1.33 (bru2p): Nr. 285 Aufzeichnung des Staatssekretärs Meissner über die Besprechung des Reichspräsidenten mit dem BVP-Vorsitzenden Schäffer. 27. April 1931

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[1031] Nr. 285
Aufzeichnung des Staatssekretärs Meissner über die Besprechung des Reichspräsidenten mit dem BVP-Vorsitzenden Schäffer. 27. April 1931

R 43 I /2227 , Bl. 203–206

Anwesend: v. Hindenburg; Brüning; ORegR Schäffer; Protokoll: StS Meissner.

Oberregierungsrat SchäfferSchäffer berichtete über die Zwangslage, in der die Bayerische Volkspartei sich befinde. Die Bayerische Volkspartei habe die Regierung Brüning immer unterstützt, sei aber durch die überraschende Aufnahme des Steuervereinheitlichungsgesetzes in die Notverordnung in eine schwierige Lage der eigenen Bevölkerung gegenüber gekommen. Die Bayerische Volkspartei habe das Steuervereinheitlichungsgesetz immer bekämpft und könne ihren ablehnenden Standpunkt nicht verlassen1. „Wir lehnen das Steuervereinheitlichungsgesetz nicht so sehr wegen des gegenwärtigen materiellen Inhalts ab, als aus grundsätzlichen Erwägungen, weil wir die Zuständigkeit des Reiches bestreiten und einen Eingriff in die Steuerhoheit Bayerns darin sehen. Wir wissen auch nicht, wie ein späterer Reichstag diese Sache einmal ausnützen und ausdehnen kann. Bayern hat sich daher genötigt gesehen, Klage beim Staatsgerichtshof zu erheben, und im Einvernehmen mit der Reichsregierung sind nun Schlichtungsverhandlungen eingeleitet. Bei diesen Schlichtungsverhandlungen hat die Bayerische Regierung sich zum Einlenken bereiterklärt; sie will die Frage der verfassungsmäßigen Zuständigkeit dadurch lösen, daß anstelle der Notverordnung ein Einverständnis zwischen Reich und Länder tritt; inhaltlich soll dieses Einverständnis den wesentlichen Teil der Steuervereinheitlichung umfassen, aber wegen der Tarife, der Freigrenzen, der Steuerbefreiung usw. die Zuständigkeit der Länder wieder herstellen. Ich habe aus den bisher geführten Verhandlungen den Eindruck gewonnen, daß die Aussichten einer solchen Einigung nicht sehr groß sind und würde ein Scheitern dieser Verhandlungen wegen der politischen Folgen sehr bedauern. Wir stehen in Bayern in diesem Jahre vor Neuwahlen2, und bei den Wahlen wird diese Frage, wenn sie bis dahin nicht gelöst ist, eine große Rolle spielen und die Wahlen radikalisieren. Schon aus diesem Grunde müssen wir zu einer Einigung kommen, und diese hängt wesentlich von einem Entgegenkommen der Reichsregierung ab.“

1

Vgl. Dok. Nr. 199 und Dok. Nr. 219.

2

Vgl. Dok. Nr. 219, Anm. 4.

Der Herr Reichspräsident Ich habe zwei Fragen zu stellen: die eine an Sie, Herr Oberregierungsrat. Vertreten Sie hier den bayerischen Staat oder Ihre Partei, die Bayerische Volkspartei?

Oberregierungsrat SchäfferSchäffer: Ich bin hier als Vertreter der Partei, aber im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten. Die Schlichtungsverhandlungen, die diese Woche stattfinden, werden natürlich von der Staatsregierung geführt.

[1032] Der Herr Reichspräsident Meine zweite Frage richtet sich an den Herrn Reichskanzler und lautet: Wie stehen die anderen deutschen Länder in der verfassungsrechtlichen Streitfrage und wie stehen sie zum Inhalt des Steuervereinheitlichungsgesetzes?

Der Herr Reichskanzler Bedenken sind, außer von Bayern, seinerzeit auch von Württemberg und Baden erhoben worden. Doch sind sie inzwischen zurückgestellt und wohl größtenteils erledigt. Die prinzipiellen Schwierigkeiten und das Bestreiten der Verfassungsmäßigkeit der Verordnung liegen nur seitens Bayerns vor. – Bei den Schlichtungsverhandlungen muß die Reichsregierung ihren rechtlichen Standpunkt dahin aufrechterhalten, daß die Verordnung im Rahmen der Verfassung ergangen und ihre Bestimmungen daher rechtsverbindlich sind.

Der Herr Reichspräsident Ich wünsche und hoffe, daß es bei den Verhandlungen zu einer Verständigung kommt. Ich selbst kann natürlich bei diesen Schlichtungsverhandlungen auch von meinen Rechten nichts aufgeben und muß auch für meine Person daran festhalten, daß die Verordnung durchaus verfassungsmäßig ist. Ebensowenig wie Bayern erklärt, seine Rechte nicht aufgeben zu wollen, muß ich dies auch für meine Person erklären. –

Der Herr Reichskanzler Ich möchte bei dieser Gelegenheit doch noch eins erwähnen. In der Presse der Bayerischen Volkspartei sind gegenwärtig Angriffe gegen die Reichsregierung mit der Behauptung erhoben, daß die Reichsregierung beabsichtigt, die Frage der Reichsreform auf Grund des Art. 48 vorzunehmen. Ich bitte den Herrn Vorsitzenden der Bayerischen Volkspartei davon Kenntnis zu nehmen, daß ich dem Herrn Reichspräsidenten niemals den Erlaß einer Verordnung auf Grund des Art. 48 zum Zwecke der Reichsreform vorschlagen werde und kann nur bedauern, daß in der der Partei nahestehenden Presse solche Angriffe ausgesprochen werden.

Oberregierungsrat SchäfferSchäffer: Es müsse hier wohl ein Mißverständnis vorliegen. Es handelt sich nur um Zeitungsnachrichten, die Bezug nehmen auf Veröffentlichungen in anderen Blättern, namentlich in der badischen Presse. Die fraglichen Artikel sind nicht parteioffiziös.

Der Herr Reichskanzler weist demgegenüber auf einen neuen Artikel in der heutigen Korrespondenz der Bayerischen Volkspartei hin. –

Der Herr Reichspräsident schließt die Besprechung damit ab, daß er dem Wunsche Ausdruck gibt, die Schlichtungsverhandlungen mögen zu einer Verständigung kommen. „Wir würden uns sonst vor der Welt doch blamieren, wenn wir wegen einer solchen Rechtsfrage bei der gegenwärtigen schwierigen Lage uns verzankten“3.

3

Zum Fortgang der Verhandlungen s. Dok. Nr. 319 und Dok. Nr. 321, Anm. 7.

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