1.118.1 (bru2p): 1. Außerhalb der Tagesordnung: Schaffung einer Kreditgarantie der deutschen Wirtschaft.

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1. Außerhalb der Tagesordnung: Schaffung einer Kreditgarantie der deutschen Wirtschaft.

Vor Eintritt in die Erörterung der verschiedenen Gegenstände der Tagesordnung stellte der Reichskanzler die Frage der Schaffung einer Kreditgarantie seitens der deutschen Wirtschaft zur Beratung1.

1

Vgl. Dok. Nr. 363 und Dok. Nr. 366.

Er bat den Reichsbankpräsidenten um Bericht über die allgemeine Wirtschaftslage und den besonderen Plan der Begründung einer solchen Garantie.

Der Reichsbankpräsident wies hin auf die Nachrichten, die die Morgenpresse bereits über die Angelegenheit gebracht habe, insbesondere auf das Schreiben der maßgebenden deutschen Wirtschaftskreise – der Banken, der Industrie, des Handels und der Schiffahrt –, mit dem der Deutschen Golddiskontbank eine Ausfallbürgschaft von 500 Millionen RM zur Verfügung gestellt[1307] wird2. Es handele sich tatsächlich darum, die Golddiskontbank zu stärken und in die Lage zu versetzen, einen Ausgleich zu schaffen gegenüber den fortdauernden Abzügen kurzfristiger Auslandskredite. Er legte die Geschichte dieses Planes dar, der bereits am Sonnabend, dem 4., entstanden sei, als es unsicher erschienen sei, ob der Hoover-Plan zustande kommen werde. Die Reichsbank habe sich in den letzten Wochen Aufgaben gegenübergesehen, denen sie nicht hätte gewachsen sein können. Deswegen habe er den Plan eines Garantieverbandes seit Sonnabend mit Vertretern der verschiedenen Wirtschaftskreise fortlaufend besprochen. Dabei sei man sich darüber klar gewesen, daß mit Kreditrestriktionen der gegenwärtigen Finanzlage nicht abzuhelfen wäre. Man habe den Vergleich als zutreffend bezeichnet, daß aus einem ausgemergelten Körper ungewöhnliche Leistungen nicht mit Gewalt herausgepreßt werden könnten. Man habe sich auch die besonderen Gefahren von Rediskontkrediten in Amerika vorgehalten. Als sich Montag, den 6. d. M., die Lage der Hoover-Aktion verändert habe, sei auch die Form des Hilfsplanes geändert worden. Der erste Plan habe in noch stärkerem Maße den Charakter eines Garantieplanes getragen. Dann seien die Börsen, namentlich in Amerika, für Deutschland weiter schlecht geblieben. An verschiedenen internationalen Plätzen sei in sehr positiver Weise die Befürchtung geäußert worden, daß die deutsche Wirtschaft kein Vertrauen mehr verdiene, weil sie brüchige Stellen habe. Das habe weiter zur Förderung des Projektes beigetragen. Am 7. sei eine große Zahl von maßgebenden Wirtschaftsführern in Berlin gewesen, mit denen dann die jetzige Form der Garantie-Aktion vorgesehen worden sei.

2

1000 dt. Unternehmen hatten sich in einem Schreiben vom 7.7.31 an den RbkPräs. bereit erklärt, unter Führung der Golddiskontbank ein Garantiesyndikat zu bilden, das eine Ausfallbürgschaft von 500 Mio RM übernehmen sollte. Mit dieser Ausfallbürgschaft sollten das Vertrauen auf Dtld und in Dtld wiederhergestellt, weitere Kreditkündigungen vermieden und dem Devisenabfluß Einhalt geboten werden. Die Garantieleistung der dt. Wirtschaft könne jedoch nur dann wirksam werden, wenn es der Rbk gelinge, in Zusammenarbeit mit den ausländischen Notenbanken die für die dt. Wirtschaft und Kreditlage notwendigen Erleichterungen zu schaffen (WTB Nr. 1431 vom 8.7.31, R 43 I /673 , Bl. 157). Der Brief, das Ergebnis stundenlanger Beratungen der Wirtschaft mit dem RbkPräs. (so das Rundschreiben des RdI vom 8.7.31, Nachl. Silverberg Nr. 308, Bl. 59), war von Luther verfaßt worden: vgl. Luther, Vor dem Abgrund, S. 183.

