1.212.1 (bru2p): [Änderung der Notverordnung vom 5. Juni 1931]

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[Änderung der Notverordnung vom 5. Juni 1931]

Am Montag, dem 7. September mittags 12 Uhr, empfing der Herr Reichskanzler in Gegenwart der Reichsminister Dietrich und Stegerwald die Abgeordneten der SPD, Hilferding, Hertz, Aufhäuser, Wels und Roßmann. Ferner waren anwesend Staatssekretär Dr. Pünder, Ministerialrat Beisiegel vom Reichsarbeitsministerium, und der Unterzeichnete.

Zur Beratung stand die Frage der Änderung der Notverordnung vom 5. Juni d. Js. Die Besprechung knüpfte an die den gleichen Beratungsgegenstand behandelnde Aussprache vom 1. September an1.

1

S. Dok. Nr. 460.

Die Vertreter der SPD erklärten, daß sie ihre früheren Vorschläge sehr wesentlich gemildert hätten. Sie legten neue Vorschläge vor. Diese besagen folgendes:

A) Änderungen von materieller Bedeutung.

1. Wiederherstellung von § 87 Abs. 2 AVAG. Betrifft Altersgrenze für Jugendliche 16 Jahre. Finanzielle Auswirkung 25 Millionen2.

2

Durch die NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 1, Nr. 3 war die Altersgrenze für die Versicherungspflicht von Jugendlichen von 16 Jahre auf 21 Jahre erhöht worden (RGBl. 1931 I, S. 293 ).

2. § 105 Abs. 2 AVAG soll geändert werden in der Weise, daß die Berechnungsdauer für das Arbeitsentgelt 26 statt 13 Wochen beträgt. Ferner soll[1661] der Satz, wonach bei Kurzarbeitern ein Arbeitsentgelt für höchstens 40 Arbeitsstunden zugrundegelegt wird, gestrichen werden3.

3

S. die NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 1, Nr. 12 (RGBl. 1931 I, S. 294 ).

3. Betrifft § 107 a AVAG. Die geringeren Unterstützungssätze der Krisenfürsorge sollen bei Saisonarbeitern nur während der Dauer der berufsüblichen Arbeitslosigkeit, also nicht für das ganze Jahr gelten4. Finanzielle Auswirkung 25 Millionen.

4

Vgl. NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 1, Nr. 14 (RGBl. 1931 I, S. 294 ).

4. Betrifft Artikel 9 Abs. 2 AVAG. Ausdehnung der Übergangszeit für die Neuregelung der Heimarbeiter auf ein Jahr5. Finanzielle Auswirkung 5 Millionen.

5

NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 9 Abs. 2 (RGBl. 1931 I, S. 297 ).

B) Änderungen von moralischer Bedeutung.

1. Betrifft § 93 c AVAG Aufhebung der verschärften Vorschriften über Sperrfristen6.

6

NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 1, Nr. 7 (RGBl. 1931 I, S. 293 ).

2. Beseitigung der Rückerstattungspflicht in der Krisenfürsorge7.

7

NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 1, Nr. 11 (RGBl. 1931 I, S. 293 ).

3. Der neue § 175 b Abs. 4 AVAG soll gestrichen werden. Betrifft unmittelbare Auszahlung der Unterstützung an den Hauswirt8.

8

NotVO vom 5.6.31, 3. Teil, Kapitel I, Artikel 1, Nr. 28 (RGBl. 1931 I, S. 296 ).

Die Aussprache über diese Punkte hatte folgendes Ergebnis:

Zu A 1) Wenn die SPD Wert darauf legt, soll die Auslegung, die die Praxis dieser Vorschrift gegeben hat, in dem Wortlaut des Gesetzes verankert werden. Herr Aufhäuser wird sich mit Ministerialrat Beisiegel noch einmal in Verbindung setzen. Min.Rat Beisiegel hatte erklärt, daß die Praxis, wonach als Unterhaltsanspruch im Sinne des Gesetzes nur der tatsächlich realisierbare Unterhaltsanspruch angenommen wird, für die Jugendlichen im Erfolg günstiger ist als eine Neufassung des Gesetzes, die vielleicht enger ausfallen muß.

Zu A 2) Es wurde zugesagt, daß die Berechnungsdauer für das Arbeitsentgelt 26 Wochen betragen solle.

Bezüglich des Streichungswunsches soll versucht werden, eine Fassung zu finden, bei der einerseits eine Angleichung der Unterstützungshöhe an den zuletzt bezogenen Lohn, wenn möglich, erhalten bleibt, andererseits verhindert wird, daß Arbeitnehmer sich einer Arbeitsstreckung widersetzen, weil sie eine verkürzte Unterstützung befürchten müssen. Die Fassung soll zwischen Herrn Aufhäuser einerseits und Vertretern des Reichsarbeitsministeriums andererseits besprochen werden. Beteiligt Arbeitsrechtsabteilung und Arbeitsmarktabteilung.

Zu A 3) Die Erfüllung dieses Wunsches wurde vom Herrn Reichskanzler zugesagt. Die Zusage hat nur Bedeutung, wenn nicht allgemein die Krisensätze eingeführt werden. Das Reichsarbeitsministerium beabsichtigt, in der neuen Notverordnung die Krisensätze allgemein einzuführen.

Zu A 4) Die Übergangszeit soll bis zum 31. März 1932 verlängert werden.

Zu B 1) Es soll versucht werden, die Voraussetzungen einer Sperre konkreter zu umschreiben, als dies in der Notverordnung geschehen ist.

[1662] Zu B 2) Die Erfüllung des Wunsches wurde zugesagt. In der neuen Reichsarbeitslosenhilfe bleibt die Rückerstattungspflicht weg.

Zu B 3) Die Erfüllung wurde zugesagt9.

9

Zur Neuregelung einzelner AVAVG-Vorschriften s. Dok. Nr. 498, P. 2.

Der Abgeordnete RoßmannRoßmann trug eine Reihe von Wünschen, betr. die Kriegsbeschädigtenfürsorge, vor. Er stellte die schriftliche Einreichung formulierter Wünsche in Aussicht.

Zusagen wegen der Erfüllbarkeit der vorgetragenen Wünsche wurden nicht gemacht. Die Vertreter der Reichsregierung machten die Erfüllung der Wünsche von einer zuvorigen Berechnung der finanziellen Auswirkung abhängig.

Die Wünsche betreffen:

1. Beseitigung der Anrechnung der Arbeitslosenunterstützungssätze auf die Kriegsbeschädigtenrente10.

10

S. § 112 a Abs. 1 Nr. 2 AVAVG in der Fassung vom 12.10.29 (RGBl. I, S. 178 ).

2. Gleiche Behandlung der Kriegsbeschädigten mit den Beamten hinsichtlich der sozialen Zulagen (bei den Kriegsbeschädigten werden jetzt geringere Kinderzuschläge gewährt11).

11

Vgl. NotVO vom 5.6.31, 2. Teil, Kapitel IV, Nr. 9c (RGBl. 1931 I, S. 286 ).

3. Die Vorschriften über das Ruhen von Renten gemäß § 62 sollen bezüglich der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst gemildert werden12. Die Vorschriften über die sogenannte Kannversorgung sollen überprüft werden.

12

S. NotVO vom 5.6.31, 2. Teil, Kapitel IV, Nr. 20 (RGBl. 1931I, S. 287 ).

Vogels

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