1.168.1 (bru2p): Finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen.

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Finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen2.

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Druck dieses Dok. in: Born, Die dt. Bankenkrise, S. 214–219.

Der Reichskanzler berichtete über die Verhandlungen, die nach der Mittagssitzung des Kabinetts stattgefunden haben. In einer Besprechung mit Staatssekretär a. D. Dr. Dernburg und den Sachverständigen Sprague, Wallenberg, Dr. Melchior und Schmitz sei übereinstimmend die Auffassung vertreten worden, daß an dem Plan einer Rekonstruktion der Dresdner Bank durch Schaffung neuen verantwortlichen Kapitals vor Eröffnung der Schalter festgehalten werden solle (Anlage)3. Vor Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs müßten die Provinzbanken in die Akzept- und Garantiebank aufgenommen werden.

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Die Anlage enthält eine kurze stenographische Notiz über das Ergebnis der Besprechung (R 43 I /1450 , S. 651).

Geheimrat SchmitzSchmitz führte aus, die Industrie habe sich nun endgültig bereit erklärt, die Aktien der Danatbank, die in ihrem Besitze seien, und die in Höhe von 6½ Millionen den Leitern und Aufsichtsratsmitgliedern unentgeltlich zur Verfügung gestellt würden, zu übernehmen. Dann wäre das Aktienkapital in Höhe von 60 Millionen intakt. Die Reichs-Kredit-Gesellschaft müsse nach Hinterlegung der Aktien bei ihr das Stimmrecht für das Reich und die Industrie ausüben. Bei der Dresdner Bank sei ein verantwortliches Kapital in Höhe von 300 Millionen Vorzugsaktien zu schaffen. Daran könnten sich öffentliche und private Geldgeber beteiligen.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß es notwendig sei, der Gefahr zu begegnen, die in einem Aufkommen der öffentlichen Meinung wegen Verstaatlichung des gesamten Bankwesens liegen könnte4.

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Tatsächlich wurden derartige Vorwürfe erhoben: s. Dok. Nr. 439.

Der Reichsbankvizepräsident DreyseDreyse schlug wegen der Bedenken der anderen Banken gegen die Errichtung eines Kapitals von 300 Millionen für die Dresdner Bank vor, daß ein Bankenkonsortium unter Führung der Akzept- und Garantiebank und der Reichs-Kredit-Gesellschaft gebildet würde, das nach[1463] außen hin die Sanierung vornehme. Das Reich müsse Vorschuß gewähren, der später in Aktien umzuwandeln sei.

Der Reichsminister der Finanzen äußerte Bedenken; es sei unmöglich, diese Lösung vor der Öffentlichkeit und dem Reichstag geheimzuhalten. Er lehne es ab, dem Reichstag darüber unzutreffende Mitteilungen zu machen. Er könne sich deswegen nicht mit dem Vorschlag einverstanden erklären5.

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Schäffer stellte in seiner Aufzeichnung Dreyses Vorschlag und den Widerspruch Dietrichs wie folgt dar: „DreyseDreyse: Sollte man nicht doch einen Kredit durch ein großes Bankenkonsortium geben, der auf Verlangen der Dresdner Bank in Vorzugsaktien zu verwenden ist? DietrichDietrich: S. eine verschleierte Sache mach ich nicht mit“ (IfZ ED 93 Bd. 12, Bl. 495).

Der Reichskanzler schlug vor, den Vorschlag in Gegenwart des Reichsministers der Finanzen mit den deutschen und ausländischen Sachverständigen zu beraten. Jede denkbare Lösung müsse gemeinsam besprochen werden. Dann müßten sich alle Beteiligten geschlossen hinter die Lösung stellen, die schließlich der allgemeinen Anschauung im wesentlichen entspreche.

Die Verhandlungen wurden dann unterbrochen.

Im Anschluß fand eine Besprechung mit den ausländischen und inländischen Sachverständigen statt6.

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S. Dok. Nr. 419.