Die Aktion gleiche im ganzen derjenigen bei Schaffung der Rentenmark, insofern es sich darum gehandelt habe, das Vertrauen zu Deutschland im Ausland wiederherzustellen. Er habe deswegen großen Wert darauf gelegt, daß die Feststellung vermieden werden müsse, daß es sich um eine Aktion von amtlicher Seite handele, was ja auch schließlich gelungen sei.

Zur Bedeutung der Aktion müsse er bemerken, daß die Golddiskontbank ein Mehrfaches der 500 Millionen kreditieren könne. Freilich sei wünschenswert, daß sie möglichst wenig zu geben brauche. Das Ideal würde sein, daß die zu schaffende Garantie praktisch nicht in Anspruch genommen werden brauche. Damit dürfe und könne allerdings leider nicht gerechnet werden. Man müsse auch die Gefahr sehen, daß die Golddiskontbank infolge der neuen Aktion für das beste Kreditinstitut gehalten werde und daß das Ausland dazu übergehen könnte, gerade die Golddiskontbank künftighin grundsätzlich zu beanspruchen.

[1308] Die Wirkung der Aktion würde jedenfalls ganz von der weiteren Haltung der ausländischen Banken abhängen. Die Reichsbank werde alles dazu beitragen, um die Wirkung von außen zu unterstützen.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg trat der Ansicht des Reichsbankpräsidenten bezüglich der allgemeinen Kreditlage in vollem Umfang bei. Es sei zweckmäßig und erforderlich, der Garantie eine gesetzliche Form zu geben. Es sei zwar mißlich, wenn die Regierung auf diese Weise eine Reihe von Unternehmen zur Beteiligung zwinge, die bisher dazu nicht bereit gewesen seien. Er glaube eine Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten empfehlen zu müssen. Für eine solche unterbreite er einen ersten Entwurf des Reichswirtschaftsministeriums.

Dieser Vorschlag gehe dahin, das Gesetzgebungswerk in zwei Teile zu teilen, und zwar

1. eine Notverordnung und

2. Ausführungsbestimmungen dazu.

Die Notverordnung brauche nur eine Ermächtigung für die Reichsregierung auszusprechen, die aufbringungspflichtigen Unternehmer mit einem Betriebsvermögen von 5 Millionen zur anteiligen Übernahme der Haftung bis zu dem vorgesehenen Gesamtbetrage von 500 Millionen RM in Anspruch zu nehmen. Der § 2 könne dann der Reichsregierung die Befugnis geben, zusammen mit der Golddiskontbank weitere Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Er glaube, daß dieser Inhalt genüge, um die Maßnahmen im Wege einer Notverordnung zu treffen3.

3

Der Entw. ermächtigte die RReg., im Wege der RechtsVO in Anlehnung an die Vorschriften des Aufbringungsgesetzes vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 269 ) die aufbringungspflichtigen Unternehmer mit einem Betriebsvermögen von über 5 Mio RM zur anteiligen Übernahme der Haftung bis zum Gesamtbetrag von 500 Mio RM zu verpflichten, welche die Golddiskontbank im Interesse der Aufrechterhaltung des dt. Auslandskredits tätigte. Die RReg. sollte die näheren Vorschriften erlassen, sie konnte mit der Durchführung treuhänderischer Aufgaben die Bank für Industrieobligationen in Ergänzung der ihr in § 7 des Industriebankgesetzes vom 31.3.31 (RGBl. I, S. 124 ) zugewiesenen Aufgaben betrauen (R 43 I /1450 , S. 259).

Die Ausführung sei so gedacht, daß die Betriebsvermögen festgestellt würden, wie seinerzeit bei der Industriebelastung. Die ganze Einrichtung solle genossenschaftsähnlichen Charakter tragen, indem ein Ausschuß bei der Golddiskontbank gebildet werde. Dazu sollten gehören

1. der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Golddiskontbank4 und

4

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Golddiskontbank war RbkPräs. Luther.

