1.37 (bru2p): Nr. 289 Vermerk des Ministerialrats Vogels über die Chefbesprechung vom 5. Mai 1931

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Nr. 289
Vermerk des Ministerialrats Vogels über die Chefbesprechung vom 5. Mai 1931

R 43 I /2369 , Bl. 6–12

Der Herr Reichskanzler hatte am 5. Mai 1931 mit den Herren Reichsminister der Finanzen Dietrich und Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald eine Chefbesprechung über das Thema:

Finanzlage und Sozialgesetzgebung.

Die Besprechungen fanden statt vormittags 11 Uhr und nachmittags 5.15 Uhr.

An der Vormittagsbesprechung nahmen ferner teil: von der Reichskanzlei: Staatssekretär Dr. Pünder, Ministerialdirektor Dr. von Hagenow, MinRat Vogels; vom Reichsfinanzministerium: Staatssekretär Dr. Schäffer, Ministerialdirektoren Ernst, Zarden, von Krosigk, MinRat Poerschke; vom Reichsarbeitsministerium: Staatssekretär Geib, Ministerialdirektoren Grieser, Weigert, Ministerialdirigent Feig; dazu: Reichsbankpräsident Dr. Luther und vom Reichsarbeitsministerium Senatspräsident Schulte-Holthausen.

Die Nachmittagsbesprechung diente in erster Linie der Aussprache mit Dr. Luther.

Vor Eintritt in die sachliche Aussprache verpflichtete der Reichskanzler sämtliche Anwesenden zur absoluten Geheimhaltung der Einzelheiten der Besprechungen. Insbesondere ersuchte er, nach außen hin keinerlei ziffernmäßige Angaben verlautbaren zu lassen.

In der Besprechung selbst ging der Reichskanzler davon aus, daß bei Reich, Ländern und Gemeinden für das laufende Rechnungsjahr ein ungedeckter Fehlbetrag von 2,2 Milliarden Reichsmark vorhanden sei (Reich 800 Millionen, Länder und Gemeinden je 700 Millionen RM). Es könne zwar nicht die Aufgabe des Reiches sein, für die Fehlbeträge der Länder und Gemeinden Sorge zu tragen, gleichwohl könne das Reich an diesem Defizit nicht achtlos vorübergehen. Aus innen- und außenpolitischen Gründen glaube er genötigt zu sein, die Deckungsmaßnahmen hinter den Besuch in Chequers, d. h. also bis Anfang Juni d. Js.1,[1044] zu verschieben. Diese Hinauszögerung beeinflusse naturgemäß recht erheblich den Finanzbedarf, da die Deckungsbeträge nicht auf der Grundlage von 10 Monaten, sondern nur noch von 9 Monaten errechnet werden können. Ferner erhöhe die Hinauszögerung die bekannten Schwierigkeiten der Reichskasse.

1

Vgl. Dok. Nr. 281, Anm. 5.

Für die Deckung der Fehlbeträge komme eine Erhöhung von Steuern kaum in Betracht. Abgesehen von der Umsatzsteuer werde sich schwerlich eine Steuer finden lassen, aus der wesentliche Erträge erhofft werden könnten.

Reichsminister DietrichDietrich äußerte sich dann zunächst über die Kassenlage. Er erklärte, daß das Reich den Monat April mit etwas geringerem Bedarf überwunden habe, wie ursprünglich angenommen gewesen sei. Infolgedessen werde sich auch der Mai mit dem verhältnismäßig geringen Betrag von noch 50 Millionen RM überwinden lassen. Für den Monat Juni rechne er mit einem Fehlbetrag von 175 Millionen RM.

