung zu vermeiden, würde es zum mindesten unbedingt notwendig sein, den Verteilungsschlüssel nicht mehr auf das Aufkommen der Steuern, sondern auf die Einwohnerzahl abzustellen.

6

Punkt III.2 des Wirtschafts- und Finanzplans sah eine vereinfachte Besteuerung der Kleingewerbetreibenden durch eine Einheitssteuer auf der Grundlage des Gewerbeertrags vor (R 43 I /1446 , Bl. 336).

Zu II 2, 3, 4, 5.

Aus den sehr knapp gehaltenen Programmteilen über einheitliche Sparmaßnahmen, über verschärfte Haushaltskontrolle, über sparsame Rechtspflege und über Verwaltungsvereinfachungen kann nicht ersehen werden, was im einzelnen vorgesehen ist. Ich stehe nicht an zu erklären, daß ich den Anordnungen dieser Art an sich keineswegs ablehnend gegenüberstehe; ich begrüße vielmehr derartige Maßnahmen, die von mir schon jetzt in der hessischen Finanzverwaltung mit aller Energie betrieben werden. Unser Haushaltsrecht enthält jetzt schon strengere Grundsätze als die Reichshaushaltsordnung. Die Rechnungen der Gemeinden werden heute schon durch eine unabhängige Stelle, eine Abteilung der Oberrechnungskammer, geprüft. Ich hätte auch nichts gegen die Mitwirkung des Reiches bei der Aufstellung des Voranschlags einzuwenden, wenn ich nicht Bedenken haben müßte, daß die Möglichkeit einer unmittelbaren Mitwirkung bei der Aufstellung der Voranschläge nicht gegeben ist. Aber etwas anderes darf ich in dieser Beziehung anregen. Heute sind die Staatsvoranschläge der einzelnen Länder und des Reiches ganz verschieden aufgebaut. Es macht eine unendliche Mühe, wenn es nicht gar unmöglich ist, einen wirklichen Vergleich zwischen den einzelnen Ländern und dem Reiche zu ziehen. Ich würde es begrüßen, wenn durch eine Vereinbarung zwischen Reich und Ländern ein einheitlicher Aufbau der Staatsvoranschläge festgelegt und Richtlinien aufgestellt würden, die für die Aufstellung dieser Voranschläge überall maßgebend sein sollen. Die Verwaltungsvereinfachung, von der im[543] Reichsprogramm die Rede ist, wird bei uns nicht erst seit jetzt angestrebt. Aufgrund eines umfassenden Gutachtens des Reichssparkommissars wird zurzeit geprüft, in welcher Weise und in welchem Maße die Verwaltungseinrichtungen vereinfacht und vermindert werden können, Es wäre mir nicht unsympathisch, wenn in gegenseitiger Vereinbarung Normativbestimmungen erlassen würden, die für Zahl und Umfang der einzelnen Verwaltungsstellen maßgebend sein sollten. Auch auf dem Gebiet des Universitäts- und des Schulwesens könnte ähnliches geschehen.

Zu III.

Die in diesem Kapitel enthaltenen Absichten, eine durchgreifende Vereinfachung des Steuersystems herbeizuführen, begrüße ich an sich. In dem Kapitel sind die geplanten Einzelmaßnahmen mit Sicherheit nicht zu erkennen, und es ist deswegen ein umfassendes und abschließendes Urteil im einzelnen heute nicht möglich. Nur das scheint festzustehen, daß es sich dabei auch um Maßnahmen handelt, die die Ergiebigkeit der dem Lande unmittelbar zugute kommenden Steuerquellen berühren. Das muß schwere Bedenken erwecken. Was beispielsweise aus den knappen Mitteilungen über den Schuldenabzug gesagt ist, ist für das Land bedenklich7. Nach dem Finanzprogramm der Reichsregierung ist in Aussicht genommen, den Schuldenabzug bei Besteuerung der Landwirtschaft und des Gewerbes bis zu 8000 RM Einkommen vorzuschreiben. Die Bedenken, die gegen den Schuldenabzug bei den Landes-Realsteuern – soweit es sich nicht um reine Betriebsschulden handelt – geltend zu machen sind, ergeben sich schon aus dem Begriff dieser Steuern. Realsteuern lassen es nun einmal begrifflich nicht zu, daß die Schulden abgezogen werden. Hält man die Wirkung dieser Besteuerungsart wegen dieses in ihrem Wesen liegenden Charakteristikums für ungerecht – eine Auffassung, die man durchaus vertreten kann, so muß man eben die Realsteuern vollkommen abschaffen. Ein Verzicht auf Realsteuern ist aber heute gar nicht denkbar. Was wäre nun die Folge einer derartigen Maßnahme für Hessen? Würde in Hessen, wie das Reichsprogramm es vorsieht, ein Schuldenabzug zugelassen, dann müßte sich bei dem zahlreichen Kleinbesitz naturgemäß ein großer Steuerausfall ergeben, insbesondere auch als Folge der Freigrenze und der vorgesehenen Degression. Eine Minderung des Gesamterträgnisses dieser Steuern ist bei der heutigen Finanzlage aber unerträglich. Die Folge wäre also, daß eine Verschiebung in der Steuerbelastung sich ergäbe, die zu recht großen Ungerechtigkeiten führen könnte. Schließlich darf noch darauf hingewiesen werden, daß die vorgesehene Vereinfachung bei der Gewerbesteuer bei uns gar nicht durchführbar wäre. Die Hessische Gewerbesteuer ist wesentlich auf den Gewerbeertrag abgestellt. Die Gewerbesteuerpflicht muß natürlich auch für die Gewerbetreibenden aufrechterhalten werden, die unter 8000 RM Einkommen haben. Die Besteuerung des Gewerbeertrags baut sich nun auf der Einkommensteuerveranlagung auf.[544] Wie will man nun bei den Gewerbetreibenden unter 8000 RM Einkommen, für die ja eine Einkommensteuerveranlagung nicht mehr vorgenommen werden soll, den Gewerbeertrag bestimmen? Daran scheitert m. E. die Durchführbarkeit der Einheitssteuer für die Gewerbe, wie sie das Programm vorsieht.

