1.161.1 (bru2p): [Bankenkrise]

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[Bankenkrise]

Zur Erörterung standen in erster Linie die Verhältnisse bei der Dresdner Bank und der Danatbank und die Maßnahmen, die für ihre Ingangsetzung zu ergreifen sind1.

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Das Protokoll ist abgedruckt in: Born, die dt. Bankenkrise, S. 198–204. Tagebuchaufzeichnung Schäffers vom 28.7.31 über diese Sitzung in: IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 460–467. Vgl. Brüning, Memoiren, S. 348.

[1439] Der Reichskanzler erklärte, daß es dringend geboten sei, Zusammenbrüche großer Banken zu verhindern.

Staatssekretär a. D. BergmannBergmann führte hinsichtlich der Danatbank aus, daß die Generaldirektoren Vögler und Flick einen Plan aufgestellt hätten, nach dem die Industrie 35 Millionen Aktien der Danatbank zum Kurse von 150% übernehmen wollten. Das Reich solle den Gesamtbetrag von 52½ Millionen vorschießen. Die Rückzahlung soll nach 5–10 Jahren erfolgen. Von den 35 Millionen würden 6½ Millionen von den Geschäftsinhabern und Aufsichtsräten unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Inzwischen seien in Besprechungen der Industrie gegen diesen Plan erhebliche Bedenken geltend gemacht worden, ohne daß er bisher endgültig abgelehnt worden sei. Es scheine aber nicht mehr damit gerechnet werden zu können, daß die Industrie sich großzügig für die Banken einsetze. Am 29. würden Krupp, Reusch und Vögler mit dem Reichsminister der Finanzen über die Aktion verhandeln2.

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S. Dok. Nr. 415, Anm. 3.

Die Schaffung von Vorzugsaktien würden große Schwierigkeiten zur Folge haben. Würden die Aktien nur zu einem Kurse von 100% übernommen werden, so sei der Gesamtbetrag von 35 Millionen für die Fortführung der Danatbank sehr knapp.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, zu Verhandlungen mit der Industrie wegen ihres Planes reiche die Zeit nicht mehr aus. Die Reichsgarantie läge vor3. Die 35 Millionen müßten auf das Reich zum Pari-Kurse übernommen werden. Sie seien treuhänderisch zu verwalten. Die Bank müsse wieder eröffnet werden und ihren Verpflichtungen bis zum äußersten nachkommen.

3

Die RReg. war durch § 1 der NotVO über die Danatbank vom 13.7.31 (RGBl. I, S. 359 ) ermächtigt, Garantien für diese Bank zu übernehmen.

Erst durch Eröffnung der Banken sei mit einer weiteren Steigerung der Eingänge aus Reichssteuern zu rechnen. Bisher seien sie fortgesetzt zurückgegangen.

Wenn die Reichsbank 35 Millionen Aktien der Danatbank übernähme, werde der Wert der restlichen 25 Millionen des gesamten Aktienkapitals steigen. Für die Wechsel der Danatbank werde das Reich haften. Die Wechsel könnten der Reichsbank als Unterlage für die Ausgabe von Noten dienen.

Hinsichtlich der Dresdner Bank trat der Reichsminister der Finanzen dafür ein, daß keine Neukonstruktion geschaffen würde, sondern daß sie in die Lage versetzt werde, ihre Zahlungsverpflichtungen in vollem Umfange zu erfüllen. Die 40 Millionen Aktien, die in den Händen der Bank seien, müßten bei der Reichs-Kredit-Gesellschaft hinterlegt werden.

Auch Dr. MelchiorMelchior trat dafür ein, daß zunächst bei der Dresdner Bank keine Änderung vorgenommen und daß sie in den Stand gesetzt würde, ihre Gläubiger voll auszuzahlen. Es müsse auch vermieden werden, daß die Beunruhigung in der Provinz zunähme. Insgesamt könnte schlimmstenfalls mit Anforderungen von etwa 1–2 Milliarden in Zahlungsmitteln gerechnet werden, wenn der Zahlungsverkehr wieder in vollem Umfange freigegeben würde.

[1440] Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg hielt es dagegen für geboten, die Dresdner Bank zunächst zu rekonstruieren. 150 Millionen würden dazu nicht ausreichen. Für die Kredite müsse auch eine Reichsgarantie übernommen werden. Würde die volle Auszahlung der Guthaben sichergestellt, so würde dadurch das Vertrauen in die Bank allein noch nicht wieder hergestellt werden, weil ihre Schwierigkeiten in weitesten Kreisen bekannt geworden seien.

