1.249.2 (bru2p): 2. Fortsetzung der Beratung des Reichskabinetts über den Entwurf der 3. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.

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2. Fortsetzung der Beratung des Reichskabinetts über den Entwurf der 3. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.

Umschuldung der Hauszinssteuer.

Der Reichsminister der Finanzen trug den in der Sitzung zur Verteilung gelangenden Entwurf des Kapitels betreffend Umschuldung kurzfristiger Schulden von Ländern und Gemeinden vor1.

1

Der Entw. ist eingearbeitet in das Manuskript der 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen (R 43 I /2374 , S. 555–677, hier S. 616–617); vgl. auch Anm. 4.

Der Reichskanzler gab Kenntnis von dem Inhalt eines unmittelbar vorher eingegangenen Briefes des Bayerischen Gesandten zur Sache2.

2

Der Bayer. Gesandte v. Preger hatte in diesem Schreiben vom 1.10.31 gegen die Absicht der RReg. Einspruch erhoben, die Hauszinssteuer teilweise für die Umschuldung der Gemeinden zu verwenden. Preger hatte betont, daß Bayern mit den Erträgen aus der Hauszinssteuer den Finanzbedarf des Landes mit abdecken müsse und daß nur noch 1 Mio RM für den Wohnungsbau verwendet würde (R 43 I /2351 , Bl. 261–262).

Staatssekretär Dr. SchäfferSchäffer erläuterte die Einzelheiten des vorgelegten Entwurfs.

Ministerialdirektor Dr. ZardenZarden führte aus, daß die bayerischen Wünsche in dem Entwurf bereits weitgehend berücksichtigt seien. Er verwies im übrigen auf die Vorlage des Reichsfinanzministeriums vom 23. September […] betreffend anderweite Regelung Geldwertungsausgleichs bei bebauten Grundstücken3 und die nachgereichten Änderungen zu dieser Vorlage betreffend § 1, Absatz 4 und 54.

3

S. Dok. Nr. 493, Anm. 15.

4

§ 1 Absatz 4 verpflichtete die Länder, einen Teil des Aufkommens der Hauszinssteuer für Siedlungszwecke zur Verfügung zu stellen. Absatz 5 ermächtigte die Landesregg. zu bestimmen, in welcher Weise die Auswirkungen der Steuersenkung für hilfsbedürftige Mieter unter Mitwirkung der Fürsorgeverbände auszugleichen seien (R 43 I /2374 , S. 616).

Der Reichsarbeitsminister trug demgegenüber die in seinen Vorlagen vom 29. September […] niedergelegte Stellungnahme vor5. Er begründete ferner[1779] seinen in der Sitzung verteilten Änderungsantrag zu § 1, Absatz 4, 5 der Vorlage des Reichsfinanzministers.

5

In der ersten Vorlage hatte sich der RArbM gegen die Ausführungen des RbkPräs. in der Ministerbesprechung vom 29.9.31 (Dok. Nr. 493) gewandt, 450 Mio RM aus dem Hauszinssteueraufkommen für die Umschuldung kurzfristiger Schulden der Gemeinden zu verwenden. Statt dessen hatte der RArbM eine Entlastung der Gemeinden bei den 1 b-Hypotheken in den Fällen vorzunehmen, wo die Neubaumieten besonders hoch lägen. Eine Entlastung sei deshalb erforderlich, weil bei Zahlungsunfähigkeit der Mieter ein großer Teil des Neuhausbesitzes zusammenbrechen würde und die Gemeinden dann aus ihren 1 b-Verpflichtungen vor allem bei Bürgschaften in Anspruch genommen würden (R 43 I /2374 , S. 203–206). In der zweiten Vorlage hatte der RArbM Bedenken gegen eine schematische Senkung der Hauszinssteuer erhoben und an einzelnen Bestimmungen des Entw. Kritik geübt (R 43 I /2351 , Bl. 256–257).

Staatsminister HöpkerHöpker Aschoff erklärte, daß er mit der vorgeschlagenen Regelung der Umschuldung grundsätzlich einverstanden sei und sich der Durchführung der Pläne der Reichsregierung nicht hinderlich in den Weg stellen wolle. Er glaube aber verpflichtet zu sein, ganz besonders darauf hinzuweisen, welche Folgen es habe, daß wesentliche Teile des Aufkommens der Hauszinssteuer für Zwecke der Umschuldung in Anspruch genommen werden, zum Nachteil der bisherigen Verwendungszwecke, die nunmehr notleidend würden. Er berechnete, daß nach Vornahme der vom Reichsminister der Finanzen vorgeschlagenen Senkung um 25 v.H. für Preußen noch ein Restaufkommen von 550 Millionen bei der Hauszinssteuer verbleiben werde. Mit diesen 550 Millionen könne Preußen unmöglich die mit Mitteln der Hauszinssteuer zu deckenden Aufgaben erfüllen, zumal wenn weitere 12% für die Umschuldung abgezweigt würden6.

6

Der Bayer. MinPräs. Held hatte dagegen mit Schreiben vom 28.9.31 an den RK „mit allem Nachdruck“ Einspruch gegen die beabsichtigte Senkung der Mietzinssteuer eingelegt und vorgeschlagen, die Herabsetzung „trotz des odiosen Charakters dieser Steuer bis zu einer grundsätzlichen Änderung des Finanzausgleichs hinauszuschieben“ (R 43 I /2351 , Bl. 248–249), Zitate Bl. 249. Vgl. auch Anm. 2).

Ministerialdirektor Dr. ZardenZarden machte demgegenüber Ausführungen nach der Richtung, daß man im kommenden Jahre wahrscheinlich die Sperre für eine weitere Anspannung der Realsteuern nicht werde durchhalten können, daß vielmehr eine Lockerung dieser Sperre eintreten müsse, vor allen Dingen überall da, wo das Niveau der Realsteuerbelastung der Vergangenheit das erträgliche Maß nicht überstiegen habe7.

7

Vgl. hierzu den 4. Teil, Kapitel I § 3 der NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1.12.30 (RGBl. I, S. 582 ).

Auch diesen Plänen gegenüber äußerte Staatsminister HöpkerHöpker Aschoff Bedenken.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther wies auf die besondere Eilbedürftigkeit einer abschließenden Regelung in der Umschuldungsfrage hin. Er glaubte sich davon eine Beruhigung in der Stimmung der Sparkassengläubiger versprechen zu können, die durch fortgesetzte Abhebungen ihrer Sparkonten eine bedrohliche Lage für die Reichsbank schüfen.

Der Reichsminister der Finanzen machte sodann erneut den Vorschlag, die Hauszinssteuer um 25 v.H. abzusenken.

Das Kabinett erteilte der Vorlage über die Umschuldung und der damit verbundenen Festlegung von 12 v.H. des Hauszinssteueraufkommens für Zwecke der Umschuldung eine grundsätzliche Zustimmung.

[1780] Ferner erklärte sich das Reichskabinett auf Vorschlag des Reichskanzlers mit einer 20%igen allgemeinen Senkung der Hauszinssteuer einverstanden8. Durch diese 20%ige Senkung sollen alle Ansprüche der Grundstückseigentümer aus der erhöhten Hypothekenbelastung usw. als abgegolten gelten. Die Entscheidung über alle übrigen Fragen und insbesondere über die zukünftige Gestaltung der Hauszinssteuer bleibt vorzubehalten9.

8

Dies entsprach dem Vorschlag des RArbMin seiner Vorlage vom 29.9.31 (Anm. 5).

9

S. dazu Dok. Nr. 508.

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