1.4.1 (bru2p): Abstimmungsfeiern in Oberschlesien.

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Abstimmungsfeiern in Oberschlesien1.

1

Am 22.3.31 sollte in Beuthen eine offizielle Feier zum Gedenken an den 10. Jahrestag der Abstimmung über den Verbleib Oberschlesiens im Dt. Reich (vgl. dazu Schultheß 1921 II, S. 281) stattfinden.

Der Reichsminister des Innern führte einleitend aus, daß bekanntgeworden sei, daß der Verband der Alldeutschen und ebenso die Deutschnationalen am Tage vor der in Beuthen stattfindenden Abstimmungsfeier ebenfalls Feiern veranstalten werden, zu denen u. a. auch Fürst Starhemberg2 aus Wien kommen werde, und stellte die Frage, ob sich daraus nicht Komplikationen für die von der Stadt und den Staatsbehörden veranstaltete amtliche Feier ergeben würden.

2

Rüdiger Fürst v. Starhemberg, erster Bundesführer der österr. Heimwehren.

Oberpräsident LukaschekLukaschek erwiderte, daß die Teilnahme des Fürsten Starhemberg beabsichtigt sei, daß er sich aber mit dem oberschlesischen Hochadel in Verbindung gesetzt habe, um durch diesen den Fürsten Starhemberg zu bewegen, überhaupt fernzubleiben. Eine direkte Einwirkung der Regierung oder durch die Österreichische Regierung auf Fürst Starhemberg halte er für untunlich, denn er möchte eine brüske Ablehnung des Fürsten Starhemberg unter allen Umständen vermeiden. Nach seiner Auffassung gehöre Fürst Starhemberg zu der am Annaberg geplanten Feier und nicht nach Gleiwitz. Sollte der von ihm geplante Schritt erfolglos bleiben, dann würde er Oberregierungsrat Graf Matuschka direkt zu dem Fürsten senden. Für die Möglichkeit eines provozierenden Auftretens des Alldeutschen Verbandes glaube er genügend polizeiliche Mittel zur Verfügung zu haben. Er halte die staatliche Feier in Beuthen durch die Veranstaltungen des Verbandes in Gleiwitz für nicht gefährdet. Er habe sich mit dem Vorstand der Deutschnationalen Partei in Oberschlesien in Verbindung gesetzt, und dieser habe ihm erklärt, daß Hugenberg in Gleiwitz in einer nicht öffentlichen Versammlung das Hauptreferat halten werde3.

3

Über die Abstimmungsfeier in Gleiwitz war nichts Näheres zu ermitteln. Die DAZ Nr. 131–132 vom 24.3.31 berichtete lediglich, daß die Farben Schwarz-Weiß-Rot „überaus zahlreich“ vertreten waren.

Der Preußische Minister des Innern fragte, ob der Herr Reichskanzler oder Herr Reichsminister Wirth an der Feier in Beuthen teilnehmen werde.

[930] Auf die Frage des Reichskanzlers an den Oberpräsidenten LukaschekLukaschek, ob dieser seine Anwesenheit in Beuthen für notwendig halte, erwiderte dieser, daß er den Herrn Reichskanzler dringend bitte, persönlich zu erscheinen4. Alle politischen Symptome sprächen für eine Anwesenheit des Herrn Reichskanzlers. Er würde es aus politischen Gründen außerordentlich begrüßen, wenn der Herr Reichskanzler erschiene, und er übernehme die volle Verantwortung, daß Übergriffe seitens der reaktionären Verbände nicht erfolgen. Er bäte, daß die Ehrenkompanie der 63er nach Beuthen komme, möglichst unter Führung eines höheren Offiziers, er denke dabei an General v. Stülpnagel. Schulkinder und Vereine würden Spalier bilden. Durch die Anwesenheit der Traditionskompanie würde die Straße freigehalten werden. Die Feier im Stadion würde etwa eine Stunde dauern, Beginn wahrscheinlich um 3 oder 4 Uhr, anschließend daran eine Festvorstellung im Beuthener Landestheater. Es wäre dann gut, wenn der Herr Reichskanzler das Industriegebiet verlassen würde und den Abend bei ihm im kleinen Kreise, etwa 16 Personen, in Oppeln zubrächte. Die Abreise könnte dann mit dem Abendzug von Oppeln erfolgen.

4

Der RK war in einem Schreiben des Vorsitzenden der Vereinigten Verbände Heimattreuer Oberschlesier, OB Kaschny, vom 21.1.31 zur Feier in Beuthen eingeladen worden (R 43 I /369 , Bl. 244–246).

Der Reichskanzler richtete daraufhin zunächst an Minister Severing die Frage, ob die Preußische Staatsregierung auf seine Anwesenheit in Beuthen Wert lege.

Der Preuß. Minister des Innern erwiderte, daß Preußen in seiner letzten Staatsministerialsitzung beschlossen hätte, daß, wenn der Herr Reichskanzler an der Feier teilnehme, auch ein preußischer Minister sich beteiligen werde. Da der Herr Reichskanzler gewisse Bedenken wegen der von ihm zu haltenden Rede habe, glaube er doch raten zu müssen, daß der Herr Reichskanzler von seiner persönlichen Beteiligung Abstand nehme und besser einen Minister des Reichs abordne. Als Gründe führte er hauptsächlich an, er könne nicht mit Claß, Hugenberg und Kleiner5 fast zu gleicher Zeit über Oberschlesien sprechen. Aus außenpolitischen Gründen möchte er von der Reise des Herrn Reichskanzlers abraten.