Direktor RitscherRitscher berichtete über die Verhandlungen, die er mit Geheimrat Frisch von der Dresdner Bank geführt habe. Dieser habe selbst dagegen Bedenken geäußert, die Schalter wieder zu öffnen und die volle Auszahlung sicherzustellen. Der Umfang der Anforderungen sei nicht zu übersehen. Insgesamt betrügen die Inlandskreditoren 1110 Millionen M. Davon seien 567 Millionen täglich fälliges Geld. Die Bank selbst könne nur etwa für 200–300 Millionen M Wechsel zur Verfügung stellen als Unterlagen für die Reichsbank-Kredite. Geheimrat Frisch habe erklärt, daß er es ablehnen müsse, seine Unterschrift unter neue Wechsel zu setzen, solange nicht durch eine Rekonstruktion der Bank die Rückzahlung sichergestellt werde. Er könne das Reich nicht veranlassen, größere Mittel in die Bank zu investieren. Es habe keinen Sinn, auf halber Strecke liegen zu bleiben.

Auch wenn die Rekonstruktion mit 150 Millionen erfolge, sei es fraglich, ob die Kundschaft dadurch beruhigt werde, oder ob sie sich langsam aus dem Institut zurückziehe. Würde beschlossen, die vollen Auszahlungen sicherzustellen, dann müsse es geschehen, bis die Anforderungen aufhörten.

Auch Generaldirektor von der PortenPorten trat für eine Rekonstruktion der Dresdner Bank ein. Ohne sie sei das Vertrauen in das Institut nicht wieder herzustellen.

Eine Verschmelzung mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft könne nicht in Frage kommen4. Dazu sei das Kapital der Reichs-Kredit-Gesellschaft in Höhe von 40 Millionen zu gering. Auch ihr Personal und ihre Geschäftskreise seien nicht entsprechend. Sie genieße im Ausland noch volles Vertrauen, würde dieses aber erschüttern oder verlieren.

4

S. Sdazu Dok. Nr. 409, Anm. 7.

Es sei aber wohl zweckmäßig, das neu zu schaffende Kapital der Dresdner Bank der Reichs-Kredit-Gesellschaft als Treuhänderin zu überlassen. Dann würde das Ansehen, das die Reichs-Kredit-Gesellschaft im Auslande genieße, auch der Dresdner Bank zugute kommen.

Der Reichskanzler fürchtete, daß dieser Vorschlag nicht zum Ziele führen werde. Er sei der Weg, der wegen der Danatbank eingeschlagen worden sei.

Vor Stellungnahme der ausländischen Sachverständigen zogen sich diese mit Dr. Melchior und Generaldirektor von der Porten zu einer Sonderberatung zurück. Inzwischen wurde über den Entwurf einer 6. Verordnung über die Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs nach den Bankfeiertagen verhandelt.

Ministerialdirektor ReichardtReichardt trug den Inhalt vor und erläuterte ihn5.

5

Der VOEntw. sollte den Zahlungsverkehr vom 29. 7.–1.8.31 regeln. Nach diesem Entw. durften Kreditinstitute an Guthabeninhaber 10% der Einlagen, höchstens aber 300 RM auszahlen. Bei Guthaben aus Sparkonten und Sparbüchern wurde der Auszahlungsbetrag auf höchstens 30 RM beschränkt. Unbeschränkte Barauszahlungen waren gestattet für die Erfüllung tariflicher und gesetzlicher Verpflichtungen. Über Guthaben, die nach dem 15.7.31 eingezahlt worden waren, konnten die Kontoinhaber frei verfügen. Außerdem enthielt der VO-Entw. Bestimmungen über Wechselgeschäfte und Überweisungen (R 43 I /1450 , S. 595–601).

[1441] Der Reichsminister der Finanzen erklärte, er könne mit diesem Vorschlage nur einverstanden sein, wenn sichergestellt werde, daß nach dem 1. August der Zahlungsverkehr wieder im wesentlichen freigegeben werde. Die Entscheidung über die Verordnung müsse also zurückgestellt werden, bis über das Vorgehen hinsichtlich der Danatbank und der Dresdner Bank entschieden sei.

Auch Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg trat dafür ein, daß der Zahlungsverkehr vom Montag, dem 3. August an unbeschränkt wieder aufgenommen werde. Es sei notwendig wegen der öffentlichen Finanzen und wegen der Rohstoffkäufe der Industrie.