Nach dieser berichtete bei Wiedereröffnung der Beratungen in der Ministerbesprechung der Reichskanzler über das Ergebnis der Sachverständigen-Konferenz. Wegen der Danatbank und der Dresdner Bank sei volle Übereinstimmung herbeigeführt worden. Im einzelnen führte hierzu Geheimrat SchmitzSchmitz folgendes aus: Die Industrie übernimmt 28,8 Millionen Aktien der Danatbank, die sich in deren Besitz befinden zum Buchwert, 6,2 Millionen werden unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Von einer Erhöhung des Aktienkapitals wird abgesehen. Sie könne auch wegen der ausländischen Aktionäre, unter denen sich wichtige Firmen und Persönlichkeiten befänden, nicht vertreten werden. Die Garantien des Reichs sollen sich auch auf die neuen Geschäfte der Bank erstrecken. Das Reichsfinanzministerium werde wegen der Personalbesetzung der leitenden Stellen und Gremien und der Aktien Bedingungen stellen, die gefixt worden seien. Das Reich beteilige sich nicht an dem Aktienkapital. Es strecke aber der Industrie den Gegenwert vor.

Für die Dresdner Bank sollen 300 Millionen amortisierbare kumulativ zu 7% verzinsbare Vorzugsaktien geschaffen und zunächst vom Reich übernommen werden, das wegen des Verkehrs aller oder eines Teiles mit den in Frage kommenden Firmen, Persönlichkeiten und Organisationen in Verbindung treten werde. Auch der Allgemeinheit solle Gelegenheit gegeben werden, Aktien zu erwerben.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete, die 300 Millionen sollten durch Schatzanweisungen konstruiert werden. Der Aufsichtsrat der Dresdner Bank sei zusammengerufen. Er müsse ebenso wie der Vorstand seine Ämter zur Verfügung stellen7. Regreßansprüche würden vorbehalten. Bei der Danatbank sei die Freistellung der persönlich haftenden Gesellschafter nur möglich, durch[1464] Umgestaltung der Gesellschaft. Sie müsse sich bereit erklären, auf Verlangen zurückzutreten.

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S. Dok. Nr. 428, Anm. 13.

Nach einer Mitteilung von Staatssekretär TrendelenburgTrendelenburg wird die Danatbank voraussichtlich am 1. August in den Kreis der übrigen Banken eintreten. Damit könne das Moratorium, wie vorgesehen, mit dem 31. Juli ablaufen8. Die Ausweitung der Reichsgarantie auf die weiteren Forderungen an die Bank müsse in der Notverordnung festgelegt werden.

8

Vgl. die Artikel 6–8 der DurchführungsVO über die Danatbank vom 13.7.31 (RGBl. I, S. 360 ).

Über die Möglichkeit der Auszahlungen durch die Provinzialbanken entspann sich eine längere Debatte. Die Frage, ob diese Auszahlung im allgemeinen sichergestellt werden könne, wird technisch geprüft. Die erforderlichen Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Zahlungen soll rechtzeitig geschaffen werden. Die endgültige Entscheidung wird am 31. Juli getroffen9. Dann soll auch entschieden werden, ob die Sparkonten sowohl bei den Banken wie bei den Sparkassen gleich behandelt werden können und ob dasselbe für die Girokonten und die Kontokorrentkonten in den beiden Arten der Kreditinstitute möglich ist.

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S. Dok. Nr. 423.

Der Reichskanzler vertrat den Standpunkt, daß es psychologisch und politisch gefährlich sei, Sparer bei den Banken anders zu behandeln als bei den Sparkassen. Er hielt es für notwendig, auf jeden Fall bei der öffentlichen Mitteilung über die Einführung des unbeschränkten Zahlungsverkehrs bei den Banken auch wegen der vollen Öffnung der Sparkassen einen genauen Termin anzugeben.

Ministerialdirektor Dr. ZardenZarden trug vor, der Sparkassenverband hätte seinen Bedarf bei Öffnung der Schalter auf 1 Milliarde geschätzt. Er hätte deswegen den Vorschlag gemacht, die Depositen- und Giroeinlagen bei den Sparkassen ebenso zu behandeln wie bei den Banken, im übrigen aber für alle Guthaben, die 300 RM übersteigen, eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuführen. Die 300 RM sollten in wöchentlichen Raten von 75 RM erhoben werden können. Im August werde dann mit einem Bedarf von 500 Millionen gerechnet10.

