1.20.4 (bru2p): 4. Beantwortung des Telegramms Marlio.

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4. Beantwortung des Telegramms Marlio.

Der Reichsminister des Auswärtigen nahm Bezug auf ein Telegramm des Botschafters von Hoesch aus Paris vom 17.3.1931 Nr. 280, in welchem von Hoesch über das Gespräch mit dem französischen Industriellen Marlio16 über etwaige Möglichkeiten der Beteiligung französischen Kapitals an deutschen kommunalen Elektrizitäts- und Wasserwerken berichtet17. Er bemerkte hierzu,[995] daß die Beantwortung dieses Telegramms in einer Ressortbesprechung vorerörtert worden sei18. Auf Grund dieser Ressortbesprechung habe Reichsbankpräsident Dr. Luther die Bitte geäußert, dem Reichskabinett seine Meinung zur Sache vortragen zu können.

16

Louis Marlio, Generaldirektor der Péchiney Compagnie de Produits chimiques et électro-métallurgiques.

17

Hoesch hatte in diesem Telegramm berichtet, daß Marlio und verschiedene andere frz. Industrielle an den Überlegungen dt. Städte zur Minderung der Finanznot ihre Elektrizitäts- und Wasserwerke an ausländische Kapitalgruppen zu verkaufen oder zu vermieten, interessiert seien. Marlio habe den Wunsch hervorgehoben, Dtld.in seiner schwierigen Lage in einer praktisch durchführbaren Form zu helfen. Hoesch hatte „in sehr ernster Weise“ die Bedenken geltend gemacht, „die vom allgemein-politischen Standpunkt gegen das Eindringen fremder Gelder und damit ausländischer Einflüsse in das wesentlichste Eigentum deutscher Städte beständen“. Marlio habe darauf erwidert, das ausländische Kapital könne sich mit einer Minorität von 30% Anteil an kommunalen Werken begnügen. Bei einem Engagement frz. Industrieller in den dt. Versorgungswerken seien die frz. Banken auch bereit, den dt. Städten Anleihen zu gewähren (Hoeschs Telegramm Nr. 280 vom 17.3.31 in R 43 I /659 , Bl. 96–98).

18

In der Ressortbesprechung im AA am 20.3.31 war beschlossen worden, daß Hoesch aufgefordert werden solle, die Verhandlungen weiterzuführen. Er solle sich jedoch auf das rein finanzielle Gebiet beschränken (Vermerk des MinR Vogels vom 23.3.31, R 43 I /659 , Bl. 100–101).

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther führte hierzu aus, daß er der im Telegramm behandelten Angelegenheit eine große grundsätzliche Bedeutung beimesse. Er halte die Entscheidung über die dem deutschen Botschafter zu erteilende Antwort daher für überaus wichtig. Es handele sich nämlich nicht darum, ob eine einzelne Gemeinde möglicherweise dazu übergehe, einer ausländischen Finanzgruppe die Beteiligung an ihren kommunalen Werken einzuräumen, vielmehr darum, ob die Reichsregierung diese Form der Deckung des Finanzbedarfs deutscher Gemeinden ausdrücklich unterstützen wolle. Wenn nämlich eine Gemeinde mit Unterstützung der Reichsregierung zur Einräumung einer Beteiligung an ihren Werken komme, so werde diese Form der Finanzierung möglicherweise Schule machen. Daß aber ein Eindringen ausländischer Einflüsse in deutsche Kommunalbetriebe höchst bedenklich sei, liege auf der Hand. Die Beteiligung des Auslandes bleibe auch dann bedenklich, wenn es sich nur um eine Minderheitsbeteiligung handeln sollte. Nach allen Erfahrungen seien auch Minderheitsvertretungen sehr unbequem. Im Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn, in dem es vor dem Youngplan bekanntlich nur eine Minderheit von ausländischen Mitgliedern gegeben habe19, habe er die Erfahrung gemacht, daß praktisch nichts ohne oder gegen den Willen der ausländischen Minderheitsvertreter habe geschehen können20. In kritischen Zeiten sei man eben auf die Meinung des Auslandes angewiesen und von ihm abhängig. In dem Vorschlage des Franzosen Marlio verrate sich ein System. Er habe bereits seit einiger Zeit die Beobachtung gemacht, daß man planmäßig darauf ausgehe, deutsche Werke in Form der Beteiligung an deutschen kommunalen Werken in die Hand zu bekommen. Nach seiner Meinung sei die Stunde noch nicht da, die Unabhängigkeit der kommunalen Werke aus der Hand zu geben. Wenn das Ausland deutsche kommunale Werke finanzieren wolle, so müsse dies in Form der Übernahme von Kommunalobligationen oder -anleihen geschehen. Er habe also stärkste Bedenken, Herrn von Hoesch eine generelle Instruktion für die Fortsetzung von Verhandlungen der von Marlio angeregten Art zu erteilen.

19

Vgl. dazu § 11 der RB-Gesellschaftssatzung vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 283 ).

20

Vgl. zu Luthers Tätigkeit im Verwaltungsrat: Luther, Vor dem Abgrund, S. 29–32.

Der Reichsminister des Auswärtigen erwiderte, daß er die Bedenken des Reichsbankpräsidenten nicht so stark sehe wie dieser. Deutschland habe sich jahrelang bemüht, französisches Kapital für die deutsche Wirtschaft heranzuziehen. Es gehe wohl nicht gut an, bei der ersten Gelegenheit, wo die Verwirklichung des Zieles nahe scheine, sich ablehnend zu verhalten21.

21

Dieses Argument war bereits von den Vertretern des AA, des RWiMin. und des RFMin. in der Ressortbesprechung vom 20. 3. vorgebracht worden (R 43 I /659 , Bl. 101).

[996] Der Reichskanzler erklärte, daß er für seine Person den Standpunkt des Reichsbankpräsidenten teile. Nach seiner Meinung müsse man von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden, ob die Beteiligung französischen Kapitals gutgeheißen werden könne oder nicht.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther erläuterte seinen Standpunkt weiter dahin, daß jeweils im Einzelfalle geprüft werden müsse, ob der Druck der Finanznot so groß sei, daß man auf eine Beteiligung französischen Kapitals eingehen müsse. Man dürfe Herrn von Hoesch aber nicht allgemein sagen, daß die Reichsregierung eine derartige Art der Finanzierung unterstütze und billige. Vielmehr müsse die amtliche Haltung in jedem Fall erkennen lassen, daß ihr die Billigung einer derartigen Finanzierung schwergefallen sei. Der natürliche Weg der Heranziehung von ausländischem Kapital müsse die Kommunalobligation bleiben.

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer stimmte diesen Darlegungen des Reichsbankpräsidenten ausdrücklich zu.

Zusammenfassend stellte der Reichskanzler die Zustimmung des Reichskabinetts zu den Darlegungen des Reichsbankpräsidenten fest und daß die Instruktion an den Botschafter von Hoesch entsprechend formuliert werden soll22.

22

Diese Instruktion befindet sich nicht in den Akten der Rkei.

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