1.135.1 (bru2p): [Erlaß von Notverordnungen über Bank- und Devisengeschäfte]

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 8). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

[Erlaß von Notverordnungen über Bank- und Devisengeschäfte]

Der Reichsminister der Finanzen stellte folgende Punkte zur Erörterung:

1.

Übergang von Börsenfeiertagen zum regulären Bankbetrieb.

2.

Behandlung der Sparkassen.

3.

Auslandsverpflichtungen der Banken.

4.

Kontrolle der Banken.

5.

Devisenordnung.

Er führte folgendes aus: Außer der Danatbank sei eine andere große Bank1 in Schwierigkeiten gekommen. Sie würde nicht in der Lage sein, die Löhne und Gehälter auszuzahlen. Ihr ständen 60–70 Millionen Forderungen an öffentliche Körperschaften zu2. Sie sei bereit, diese Forderungen abzutreten, sei aber nicht in der Lage, der Reichsbank vorschriftsmäßige Wechsel zu präsentieren. 1400 genossenschaftliche Kreditanstalten hingen mit ihr zusammen. Es bestehe die Gefahr einer Stockung in den mittleren und kleinen Betrieben. Der Reichsbankpräsident werde Stellung nehmen müssen.

1

Die Dresdner Bank; vgl. Dok. Nr. 385.

2

Nach Schäffers Tagebuch vom 15.7.31 hatte die Dresdner Bank 160 Mio RM Forderungen gegen Länder und Kommunen (IfZ, ED 93, Bd. 11, Bl. 372).

Eine Neuregelung des Zahlungsverkehrs der Banken werde zweckmäßig zunächst nur für drei Tage getroffen.

Die Sparkassen seien in der Lage, Lombardunterlagen zu stellen.

Die Auslandsverpflichtungen der Banken würden zunächst durch die Verordnung über den Zahlungsverkehr für drei Tage zurückgestellt. Mit Schwierigkeiten würde nach Ablauf dieser Zeit zu rechnen sein. Es werde erwogen, alle Guthaben auf die Golddiskontbank zu überführen und eine Reichsgarantie dafür zu übernehmen, daß sie in zwei Jahren bezahlt werden.

Wegen der Aufsicht über die Banken sei ein Gesetzentwurf erforderlich.

Der Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln sei bei der Reichsbank zu zentralisieren. Geldsorten dürften nur zum amtlichen Kurse gehandelt werden.

Bestimmungen über die Kapitalflucht müßten erlassen werden, die sich an die Verordnung vom 8. September 19243 anschlössen. Die Auslandsreisen seien zu erschweren.

3

Am 8.9.24 ist eine KapitalfluchtVO nicht erlassen worden. Möglicherweise ist das Kapitalfluchtgesetz vom 8.9.19 (RGBl., S. 1540 ) gemeint. S. auch die Neufassung des Gesetzes vom 26.1.23 (RGBl. I, S. 91 ).

[1362] Der Reichsbankpräsident führte aus, ein Moratorium würde die Gefahr der Beschlagnahme der deutschen Auslandsguthaben in sich schließen. Ein Bankkommissar sei nicht erforderlich, da die Reichsbank der gegebene Bankkommissar sei. Durch die Lockerung des Zahlungsverkehrs dürften nur die Lohn- und Gehaltszahlungen sichergestellt werden. Die großen Banken versuchten auf diesem Wege die Restriktionen aufzuheben; sie hätten weit mehr gefordert als notwendig sei. Auch Überweisungen dürften nur für bestimmt festgelegte Zwecke zugelassen werden. Die Reichsbank werde noch heute eine Diskonterhöhung beschließen4. Die Reichsbank sei bereit, hinsichtlich des Überweisungsproblems die Führung zu übernehmen. Sie treffe umfangreiche Zahlungsmitteldispositionen. Es sei zweckmäßig, die Abrechnungsstelle so zu organisieren, daß sie nicht täglich abstimme, sondern in längeren Zeiträumen, dadurch würde eine große Unruhe vermieden. Eine Stelle müßte schließlich für den bei der Abrechnung entstehenden Saldo eintreten, vielleicht in Solidarhaft des Reichs und aller Beteiligten.

