1.55.1 (bru2p): Vorbereitung einer neuen Notverordnung.

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Vorbereitung einer neuen Notverordnung.

I. Zunächst wurde die Frage erörtert, ob in der Notverordnung besondere Bestimmungen zur Regelung der Arbeitszeit aufgenommen werden sollen.

Der Reichsarbeitsminister unterschied vier verschiedene Möglichkeiten:

a)

Man sieht von besonderen Bestimmungen ab und überläßt es den Schlichtern, bei der Regelung von Lohnkonflikten etwa erforderlich erscheinende tarifliche Abmachungen zu treffen.

b)

[1115]Man geht auf den Vorschlag der Freien Gewerkschaften ein und führt grundsätzlich die gesetzliche 40-Stunden-Arbeitswoche ein1. Ausnahmen soll die zuständige Gewerbeaufsichtsbehörde zulassen können. Die Beweislast für die Notwendigkeit der Ausnahme wird dem Arbeitgeber zugeschoben.

c)

Oder umgekehrt, man überträgt dem Gewerbeinspektor die Befugnis, in solchen Betrieben, die sich dazu eignen, eine Arbeitsstreckung durch Verkürzung der Arbeitszeit anzuordnen.

Dieser Weg würde, wie der Reichsarbeitsminister ausführt, zwar vom Reichswirtschaftsminister mitgemacht werden, von den Sozialdemokraten aber als Verhöhnung ihres Vorschlages aufgefaßt werden, weil der Gewerbeinspektor bei dieser Regelung vor einer für ihn unlösbaren Aufgabe stehen würde.

d)

Man wählt eine Verbindung zwischen b) und c), indem man der Regierung eine gesetzliche Ermächtigung einräumt, die Arbeitszeit für einzelne Gewerbezweige zu verkürzen. Dies ist auch der Weg, den die Gutachterkommission zur Arbeitslosenfrage vorgeschlagen hat2.

Dieser letztere Weg würde weitere Bestimmungen erforderlich machen, durch die den in Frage kommenden Betrieben die Möglichkeit eingeräumt wird, tarifvertragsmäßig eine gewisse Anzahl von Überstunden – 60 Stunden für das Jahr – zu vereinbaren. Ferner müßte das Überstundenwesen besonders erschwert werden durch Erhöhung der Lohnzuschläge für Überstunden und schließlich müßten Mindeststrafen für die Überschreitung der Arbeitszeitbestimmungen festgesetzt werden.

1

S. Dok. Nr. 322, Anm. 2.

2

Vgl. Dok. Nr. 272, Anm. 3.

Der Reichsarbeitsminister ließ erkennen, daß er bereit sei, den Weg zu gehen.

Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg äußerte Bedenken gegen die Einführung neuer gesetzlicher Bestimmungen bezüglich der Arbeitszeit, meinte aber, daß er sich zur Not mit der von dem Reichsarbeitsminister unter c) aufgeführten Regelung abfinden könne. Zur Begründung seines ablehnenden Standpunktes machte er geltend, daß es verfehlt sein würde, die deutsche Wirtschaft bei wiederaufsteigender Konjunktur durch irgendwelche überflüssigen gesetzlichen Beschränkungen zu hemmen. Deutschland werde es in seiner schwierigen finanziellen Lage nach Überwindung der Weltkrise ohnehin am schwersten haben, wirtschaftlich wieder in die Höhe zu kommen.

In gleichem Sinne sprach sich mit besonderem Nachdruck auch der Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther aus.

Ein abschließendes Ergebnis wurde durch die Aussprache nicht erreicht.

Der Reichskanzler brach die Aussprache ab mit dem Bemerken, daß man entscheidende Beschlüsse erst fassen wolle, wenn über die übrigen Punkte des Gesamtprogramms Klarheit bestehe3. Nach seiner Meinung werde man es wohl[1116] ermöglichen können, für die Betriebe der öffentlichen Hand besondere Maßnahmen hinsichtlich einer Beschränkung der Arbeitszeit zu treffen4.

3

Zum Fortgang der Beratungen dieses Problems s. Dok. Nr. 322.

4

Vgl. Dok. Nr. 304, Anm. 5.

II. Sodann folgte eine Aussprache über die finanziellen Fragen, die im Zusammenhang mit der neuen Notverordnung zu regeln sind. Der Besprechung wurde die anliegende Aufstellung zugrunde gelegt5.

5

In der Anlage abgedruckt.

Die Aussprache führte zu einer Einigung der beteiligten Ressorts in allen wesentlichen Punkten.

III. Die Aussprache über die noch offenen Fragen der Agrar- und Konsumentenpolitik soll am 28. Mai d. J. fortgesetzt werden6.

6

S. Dok. Nr. 309.

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