1.222.1 (bru2p): Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten über Bestellung eines Kuratoriums und eines Reichskommissars für das Bankgewerbe.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten über Bestellung eines Kuratoriums und eines Reichskommissars für das Bankgewerbe.

In Abwesenheit des Reichskanzlers eröffnete und leitete der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Finanzen die Sitzung1. Er erläuterte eingehend den beiliegenden Entwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten über die Bestellung eines Kuratoriums und eines Reichskommissars für das Bankgewerbe2.

1

Dieses Dok. ist gedruckt bei Born, Die dt. Bankenkrise, S. 243–246.

2

Vgl. Dok. Nr. 469, P. 3 und Dok. Nr. 472, P. 2.

Reichsminister a. D. Dr. DernburgDernburg führte aus, daß er den Weg, der in dem Entwurf beschritten werde, für möglich halte. Der Bankkommissar werde im übrigen seine Arbeit nicht allein leisten können, sondern Hilfsbeamte haben müssen. Grundsätzliche Verbesserungen werde man an der Verordnung erst dann vornehmen können, wenn die Praxis die Notwendigkeit ergeben habe.

Im übrigen wolle er darauf hinweisen, daß bei den Banken die Bilanzierung für den 31. Dezember d. Js. die größten Schwierkgkeiten machen werde. Die Reichsregierung werde dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers erwiderte, daß diese Frage zur Zeit in den Ressorts geprüft werde.

Reichsminister a. D. Dr. HilferdingHilferding erklärte, sich grundsätzlich den Ausführungen des Reichsministers a. D. Dr. Dernburg anschließen zu können. Die Aufstellung eines Entwurfs zur Regelung der Bankenaufsicht sei natürlich schwierig, weil in Deutschland praktische Erfahrungen auf diesem Gebiete noch fehlten. Im einzelnen habe er an dem Entwurf folgendes auszusetzen:

Die Stellung der Reichsbank in dem Kuratorium für das Bankgewerbe sei zu stark, weil außer dem Reichsbankpräsidenten noch ein von ihm zu bestellendes Mitglied des Reichsbankdirektoriums dem Kuratorium angehören solle3. Für notwendig halte er die Anfertigung eines gewissen Zuständigkeitskatalogs für den Reichskommissar für das Bankgewerbe. Ferner halte er die Einführung eines beratenden Organs für den Bankkommissar als Beirat für notwendig, in dem auch die Wirtschaftskreise Vertreter haben sollten. Schließlich[1698] könne er nicht einsehen, weshalb Zustimmung des Kuratoriums für das Bankgewerbe notwendig sei, wenn der Reichskommissar seine Befugnisse einer anderen Stelle als einer Reichsbankanstalt oder einem Beamten der Reichsbank übertragen wolle (§ 3, Absatz 3 des Entwurfs). Für notwendig halte er noch einschränkende Bestimmungen über das Depot- und Mehrstimmrecht der Aktien. Derartige Bestimmungen würden jedoch am besten in der Verordnung über das Aktienrecht getroffen.

3

Vgl. § 1 Absatz 2 des Entw. (R 43 I /647 , Bl. 231).

Bankdirektor ReinhartReinhart führte aus, daß die Verantwortlichkeit des Reichskommissars für das Bankgewerbe nach dem Entwurf zu groß sei. Er bemängelte ferner, daß die Privatbanken nach dem Entwurf von der Aufsicht des Reichskommissars frei blieben.

Der Reichsbankpräsident erklärte, daß die Zusammensetzung des Kuratoriums für das Bankgewerbe richtig sei. Auch dann, wenn die deutsche Reichsbank eine Individualverfassung hätte, müßte der Reichsbankpräsident ein Mitglied des Reichsbankdirektoriums in das Kuratorium entsenden können. Grundsätzlich sei er der Auffassung, daß der Reichskommissar für das Bankgewerbe möglichst beschränkte Aufgaben erhalten solle. Deshalb dürften die Privatbanken seiner Aufsicht nicht unterstehen.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers führte aus, daß der Reichskanzler die Absicht habe, das heute versammelte Kollegium stillschweigend als Beirat zu behalten. Die ausdrückliche Bestellung eines Beirats halte er nicht für zweckmäßig. Auch er sei der Auffassung, daß der Reichskommissar für das Bankgewerbe durch Beamte unterstützt werden müsse. Geeignete Beamte würden in den Reichsministerien zur Verfügung stehen.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg führte aus, daß die Frage der Bilanzierung der Banken zum 31. Dezember d. Js. von der Reichsregierung mit den Banken eingehend besprochen werden müsse. Im übrigen betonte er, daß bei der Verordnung über Bankaufsicht die praktische Handhabung der Befugnisse des Reichskommissars für das Bankgewerbe entscheidend sein werde.