4

Der Diskontsatz wurde von 7% auf 10%, der Lombardsatz von 8% auf 15% erhöht. Die Notendeckung war von 43,6% am 7. 7. auf 36,6% am 14.7.31 zurückgegangen (DAZ Nr. 319–320 vom 17.7.31; Schultheß 1931, S. 159). Vgl. zur Notendeckung Dok. Nr. 361, Anm. 2.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg trat dafür ein, daß die Auszahlungen auf nachgewiesene Lohn- und Gehaltsbedürfnisse beschränkt würden. Er wies darauf hin, daß in den ersten Tagen nach Erlaß der Verordnung keine übermäßig hohen Anforderungen an den Zahlungsmittelbedarf gestellt würden, daß aber dann mit sehr großem Bedarf gerechnet werden müßte. Deswegen sei es erforderlich, den bargeldlosen Zahlungsverkehr, insbesondere die Überweisungen, soviel wie möglich zu fördern. Würde er nicht wieder aufgenommen, so bedeute das die Zahlungseinstellung der Banken wegen Zahlungsunfähigkeit, nicht wegen Zahlungsmittelknappheit. In diesem Falle könnte die gigantische Aufgabe nicht vom Staat und der Reichsbank allein, sondern müsse durch einen tiefen Eingriff in die Privatwirtschaft gelöst werden. Diese allein sei auch nicht hierzu in der Lage, die Banken dächten nur daran, ihre Verhältnisse solange wie möglich zu verschleiern und währenddem zu ordnen. Reichsaufsicht über sie sei nötig. Eine Persönlichkeit müsse gefunden werden, die die Lage meistern könnte. Die Ministerien kämen hierfür nicht in Frage. Vor allem müsse ein ungehinderter Einblick in die Verhältnisse der Banken möglich sein. Sie müßten das erforderliche Material zur Verfügung stellen. Wenn das Reich weitere Garantien leiste, so müsse auch die Sicherheit bestehen, daß diese Garantien nicht mißbraucht würden.

Der Reichsminister der Finanzen schloß sich diesen Ausführungen an. Der Gefahr, daß sich der Zahlungsverkehr lediglich auf Barmittel umstelle, müsse entgegengewirkt werden. Andernfalls würde sich der Bedarf von 5½ auf 8½ Milliarden erhöhen. Er sei bereit, die Forderungen der bedrohten Bank in Höhe von 160 Millionen zu übernehmen, so daß sie als Unterlage für einen Kredit der Reichsbank dienen könnten.

[1363] Es bestehe die Gefahr, daß bei unterschiedlichen Auszahlungen der Banken diejenigen, die am meisten auszahlen, den anderen die Kundschaft wegnähmen, so daß mit zahlreichen Zusammenbrüchen gerechnet werden müsse.

Die Reichsbank werde eine Abrechnungsstelle einrichten müssen. Die Aufsicht über die Banken müsse kommen, sonst würde der Reichstag sich nicht zufrieden geben.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer hielt den raschen Abzug von 4 Milliarden Auslandsschulden für den ausschlaggebenden Grund der Krisis. Er warnte davor, die Schuld den Banken allein zuzuschieben.

Ministerialdirektor Dr. ErnstErnst machte auf die schwierige Lage der Sparkassen und Girozentralen aufmerksam. Sie hätten viel Bargeld abgegeben und bedürften weiterer Barmittel. Sie seien nicht im Besitz ausreichender Wechsel zur Diskontierung, sondern auf das Lombardgeschäft angewiesen. Pfandbriefe und Reichsanleihen würden zur Verfügung gestellt werden. Auf den Wunsch der Kommunen, auch die Kommunalanleihen bankfähig zu machen, könne nicht eingegangen werden5. Es bestehe die Gefahr, daß, wenn die Reichsbank die Diskontierung ablehne, die Erwerbslosenbeiträge nicht gezahlt werden könnten oder daß Notgeld ausgegeben würde. Das würde die Währung zum Zusammenbruch bringen können.