7

Nach den Vorstellungen der RReg. sollte bei der neuen Einheitssteuer für die Landwirtschaft ein Teil der Schuldzinsen abgesetzt werden (Wirtschafts- und Finanzplan III.1, R 43 I /1446 , Bl. 336).

Zu IV und V8.

8

Neuregelung der Wohnungswirtschaft und Realsteuersenkung.

Bei der Neuregelung der Wohnungswirtschaft geht die Absicht des Regierungsprogramms darauf hinaus, die Aufwendungen für Wohnungsbau zu einem Teil auf Darlehen zu nehmen, und zwar sollen 400 Millionen dafür in Betracht kommen. Ich will dagegen nichts einwenden, wenn mir auch die daraus entstehende erneute Belastung des Anlehensmarktes nicht unbedenklich erscheint. Größere Bedenken löst indessen die Art der Durchführung des Programms, wie sie aus den knappen Mitteilungen zu erkennen ist, bei mir aus. Das Reich hat offenbar die Absicht, Wohnungen dort in erster Linie zu erstellen, wo das Bedürfnis nach Wohnungen am größten ist. Dafür will es die Hauszinssteuer aus allen Ländern in gleichem Maße in Anspruch nehmen. Für Hessen würde das jedenfalls ungerecht wirken. Hessen steht bekanntlich in der tatsächlichen Erstellung von Wohnungen neben Hamburg, Bremen und Lippe an der Spitze der deutschen Länder. Es hat bei weitem mehr Wohnungen erstellt als die anderen größeren Länder. Würde man nun dazu übergehen, von Hessen denselben Anteil seiner Sonder-(Gebäude)steuer heranzuziehen, bei ihm aber weniger Wohnungen zu bauen als anderwärts, dann wäre das für Hessen eine unerträgliche Ungerechtigkeit.

Zu denselben ungerechten Ungleichheiten würde es auch führen müssen, wenn die Senkung der Grund- und Gebäudesteuer nach dem gleichen Schematismus für alle Länder angeordnet würde. Es würde dies ungerecht wirken, nicht allein zwischen den einzelnen Ländern, sondern auch zwischen Ländern und Gemeinden und zwischen den einzelnen Gemeinden selbst. Wenn man eine Steuersenkung vorschreiben will, dann kann man nicht eine bestimmte Prozentzahl als Senkungsmaß für alle anordnen; man muß, wenn die Maßnahme nicht ungerecht wirken soll, von den tatsächlichen Verhältnissen ausgehen. Das wird am besten mit dem Hinweis illustriert, daß die Grund-(Gebäude)steuer beispielsweise in Preußen 48 Rpf, wo sie erst kürzlich erhöht wurde, bei uns dagegen 12 Rpf beträgt. Es ist einfach unmöglich, für das Land Preußen und das Land Hessen den gleichen Minderungssatz vorzuschreiben.