Der Reichsbankpräsident hielt ebenfalls die schnelle Wiederherstellung des Zahlungsverkehrs für erforderlich. Ihm schien aber notwendig, zunächst das Stillehalten des Auslands mit senen kurzfristigen Forderungen sicherzustellen. Die Devisenbewirtschaftung könne erst eingeführt werden, wenn die Verhandlungen über die Stillehaltung beendet seien6.

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S. Dok. Nr. 414, P. 3.

Die Reichsbank sei in der Auflockerung der Wechselbestimmungen sehr weit gegangen. Jeder gute Handelswechsel werde angenommen. Für die Rohstoffversorgung bestehe also keine Gefahr.

Hinsichtlich der Dresdner Bank und der Danatbank halte er seinen bisherigen Standpunkt aufrecht. Das Reichsbankdirektorium trete nach wie vor für eine Verbindung der Dresdner Bank mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft ein. Es halte es nicht für möglich, ohne diese Maßnahme die Zahlungen wieder in vollem Umfange aufzunehmen.

Das vorhandene Aktienkapital müsse in die Lösung mit einbezogen, neues Kapital in Höhe von 140 Millionen müsse geschaffen werden. Es müsse vor dem alten den Vorzug haben. Das alte wäre später zusammenzulegen.

Würde der Zahlungsverkehr wieder in vollem Umfange zugelassen, so müsse auch die Danatbank ihre Schalter wieder öffnen. Es müsse dann auf ganzer Front vorgegangen werden.

Auch die Reichsbank trete für durchgreifende Personalveränderungen in der Leitung der Dresdner Bank ein. Die Danatbank müsse etwa 100 Millionen neues Kapital erhalten. Die Reichsbank sei bereit, für die Dresdner Bank etwa 100 Millionen in Silber verfügbar zu machen und den Betrag in Banknoten einzuwechseln, sobald er vorläge7.

7

StS Schäffer notierte folgende Äußerung Luthers: „Der Hilfswunsch der Reichsbank geht dahin: Prägen (das dem Reiche gehörende Silber in Umlaufsmünzen) so rasch als möglich“ (IfZ ED 93, Bd. 12, Bl. 464–465). Vgl. auch Dok. Nr. 396.

Staatssekretär SchäfferSchäffer warnte vor einer Ausschöpfung des Silberschatzes. Ein Betriebsfonds in Höhe von 400 Millionen müsse erhalten bleiben. Die Erleichterung durch den Hoover-Vorschlag wirke sich günstig aus. Es werde möglich sein, über den 1. August hinweg zu kommen, allerdings mit einigen Schwierigkeiten, die sich möglicherweise dann noch vermehren würden.

[1442] Es sei zweckmäßig, wenn Generaldirektor von der Porten im Reichsbankdirektorium die Gründe darlege, die gegen die Verschmelzung der Dresdner Bank mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft sprechen.

Eine Übernahme der Aktien der Dresdner Bank zu einem höheren als dem Parikurse komme nicht in Frage. Die Garantie des Reiches müsse sich auch auf das Giro der Bank erstrecken.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich bereit, für alle Forderungen gegen die beiden Banken einzustehen, die nach Wiedereröffnung ihres Betriebes gegen sie geltend gemacht würden. Unter der Voraussetzung, daß die Banken ihren Betrieb bis Montag, den 3. August, wiedereröffnen, stimmte er dem Entwurf einer 6. Verordnung über den Zahlungsverkehr zu8.

8

Die VO wurde am 28.7.31 im RGBl. I, S. 405  veröffentlicht.

Der Reichskanzler wünschte, daß sich die Reichsbank in die Verhandlungen beim Reichsfinanzministerium wegen der Danatbank einschalte. Er stellte in Aussicht, daß er mit einem Vertreter der westlichen Schwerindustrie am 29., vorm., über die Beteiligung an der Sanierung der Danatbank verhandeln wolle9. Das Verhalten einzelner Persönlichkeiten der Industrie habe zur Illiquidität der Bank beigetragen. Die Danatbank sei eine reine Industriebank. Bei der Dresdner Bank sei der Wiederaufbau durch Kapital des Reichs eher zu verantworten wegen ihrer Kredite an die Öffentliche Hand und an die Genossenschaften. Vorher müßten aber die notwendigen psychologischen Voraussetzungen erfüllt werden.

9

Am 29. 7. hatte der RK eine Besprechung mit dem Kölner Eisenindustriellen Otto Wolff (Nachl. Pünder Nr. 43, Bl. 102).

Die Pressenotiz über die 6. Verordnung zur Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs auf Grund des Entwurfs des Reichswirtschaftsministers soll von drei Vertretern der Beteiligten formuliert werden10.