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Vgl. Dok. Nr. 414, Anm. 8.

Die Sparkonten der Dresdner Bank wurden auf 42, die der Deutschen Bank auf 100 Millionen geschätzt.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg hielt es für geboten, die Sparkonten und andere Konten sowohl bei den Banken wie bei den Sparkassen zu unterscheiden und gleichmäßig zu behandeln. Der Kontokorrentverkehr der Sparkassen müsse mobilisiert werden; bei ihren Schaltern sei schwer zu unterscheiden, ob es sich um Kontokorrentguthaben oder um Sparguthaben handele. Es würde genügen, wenn der Kontokorrentverkehr nicht durch Auszahlungen, sondern lediglich durch Überweisungen befriedigt würde.

Die technischen Einzelheiten seien noch nicht ausreichend geklärt. Es genüge festzustellen, daß der Kontokorrentverkehr bei den Sparkassen wieder[1465] eröffnet wird. Auf lange Sicht müßten sie ihrem eigentlichen Zwecke der Aufnahme langfristiger Spargelder wieder zugeführt werden. Auf Grund der Erfahrungen, die jetzt gemacht würden, wäre später ein Sparkassengesetz auszuarbeiten.

Der Reichsarbeitsminister schloß sich diesen Ausführungen an. Er wies auf die Wichtigkeit der Sparkassen für den Handel und das Gewerbe hin, bei denen sie reine Bankfunktionen versähen.

Auf die politischen Auswirkungen einer verschiedenen Behandlung von Sparkassen und Banken beim Volksentscheid am 9. August11 machte der Reichsminister des Innern aufmerksam. Die Entscheidung müsse bald getroffen werden.

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Am 9.8.71 fand in Preußen ein Volksentscheid über die Auflösung des LT statt. Der Volksentscheid wurde unterstützt von der NSDAP, den bürgerlichen Parteien, der KPD und dem Stahlhelm. Der Volksentscheid scheiterte (Schultheß 1931, S. 178).

Ähnlich sprach sich Reichsminister TreviranusTreviranus aus. In manchen Landesteilen gäbe es kein ausreichendes Privatbankwesen.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, die Großbanken würden nicht subventioniert, die Dresdner würde vom Reiche vorläufig übernommen, die Danat würde provisorisch verwaltet. Beide sollten später wieder an die Wirtschaft abgegeben werden. Wenn die Banken nicht wieder in Gang kämen, könnten auch die Sparkassen nicht zahlen. Die kurzfristigen Anlagen der Sparkassen betrügen zur Zeit etwa 4 Milliarden. Durch die hohen Zinsen kämen die Noten wieder an die Banken zurück. Soweit sie in den Händen der Sparer verblieben, müsse der Notenumlauf vermehrt werden, ohne aber die Gefahr der Inflation zu laufen, die nicht beabsichtigt sei.

Es müßten Unterlagen geschaffen werden, bei denen die Sparkassen Noten erhalten könnten. Die Reichsbank sträube sich, Sparkassenwechsel anzunehmen. Sie fürchtet Einfrieren der Forderungen. Soweit diese Erscheinung vorläge, müßten die Gemeinden die Sparkassen wieder liquide machen. In drei Tagen könnte das Sparwesen nicht in Ordnung gebracht werden. Bis Ende August müsse es aber möglich sein.

Der Präsident der Preußenkasse wünsche die sofortige Wiedereröffnung der Sparkassen. Diese sei aber wegen des Mangels an Banknoten nicht möglich. Für die Rückzahlung der Sparkonten müßten Mittel bereitgestellt werden, etwa 500 Millionen. Darüber müsse später gegebenenfalls mit dem Reichstag verhandelt werden unter gleichzeitiger Mitteilung, wie die Sparkasse umgestaltet werden soll.

Ministerialdirektor ErnstErnst trat für volle Öffnung auch der Sparkassen ein. Bei ratenweiser Freigabe würden die Raten abgezogen. Im Endeffekt würde es mehr sein als bei Freigabe abgehoben würde. Die Gelder der Sparkassen seien zu 40% in Hypotheken angelegt. Ein Leerbluten der Sparkassen wäre möglich. Es sei besser sie später aufzumachen und das Vertrauen durch Vollauszahlung wieder herzustellen. Der Zeitpunkt hänge von der Reichsbank ab.