Der in diesem Abschnitt vorgesehene Ausgleichsfonds für Gemeinden mit größerer Belastung aus sozialen Aufgaben ist zu begrüßen. Er scheint mir nur mit 80 Millionen zu gering bemessen zu sein. Die den Gemeinden durch die Notverordnung zugewiesene Getränkesteuer und Bürgerabgabe9 reichen bei weitem nicht aus für die von Tag zu Tag größer werdenden Wohlfahrtslasten; ebensowenig die Änderung der Krisenfürsorge, die manchen Städten keine oder nur eine geringfügige Erleichterung bringt10. Es müßte Vorkehrung getroffen werden, in wirksamerer Weise derartig schwerbedrängten Gemeinden zu Hilfe[545] zu kommen. Vor allem müßte aber dieser Fonds ein Reichsausgleichsfonds sein, der den Städten im Reich (unmittelbar) zu gut kommen muß, die durch die Wohlfahrtserwerbslosen am meisten belastet sind.

9

NotVO vom 26.7.30, 2. Abschnitt, RGBl. I, S. 314 .

10

4. Abschnitt der NotVO vom 26.7.30, RGBl. I, S. 318 .

Zu VII11.

11

Die RReg. schlug als Finanzausgleich die Zuweisung der Bier- und Branntweinsteuer an die Länder und Gemeinden vor; dagegen sollte der Aufteilungsschlüssel für Einkommen- und Körperschaftssteuer zugunsten des Reichs verändert werden (R 43 I /1446 , Bl. 338).

Die Länder sollen anscheinend künftighin an der Körperschaftsteuer gar nicht mehr und an der Einkommensteuer nur noch mit einem wesentlich gesenkten Betrag beteiligt sein. Einen Ersatz dafür soll ihnen die Zuweisung aus der Besteuerung von Bier und Branntwein bringen. Diese Regelung entspricht nicht den tatsächlichen Bedürfnissen von Reich und Ländern. Im Reiche stehen zweifellos heute die Ausgaben auf dem Höhepunkt; sie werden kleiner werden, je länger der zeitliche Abstand vom Kriegsende wird. Die Länder werden dagegen in ihren Ausgaben für soziale und kulturelle Zwecke eher größere Belastungen zu erwarten haben. Dem Reiche werden im wesentlichen die Steuern vorbehalten, die die Tendenz haben, in die Höhe zu gehen, während Ländern und Gemeinden künftighin die Steuern überlassen werden sollen, die aus inneren Gründen im Laufe der Zeit zurückgehen werden.

Auch bei diesem Abschnitt muß von Hessen aus die Forderung erhoben werden, daß für die Verteilung von Überweisungen des Reiches an die Länder nur noch ein Schlüssel in Frage kommen kann, der nicht mehr auf das Aufkommen sich stützt, sondern für den die Einwohnerzahl maßgebend zu sein hat, sonst würden Zufälligkeiten einzelne Länder stark benachteiligen (z. B. Hessen, Sachsen und Württemberg, die fast keine Branntweinerzeugung haben).

Zu VIII12.

12

Durch besonderes Gesetz sollte die Höchstgrenze für die Ausgaben der öffentlichen Hand festgestellt werden (R 43 I /1446 , Bl. 338).

Die Sicherungsmaßnahmen gegen Ausgabeerhöhungen, die der letzte Abschnitt des Programms vorsieht, sind mir an sich nicht unsympathisch. Ich kann mir nur nicht recht vorstellen, wie sie sich in der Praxis auswirken sollen. Daß alle Ersparnisse oder Mehreinnahmen zur Senkung von Steuern verwendet werden sollen, ohne Rücksicht darauf, wie ein Etat abschließt, ist mir nicht verständlich. Ich kann auch nicht ersehen, wie man Ausgaben personeller Art auf diese Weise beschränken will, Ausgaben, zu deren Leistung für den Staat eine rechtliche Verpflichtung vorliegt.

Ich habe bei meinen Darlegungen davon abgesehen, die Auswirkungen des Reichsfinanzprogramms auf das Land Hessen zahlenmäßig zum Ausdruck zu bringen. Dafür sind die einzelnen Maßnahmen in der Darstellung des Regierungserlasses zu knapp gehalten. Nur eins ist mit Sicherheit jetzt schon zu erkennen. Was dem Lande Hessen aus diesem Programm zugute kommen wird, wird bei weitem nicht ausreichen, die notwendige Ausgleichung des Etats herbeizuführen. Eine erste rohe Zusammenstellung der für 1931 zu erwartenden Voranschlagsansätze hat einen Fehlbetrag von mehr als 10 Millionen ergeben,[546] eine Summe, die unmöglich auch durch die radikalsten Sparmaßnahmen – die selbstverständlich erfolgen werden – aufgebracht werden kann. Will man das Land in seiner Existenz sicher stellen, so bedarf es anderer Mittel. Sie können nur aus den Maßnahmen des Reiches erfolgen, die ich mir im vorstehenden anzudeuten erlaubt habe.

Mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung

hab ich die Ehre zu sein

Herrn Reichskanzler

ergebenster

Kirnberger

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