10

Die Erläuterung zur 6. VO erschien in WTB Nr. 1588 vom 28.7.31 (R 43 I /2372 , S. 137–138).

Nach Rückkehr der ausländischen und der beiden deutschen Sachverständigen in den Sitzungssaal teilte WallenbergWallenberg das Ergebnis ihrer Sonderberatungen mit. Er erörterte die Möglichkeiten, die sich für eine Stützung der Dresdner Bank böten und sprach sich gegen einen Zusammenschluß mit der Danatbank und auch mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft aus. Er rechnete damit, daß nach Auszahlung von etwa der Hälfte der fälligen Guthaben the tide will turn. Die Dresdner Bank müßte über die Akzeptbank11 Akzepte geben. Dieser wieder wären bestimmte Garantien zu leisten. In gleichem Sinne sprach sich SpragueSprague aus. Es sei nicht zweckmäßig, für die Dresdner Bank neues Kapital in Höhe von 150 Millionen zur Verfügung zu stellen. Garantieleistung sei vorzuziehen.

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Die Akzept- und Garantiebank AG war am 28.7.31 vom Reich und 12 Berliner Bankinstituten mit einem Kapital von 200 Mio RM gegründet worden. Durch die neue Bank sollte ein möglichst schneller Abbau der Beschränkungen im Zahlungsverkehr herbeigeführt werden. Die Akzeptbank sollte auch ermöglichen, die Danatbank wieder in den Zahlungsverkehr einzuschalten (WTB Nr. 1572 vom 26.7.31 und WTB Nr. 1590 vom 28.7.31 in R 43 I /2372 , S. 9 und 11). Eine Abschrift des Vertrags zwischen dem Dt. Reich und den Banken im Zusammenhang mit der Gründung der Akzeptbank befindet sich in R 2 /13606 , Bl. 3–7.

[1443] Dagegen trat Geheimrat SchmitzSchmitz dafür ein, daß die Reichs-Kredit-Gesellschaft ihr Kapital auf 100 Millionen und ihre Reserven auf den gleichen Betrag erhöht und die Dresdner Bank übernimmt.

Direktor RitscherRitscher führte hierzu aus, daß die Reichs-Kredit-Gesellschaft auch mit 200 Millionen diese Last nicht tragen könnte. Sie müsse genau wissen, wie groß das Risiko sei, und das Reich müsse den Ausfall tragen.

Die Reichs-Kredit-Gesellschaft habe die Krise vorausgesehen und sich darauf eingerichtet. Sie dürfe ihre Stellung im Auslande nicht gefährden. Wenn große Mittel für die Dresdner Bank aufgebracht werden, seien sie ihr unmittelbar zuzuwenden.

Der Reichsbankpräsident trat dem Vorschlage Geheimrats Schmitz’s entschieden bei. Er fürchte einen Ansturm gegen alle Banken, wenn bei der Dresdner Bank nichts geschehe. An offenkundigen Tatsachen dürfe nicht vorbeigegangen werden. Die Lage der Dresdner Bank sei für den Überweisungsverkehr des Clearing-Verbandes12 entscheidend gewesen. Er habe sich deswegen noch nicht in ausreichendem Maße entwickeln können. Kontenübertragungen von der Dresdner Bank auf die Deutsche Bank seien festzustellen. Die Dresdner Bank habe ihre hinterlegten Sicherheiten fast völlig erschöpft. Bei den anderen Banken habe sich dagegen ein Ausgleich unter sich ergeben.

12

S. Dok. Nr. 396, Anm. 14.

Der Clearing-Verband müsse vor Eröffnung des unbeschränkten Zahlungsverkehrs in vollem Umfange funktionieren. Deswegen müsse das Hindernis der Dresdner Bank beseitigt werden.

Der Reichskanzler fürchtete von einer Verschmelzung der Dresdner Bank mit der Reichs-Kredit-Gesellschaft eine Gefährdung des Kredites der letzteren. Würde die Dresdner Bank durch das Reich rekonstruiert, so würde wohl das Vertrauen in das Institut zurückkehren. Die Entscheidung über die Frage des Vorgehens hinsichtlich der Dresdner Bank müsse spätestens am 29., vorm., getroffen werden. Am 3. August müsse der volle Zahlungsverkehr der Banken wieder einsetzen, sonst wäre das Vertrauen in das gesamte deutsche Bankwesen erschüttert.

Die Verhandlungen sollen am 29., vormittags 11 Uhr, im gleichen Kreise fortgesetzt werden13.

13

S. Dok. Nr. 415.

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