Die Entscheidung über diese Frage soll am 31. getroffen werden.

[1466] Der Reichsminister der Finanzen berichtete über die Verhandlungen wegen der Orientbank. Ein Konsortium habe sich gebildet, dem die Dresdner Bank, die Danatbank, einige kleinere Banken und die Reichs-Kredit-Gesellschaft angehörten. Sie müßten eine Garantie für 40 Millionen Schulden stellen. Es sei anzunehmen, daß die Guthaben wieder hereinkämen. Die Banken hätten eine Rückgarantie des Reichs in Höhe von 20 Millionen gefordert. Er schlage vor, die Garantie auf 15 Millionen festzusetzen und sie unter der Voraussetzung zu geben, daß das Reich die Aufsicht über die Bank führe12.

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S. Dok. Nr. 405, Anm. 8.

Das Kabinett war damit einverstanden.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg sagte zu, die Devisenverordnung am 31. 7. vorzulegen.

Zur Frage der Paßverordnung13 führte der Reichskanzler aus, die Reichsregierung sei bereit, sie aufzuheben, wenn die Schweiz dem Stillhaltekonsortium der Banken beiträte. Die Schweiz habe ihre Forderungen abgezogen und drohe mit Kündigung des Handelsvertrages, lehne die Annahme der Reichsmark ab und bringe die deutsche Schiffahrt in Schwierigkeiten. Bei dieser Sachlage sei es nicht notwendig, die Entscheidung zu überstürzen. Die Schwierigkeiten in Deutschland müßten in den Nachbarstaaten Unzuträglichkeiten im Gefolge haben14.

13

VO des RPräs. über die Erhebung einer Gebühr für Auslandsreisen vom 18.7.31 (RGBl. I, S. 376 ).

14

Zu den Protesten der Nachbarländer Dtlds gegen die NotVO s. Dok. Nr. 402, Anm. 11. Das AA hatte abschriftlich der Rkei ein Schreiben des StS v. Bülow an den RFM vom 25.7.31 zugesandt, in dem Bülow auf die schwierige Lage der dt. Seebäder im Memelgebiet, die durch das Ausbleiben dt. Gäste entstanden sei, hinwies und um die Aufhebung der Ausreisegebühr für dt. Besucher bat (R 43 I /2372 , S. 51–53). In einer gemeinsamen Demarche bei MinDir. Köpke hatten der österr. Gesandte Frank, der tschechoslowakische Gesandte Chvalkovsky und der schweizerische Gesandte Rüfenacht am 29.7.31 erneut dargelegt, „zu welchen Schwierigkeiten, Schädigungen und Mißstimmungen das Ausreiseverbot in ihren Ländern geführt habe“. Auch der ital. Botschafter Orsini Baroni hatte gegenüber Köpke angefragt, ob die NotVO über die Ausreisegebühr Mitte August wieder aufgehoben werden könne (Abschrift einer Aufzeichnung des MinDir. Köpke vom 29.7.31, R 43 I /2372 , S. 207–213; Zitat S. 207). Der RVM hatte am 28.7.31 dem RFM mitgeteilt, durch die Ausreisegebühr sei der Luftverkehr von Dtld nach dem Ausland schwer betroffen, und hatte ihn um die Befreiung dt. Fluggäste von der Ausreisegebühr gebeten (Abschrift in R 43 I /2372 , S. 55–56).

Der Reichsminister der Finanzen fühlte sich dadurch beschwert, daß in der Tagespresse mitgeteilt werde, das Auswärtige Amt bemühe sich beim Reichsfinanzministerium um die Aufhebung der Paßverordnung. Er habe eine Berichtigung vorbereitet.

Der Reichsminister des Auswärtigen erklärte hierzu, die Notiz sei weder von ihm selbst noch vom Auswärtigen Amt ausgegangen. Daraufhin sah der Reichsminister der Finanzen von der Veröffentlichung der Berichtigung ab.

Die Verhandlungen sollen am 31. 7., nachmittags 4 Uhr, fortgesetzt werden15.

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S. Dok. Nr. 424.

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