5

Dr. Fritz Kleiner, MdR (DNVP). Zwischen dem RK und Kleiner war es im Februar 1931 im RT wegen der Ostreise des RK zu einer Kontroverse gekommen: s. RT-Bd. 444, S. 703 –707; S. 751–752.

Oberbürgermeister KaschnyKaschny aus Ratibor bat dagegen den Herrn Reichskanzler dringend, nach Oberschlesien persönlich zu kommen, da seit einem halben Jahre davon gesprochen werde. Die Bedenken des Ministers Severing könne er nicht teilen, um so weniger, als die Veranstaltungen in Gleiwitz früher stattfänden als die in Beuthen, so daß eine Bezugnahme auf die Rede des Herrn Reichskanzlers durch die Herren von der Gegenseite nicht erfolgen könne.

Staatssekretär WeismannWeismann betonte, daß der Herr Preußische Ministerpräsident auf dem gleichen Standpunkt wie Minister Severing stehe. Er sei der Auffassung, daß es genüge, wenn der Oberpräsident spreche und dieser nur mit der Vertretung der Reichsregierung beauftragt werde. In früheren Fällen habe[931] man sich mit einem Minister begnügt, jetzt verlange man sogar den Reichskanzler oder den Preuß. Ministerpräsidenten. Das ginge etwas zu weit.

Der Reichsminister des Auswärtigen bat den Herrn Reichskanzler aus außenpolitischen Gründen, selbst nach Beuthen zu fahren und die Rede zu übernehmen. Wenn der Herr Reichskanzler von der blutenden Grenze und von der Abschnürung Oberschlesiens in kurzen Worten, aber eindringlich sprechen würde, dann würde das auf das Ausland sicherlich wirken. Außenpolitisch gesehen wäre der Herr Reichskanzler die legitimierteste Persönlichkeit.

Oberpräsident LukaschekLukaschek unterstützte diese Anregung des Reichsministers des Auswärtigen und bemerkte, daß er nicht so kurz sprechen könne wie der Herr Reichskanzler. Von ihm erwarte man längere Ausführungen, da er für die Abstimmung in Oberschlesien mitverantwortlich gewesen sei. Er müsse einige scharfe Worte gegen Polen richten, und dies würde, wenn der Herr Reichskanzler die Rede übernehme, vermieden werden.

Nach diesen Ausführungen erklärte sich der Reichskanzler zur Teilnahme an der Abstimmungsfeier bereit und erklärte, daß er damit rechne, daß auch ein Mitglied des Preußischen Kabinetts mitgehen werde6.

6

An der Feier in Beuthen nahm neben dem RK auch der PrIM teil. Bei seiner Ankunft in Beuthen wurde der RK vom Kommandeur der Oppelner Division, Generalleutnant v. Stülpnagel, begrüßt. In seiner Rede bekräftigte der RK die Rechtsverwahrung, die RK Wirth in der Note vom 27.10.21 gegen die von den Alliierten am 20.10.21 beschlossene Abtrennung eines Teils Oberschlesiens eingelegt hatte (vgl. Schultheß 1921 II, S. 294; über die Abstimmungsfeiern berichtete WTB Nr. 616 vom 22.3.31 in R 43 I /369 , Bl. 336–339).

Es wurde dann noch seitens des Reichsministers des Auswärtigen betont, daß, wenn durch die Veranstaltungen des Alldeutschen Verbandes Unruhen hervorgerufen und eintreten würden, gegen diese mit dem verfassungsmäßigen Recht eingeschritten werde.

Der Preuß. Minister des Innern betonte, er vermute, daß bei den Veranstaltungen am Sonnabend bestimmt organisierte Störungen vorkommen würden, und daß deshalb im Interesse der Autorität der Reichs- und Staatsregierung die Polizei etwa um eine Hundertschaft verstärkt werden müsse. Er werde das Erforderliche veranlassen.

Oberbürgermeister KaschnyKaschny sah nicht so schwarz und dankte dem Herrn Reichskanzler für seinen Entschluß, nach Oberschlesien zu kommen. Die Oberschlesier würden das wieder gutzumachen versuchen, was sie bei der Anwesenheit des Herrn Reichskanzlers im Januar versäumt hätten7.

7

Zu den Demonstrationen während der Ostreise gegen den RK vgl. Brüning, Memoiren, S. 242.

Bezüglich der Beflaggung bei den Veranstaltungen wurde vereinbart, daß die Reichs- und Staatsbehörden neben der schwarz-rot-goldenen Fahne – für die Reichsbehörden – auch schwarz-weiß – von den Staatsbehörden – geflaggt würde. Auf Anregung von Oberpräsident Lukaschek, auch die Kriegsflagge zeigen zu dürfen, hatte anfangs der Reichsminister des Auswärtigen Bedenken, die er aber später zurückstellte. Bei der Ausstattung des Stadions wolle man nicht verhindern, daß auch schwarz-weiß-rot gezeigt werde.

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