2. der Aufsichtsratsvorsitzende der Industriebank (Silverberg).

Umlagen könnten halbjährlich erfolgen5.

5

Der Entw. der DurchführungsVO befindet sich in R 43 I /1450 , S. 261–267. Nach diesem Entw. sollte die Haftung nur für Kreditgeschäfte eintreten, die innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der WirtschaftsgarantieVO abgeschlossen würden (§ 2). Der Betrag, für den der einzelne Unternehmer haftete, sollte aufgrund eines Verteilungsschlüssels durch die Finanzämter festgestellt werden (§ 4). Die Unternehmer hatten in Höhe der auf sie entfallenden Haftung Bürgschaftserklärungen auszustellen und diese der Bank für Industrieobligationen zu übergeben (§ 5). Die Golddiskontbank sollte der Bank für Industrieobligationen jeweils am 1. 1. und 1. 6. die Summe der eingetretenen Ausfälle mitteilen.

[1309] Der Reichskanzler und der Reichsbankpräsident schlugen eine Fassung vor, die zum Ausdruck bringen müsse, daß die Kredite der Golddiskontbank nicht auf 500 Millionen beschränkt sein sollten.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg erwiderte auf eine Frage des Reichsernährungsministers, daß die neue Einrichtung keine Rückwirkung auf die eigentlichen Aufgaben der Industriebank haben solle. Diese solle vielmehr nur treuhänderisch mitwirken, und zwar die Beträge gegebenenfalls umlegen, die von ihr als Garantie gefordert würden, und gegebenenfalls die Einziehung vermitteln.

Sodann wurde der Inhalt des Entwurfs des Reichswirtschaftsministers für eine Durchführungsverordnung (Anlage 2 der Niederschrift) kurz durchgesprochen, namentlich Fragen der Organisation. Besonders erörtert wurde § 2 Ziff. 36. Auf Vorschlag des Reichsbankpräsidenten und im Einverständnis des Staatssekretärs Trendelenburg wurde die Fassung dieser Ziffer 3 dahin geändert, daß es zu Anfang heißen soll: „Der Reichsbankpräsident im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Industriebank beruft …“

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§ 2 Ziffer 3 des Entw. lautete: „Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bank für deutsche Industrieobligationen beruft im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Deutschen Golddiskontbank einen Ausschuß von 7 Mitgliedern, der als Vertretung der nach § 1 haftenden Unternehmer in den in Abs. 1 und 2 [handschriftlich hinzugefügt: § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1] genannten Fällen mitzuwirken hat“ (R 43 I /1450 , S. 261–263).

Der Reichskanzler stellte schließlich das Einverständnis des Kabinetts dazu fest, daß die Notverordnung im Sinne des Vorschlags des Reichswirtschaftsministers erlassen werde und daß der Wortlaut in einer an die Ministerbesprechung anschließenden Chefbesprechung formuliert werden solle7.

7

Vgl. Dok. Nr. 372, Anm. 1.

Es kam sodann Übereinstimmung darüber zum Ausdruck, daß die Notverordnung möglichst am gleichen Tage noch erlassen werde.

Der Reichsbankpräsident wies auf falsche Gerüchte an ausländischen Börsen hin, die der deutschen Lage weiter sehr schaden könnten. Denen werde am leichtesten entgegengewirkt, wenn die Verordnung sofort erlassen würde.

Staatssekretär Dr. MeissnerMeissner schlug daraufhin vor, den Text dem Herrn Reichspräsidenten telefonisch nach Neudeck mitzuteilen. Er könne die Urkunde dann zunächst in Neudeck zeichnen.

Schließlich wurde die Bezeichnung der Notverordnung erörtert und die Präambel. Es wurde beschlossen, die Bezeichnung zu wählen: Verordnung des Reichspräsidenten über die Schaffung einer Wirtschaftsgarantie. In der Präambel schien der Hinweis auf die „Anregung namhafter Träger des deutschen Wirtschaftslebens“ zweckmäßig8.

8

Zur weiteren Beratung der geplanten NotVO s. Dok. Nr. 372, P. 1.

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