1.137.2 (bru2p): 2. Finanzielle Fragen.

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[1368]2. Finanzielle Fragen.

Der Reichsminister der Finanzen stellte zwei Punkte zur Erörterung:

1.

eine umfassende Anleihe für die Länder und Gemeinden unter Garantie des Reiches;

2.

Klärung der Frage einer Regelung der kurzfristigen privaten Schulden durch Stillhalte-Konsortien der Notenbanken und der Privatbanken der einzelnen Länder.

Er vertrat dabei die Auffassung, daß das Reich bei der Regelung der privaten kurzfristigen Auslandsverpflichtungen nicht eingeschaltet werden möchte, und daß die Devisen, die sich dabei ergäben, an die Reichsbank abgeliefert werden müßten. Diese würde entsprechende Markbeträge zur Verfügung stellen, mit denen die kurzfristigen Darlehen abgezahlt würden.

Die Sammelanleihe für die Länder und Gemeinden sei eine politische Angelegenheit. Die Notwendigkeit ergebe sich nicht aus Mangel an Zahlungsmitteln, sondern aus der Unausgeglichenheit der Budgets.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg wies auf die Pläne wegen der Rückzahlung von kurzfristigen Auslandsschulden hin, die von Geheimrat Norden und von Direktor Ritscher ausgearbeitet worden sind. Letzterer habe vorgeschlagen, die Golddiskontbank einzuschalten; die Schuldnerbanken müßten Akzepte ausstellen, die von der Golddiskontbank giriert würden. Die Schulden, die bis 31. Juli zu begleichen wären, wären zusammenzufassen. Es müsse sich dabei um Firmen handeln, die wirtschaftlich noch kräftig seien. Die Golddiskontbank werde eine Gesamthaftung für die Schulden der übrigen Firmen nicht übernehmen können.

Die Reichsbank müsse die Führung haben, schon damit die Aktion mehr als privatwirtschaftlich in die Erscheinung trete.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer berichtete hierzu, daß die Privatnotenbanken unter Führung der Reichsbank bereits in dieser Richtung tätig seien.

Die Ressorts sollen die Pläne zusammenfassen und als Diskussionsgrundlage für die Nachmittagssitzung vorlegen.

(Die Verhandlungen wurden dann unter Zuziehung des Preußischen Finanzministers fortgesetzt. Hierzu erschienen weiter: Reichsbankpräsident Dr. Luther, Ministerialdirektor Dr. Reichardt, Ministerialrat Dr. Claußen, Ministerialrat Norden, Referent Dr. Pohl sowie Ministerialdirektor Dr. Ernst vom Preuß. Handelsministerium.)

Der Preußische Finanzminister führte aus, die Preußische Staatsregierung sei in starker finanzieller Bedrängnis. Sie habe vierteljährlich eine Unterbilanz von etwa 75 Millionen, die Kassenlage sei entsprechend schwierig.

Die schwebende Schuld belaufe sich auf 278 Millionen Schatzanweisungen. Diese seien bisher eine stabile Anlage gewesen und hauptsächlich von den Sparkassen aufgenommen worden. Am 11. Mai sei der Höchstbetrag von 311 Millionen erreicht worden; seitdem habe sich ein Rückgang geltend gemacht, der sich fortsetze. In den nächsten Tagen seien 45 Millionen aufzunehmen.

[1369] Die Staatsbank müsse damit rechnen, daß etwa 100 Millionen abgerufen würden, wenn sie ihre Schalter wieder öffne. Sie würde dann nicht mehr zahlungsfähig sein.

Die Sparkassen hätten ihre Reserven bei den Girozentralen und den Landesbanken teils in Anspruch genommen, teils seien sie eingefroren. Die anderen Reserven, die Schatzanweisungen, würden bei der Staatsbank diskontiert; neue nähmen die Städte nicht mehr an. Dadurch würden dem Staate die letzten Betriebsmittel entzogen.

Eine Erweiterung des Notenumlaufs sei keine unmittelbare Hilfe für die Gemeinden und die Sparkassen, da die Noten nicht lombardiert werden könnten.

Auch in den anderen Ländern, in Baden, Sachsen, den Hansestädten und Lippe, lägen die Verhältnisse ähnlich oder noch ungünstiger. Es handele sich um ein allgemeines deutsches Problem. Das Reich müsse eingreifen.

Die Gemeinden hätten in ihren Steuereinnahmen erhebliche Rückgänge, die neuen Steuern reichten zum Ausgleich nicht aus.

Der Reichsbankpräsident wies darauf hin, daß bei dieser Sachlage die Hingabe von Geldbeträgen an die Länder und Gemeinden langfristige Kredite bedeuten würde, denn mit einer baldigen Rückzahlung sei nicht zu rechnen.

Die Krise habe die Wirkung, daß auch dem Auslande die Zusammenhänge klar erkennbar wären. Die Länder und Gemeinden müßten zu ausgeglichenen Etats kommen. Das Reich müsse sich neu aufbauen.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß die Länder gezwungen wären, spontan neue Einsparungen vorzunehmen. Baden sei in dieser Richtung vorangegangen4, auch Württemberg, dessen Lage im allgemeinen günstiger sei. Auf einer Konferenz der süddeutschen Länder hätten diese beschlossen, die Eigenstaatlichkeit aus eigener Kraft zu sichern. Auch Preußen müsse sich entschließen, in gleicher Richtung vorzugehen.

4

S. Dok. Nr. 372, P. 2.

Wenn der endgültige Finanzausgleich nach den Vorschlägen der Reichsregierung im letzten Herbst angenommen worden wäre5, dann wäre es nicht zu der schwierigen Entwicklung gekommen. Entweder würde der Finanzausgleich oder eine ausländische Finanzkontrolle in Aussicht stehen. Das Reich sei nicht in der Lage, zur Zeit einzugreifen.

5

Vgl. Dok. Nr. 124, P. 1, Anlage.

Der Preußische Finanzminister erklärte, die große Summe, die in Frage käme, könnte unmöglich aus dem preußischen Etat herausgeholt werden. Preußen könne nicht mit seinen Gehältern heruntergehen, wenn das Reich nicht dasselbe täte.

Bayern und Baden würden ebenfalls auf die Hilfe des Reichs angewiesen sein. Preußen hätte sich gegen den Finanzausgleich nicht gewehrt. Die Wohlfahrtserwerbslosen-Lasten seien das entscheidende Problem; es spiele in Württemberg keine besondere Rolle, dort sei auch die Verwaltung billiger als in anderen Ländern.

[1370] Ministerialdirektor Dr. ErnstErnst vom Preußischen Handelsministerium berichtete, daß nach den inzwischen vorliegenden Meldungen der Verkehr bei den Sparkassen im Lande glatt verlaufe.

Der Reichsbankpräsident hoffte, in kürzester Frist zu einem umfassenden Plan hinsichtlich des Giroverkehrs zu kommen.

Die Ressorts sollen wegen der Pläne, die für die Londoner Konferenz vorzubereiten sind, Vorschläge machen. Diese sollen bei Fortsetzung der Besprechung am Nachmittage 6 Uhr vorliegen6.

6

S. Dok. Nr. 391.

Der Reichskanzler erklärte noch, die Konferenz in London werde nicht vor Montag, den 20. Juli, 6 Uhr abends beginnen können. Es sei unmöglich, bereits heute die Reise nach Paris und London anzutreten. Über die psychologischen Fragen der Maßnahmen der Reichsregierung solle in einer Chefbesprechung am Abend des 16. Juli verhandelt werden.

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