Der Reichsbankpräsident führte aus, daß der Reichskommissar für das Bankgewerbe im § 3, Absatz 1 zu weitgehende Befugnisse erhalte4. Er schlug vor, die Fassung am Schlusse des § 3, Absatz 1 „auf ein den Interessen der deutschen Gesamtwirtschaft entsprechendes Geschäftsgebaren des Bankgewerbes hinzuwirken“ durch folgende Fassung zu ersetzen: „solche Maßnahmen des Bankgewerbes zu fördern, die durch die deutschen, gesamtwirtschaftlichen Interessen geboten sind“.

4

§ 3 Absatz 1 des Entw. lautete: „Der Reichskommissar für das Bankgewerbe hat sich über die Lage des deutschen Bankgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft, insbesondere ihre Beziehungen zum Ausland, fortdauernd zu unterrichten und auf ein den Interessen der deutschen Gesamtwirtschaft entsprechendes Geschäftsgebaren des Bankgewerbes hinzuwirken“ (R 43 I /647 , Bl. 231).

Im § 6 Absatz 2 schlug der Reichsbankpräsident folgende Neufassung vor: „Der Reichskommissar ist auch befugt, dem Kuratorium für das Bankgewerbe Vorschläge über Grundsätze allgemeiner Art für die Geschäftsführung der Banken zu machen.“

[1699] Bankdirektor PferdmengesPferdmenges erklärte es als richtig, daß im Kuratorium für das Bankgewerbe zwei Herren der Reichsbank Sitz und Stimme hätten. Er betonte im übrigen, daß den Bankdirektoren die Verantwortung für die Geschäfte durch die Verordnung nicht abgenommen werden dürfe. Die Einführung eines besonderen Beirats bezeichnete er als unzweckmäßig. In dem Beirat würden die politischen Richtungen stark zum Ausdruck kommen; sachliche Arbeit würde in den Hintergrund treten. Das unbedingt notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Reichsregierung und Banken würde nicht möglich sein, wenn ein besonderer Beirat gebildet werde.

Reichsminister a. D. Dr. DernburgDernburg bezeichnete es als richtig, daß der Entwurf dem Reichskommissar starke Vollmachten gebe. Die Öffentlichkeit werde das auch verlangen. Er äußerte Bedenken gegen die Fassung des § 3, Absatz 2, Satz 1 am Ende, wonach der Reichskommissar für das Bankgewerbe jederzeit befugt ist zu verlangen, daß die Bank sich der Nachprüfung durch eine von ihm bestimmte Treuhandstelle unterzieht. Er schlug vor, folgende Fassung zu wählen „in geeigneten Fällen eine Nachprüfung zu veranlassen“. Sodann bat er um Mitteilung näherer Einzelheiten über die Bestimmungen betr. Pflichtrevision der Banken im Verordnungsentwurf über Aktienrecht5.

5

Der NotVOEntw. über Aktiengesellschaften, die StS Joël der Rkei am 17.7.31 zugeleitet hatte, führte im § 120 als Neuerung den sachverständigen Bilanzprüfer für Aktiengesellschaften ein (R 43 I /1082 , Bl. 4–88, hier Bl. 44). Dieser Paragraph wurde in die NotVO über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19.9.31, 1. Teil, Artikel VI (RGBl. I, S. 498 ) übernommen.

Staatssekretär Dr. JoëlJoël berichtete eingehend über die Pflichtrevisionsvorschriften in dem Entwurf einer Verordnung über das Aktienrecht.

Dr. HackelsbergerHackelsberger betonte, daß die Einführung der Pflichtrevision bei der Aktienrechtsreform notwendig sei. Eine ad hoc-Revision in der Bankaufsicht-Verordnung halte er jedoch für falsch6. Die Fassung des § 3 müsse so gebildet werden, daß nur unter bestimmten Voraussetzungen Revisionen möglich seien, anderenfalls werde der Kredit der Bank sehr leiden, bei der der Reichskommissar eine Revision anordne.

6

§ 3 Absatz 2 P. 5 des VOEntw. ermächtigte den Rkom. „zu verlangen, daß eine Bank sich der Nachprüfung durch eine von ihm zu bestimmende Treuhandstelle unterzieht“ (R 43 I /647 , Bl. 232).

Die nach dem Entwurf vorliegende Schonung der Privatbankiers halte er für richtig, da für diese eine betonte Staatsgarantie nicht bestehe. Eine Katalogisierung der Befugnisse des Reichskommissars für das Bankgewerbe sei nicht notwendig.

Auf Vorschlag des Stellvertreters des Reichskanzlers wurden sodann die einzelnen Paragraphen in dem beiliegenden Entwurf nochmals eingehend durchgesprochen. Mit Zustimmung der Anwesenden erhielten die Paragraphen die aus der Anlage ersichtliche Fassung. Der Stellvertreter des Reichskanzlers stellte nochmals ausdrücklich fest, daß die Vorschriften des Reichsbankgesetzes unberührt bleiben sollten, wie im § 10, Absatz 1 vorgesehen ist7.

7

Zur weiteren Beratung des VOEntw. s. Dok. Nr. 476, P. 4.

Extras (Fußzeile):