5

Der Dt. Städtetag hatte in einem Schreiben an den RK vom 14.7.31 gefordert, daß die gesetzlich zulässige Lombardierung von Kommunalanleihen auch praktisch durchgeführt würde. Der Städtetag hatte es als eine der dringlichsten Aufgaben der RReg. bezeichnet, die Zahlungsfähigkeit der öffentlichen Kassen aufrechtzuerhalten, da Ruhe und Ordnung nur gewährleistet werden könnten, wenn Löhne, Gehälter und vor allem die Wohlfahrtsunterstützungen ausgezahlt würden. Die Bankfeiertage müßten bis zum Ende der Woche „mit einer gewissen Auflockerung zugunsten der zur Aufrechterhaltung des dringendsten Lebensbedarfs erforderlichen Zahlungen“ verlängert werden. Nach Ablauf der Bankfeiertage müsse ein zeitlich begrenztes Moratorium für sämtliche Geldinstitute erlassen werden. Um die dringendsten Zahlungsbedürfnisse zu befriedigen, müßten weitere Zahlungsmittel in Form von Rentenmarkscheinen zur Verfügung gestellt werden. Würden gegen die Ausgabe von Rentenmarkscheinen aus Deckungsgründen Bedenken erhoben, so könnte man den im langfristigen Hypothekarkredit angelegten Teil der Sparguthaben zur Deckung heranziehen. Gleichzeitig gäbe dieser Modus die Möglichkeit, unmittelbar den Sparkassen gegen Hergabe dieser immobilen Deckung liquide Geldmittel zur Verfügung zu stellen (R 43 I /2371 , S. 229–237). Der OB von Leipzig, Goerdeler, hatte in einem Schreiben an den RFM vom 14.7.31 angekündigt, die Stadtverwaltung werde anstelle der Zahlungen für Löhne, Gehälter und Wohlfahrtsunterstützung Gutscheine in Höhe von 2 Mio RM ausgeben (Durchschrift in R 43 I /2371 , S. 245–251).

Der Reichsminister des Auswärtigen bat, von einem Auslandsmoratorium abzusehen. Es würde, insbesondere in den Vereinigten Staaten, die verhängnisvollsten Wirkungen haben. Die Devisen[ver]ordnung müsse bald erlassen werden, ihr Ausbleiben beunruhige das Ausland.

Der Reichsbankpräsident lehnte eine generelle Erklärung darüber ab, daß die Reichsbank die Papiere der Sparkassen lombardieren würde.

Der Entwurf einer Verordnung über den Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln wurde verteilt.

Nach kurzer Aussprache bestand Einverständnis über die Fassung in der beiliegenden Form6.

6

Der VOEntw. gestattete den Handel mit ausländischen Zahlungsmitteln nur unter Vermittlung der Rbk, Devisentermingeschäfte wurden verboten (R 43 I /1450 , S. 431–436).

[1364] Zum Vorschlag des Reichsministers der Finanzen, den Auslandsverkehr durch eine Paßgebühr zu erschweren, wurden vom Reichsbankpräsidenten, von Staatssekretär Dr. Trendelenburg und vom Auswärtigen Amt erhebliche Bedenken geltend gemacht.

Der Preußische Finanzminister wies auf die äußerst schwierige Lage der Gemeinden und Sparkassen hin. Die Liquiditätsreserven der Sparkassen bei den Girozentralen seien eingefroren. Ihnen könne nur dadurch geholfen werden, daß ihre Effekten zum Lombard zugelassen werden.

Auch Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer trat für erweiterten Lombard zugunsten der Sparkassen ein.

Der Reichsbankpräsident erklärte aber, die Währung würde vernichtet, wenn der Lombard übertrieben würde.

Der Entwurf einer Verordnung über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen wurde verteilt7.

7

In dem VOEntw. wurde die RReg. ermächtigt, die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen zu regeln (R 43 I /1450 , S. 437).

In der Aussprache wurde festgestellt, daß die Bestimmungen über Leistungen an die Sozialversicherungsträger vom Reichswirtschaftsministerium und Reichsarbeitsministerium gemeinsam formuliert werden sollten. Dem Wirtschaftsausschuß soll die neue Formulierung am Abend zur Entscheidung vorgelegt werden.

Auch wegen der anderen beigefügten Verordnungsentwürfe wird der Wirtschaftsausschuß endgültig am Abend Entschließung fassen8.

8

S. Dok. Nr. 388.

Extras (Fußzeile):