Staatssekretär SchäfferSchäffer erklärte ergänzend, daß dieses Bild sich dadurch verschlechtere, daß das Reichsarbeitsministerium mit einem Finanzbedarf von 59 Millionen RM hervorgetreten sei zur Deckung des Geldbedarfs für die Arbeitslosenfürsorge. Die Summe von 59 Millionen zerfalle in zwei Posten, und zwar von 25 und 34 Millionen RM. Der Betrag von 25 Millionen RM gehe eigentlich zu Lasten der Gemeinden. Er sei von diesen jedoch zurzeit nicht zu bekommen. Der Betrag von 34 Millionen RM gehe zu Lasten der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung. Die Anforderung werde den Bedarf bis zur Erreichung der Überschußmonate in der Arbeitslosenfürsorge decken. Überschußmonate seien in diesem Jahr voraussichtlich die Monate August bis Oktober. Von dem Gemeindeanteil von 25 Millionen RM sei ein Betrag von 10 Millionen RM schon jetzt fällig. Der Restbetrag von 15 Millionen RM werde nach den bestehenden Bestimmungen erst zu späteren Terminen fällig. Ob der Betrag von den Gemeinden beitreibbar sei, wenn man durch Änderung der bestehenden Bestimmungen die sofortige Fälligkeit des ganzen Betrages herbeiführe, sei angesichts der bekannten finanziellen Schwierigkeiten der Gemeinden fraglich. Unter diesen Umständen dürfe man dem Herrn Reichspräsidenten eine diesbezügliche Notverordnung wohl nicht zumuten. Der zusätzliche Geldbedarf für die Arbeitslosenfürsorge habe die höchst unerwünschte Auswirkung, daß man wahrscheinlich schon im Mai die große Hilfsaktion der deutschen Banken in Anspruch nehmen müsse, die der Reichsbankpräsident vorbereitet habe2. Wenn man für den Monat Mai nur mit dem Bedarf der Reichskasse in Höhe von 50 Millionen RM rechnen müsse, wäre man mit kleineren Mitteln ohne die vorgenannte große Kreditaktion ausgekommen. Das Reichsfinanzministerium habe nämlich mit der Reichspost gewisse finanzielle Vereinbarungen getroffen, denen zufolge der Post im April und Mai ein Vorrang bei der Inanspruchnahme des Geldmarktes eingeräumt worden sei – die Postanleihe ist aufgelegt. Dafür habe die Post der Reichskasse gewisse fällige Beträge gestundet.

2

S. Dok. Nr. 255.

Die Steuereingänge des Monats April seien sehr schlecht ausgefallen. In der Hauptsache seien die Verkehrssteuern an dem Rückgang der Eingänge beteiligt3.[1045] Dies wirke sich am stärksten bei den Überweisungssteuern aus. Er habe starke Bedenken allgemeiner kreditpolitischer Natur gegen Einbeziehung des Finanzbedarfs der Arbeitslosenfürsorge in den Bedarf des Reichs. Er empfehle dringend zu verhüten, daß nach außenhin der Eindruck entstehe, als werde die Arbeitslosenversicherung mit dem Reichsetat verquickt. Die Arbeitslosenversicherung müsse möglichst vom Reichsetat abgehängt bleiben.

3

Die Einnahmen an Verkehrssteuern waren im April 1931 um 3,5 Mio. RM gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres zurückgegangen (Übersicht über die Einnahmen des Reichs im Monat April in R 2 /13398 , Bl. 213).

Der Reichsarbeitsminister erörterte sodann die Lage der Sozialversicherung.

a) Knappschaft:

Hierzu erklärte er, daß er die Reform der Knappschaft bekanntlich am liebsten schon im Februar oder März d. Js. durchgeführt hätte4. Die Gründe, die die Verschiebung der Reform notwendig gemacht hätten, seien bekannt. Dadurch, daß die in Aussicht genommene große Notverordnung jetzt erst für Juni geplant sei, würden die finanziellen Schwierigkeiten der Knappschaft um einen vollen Monat vermehrt. Die Reichskasse werde also nicht daran vorbei können, auch noch den Mai in gleicher Weise wie die Vormonate zu bezuschussen. Bei der Knappschaft sei ein Fehlbetrag von 100 Millionen RM zu decken. Hiervon seien nur 40 Millionen RM in den Reichsetat eingestellt. Eine Heranziehung der Invaliden- und Angestelltenversicherung zur Sanierung der Knappschaft sei angesichts des ungeheuren Widerstandes der letztgenannten Institutionen nicht angängig. Vor allen Dingen habe die Angestelltenversicherung derartigen Lärm gemacht und verschiedene politische Parteien zu ihren Gunsten so stark zu interessieren gewußt, daß dieser Weg politisch gesperrt sei.

4

Vgl. Dok. Nr. 248, P. 3.

Das Reichsarbeitsministerium denke sich die Sanierung etwa folgendermaßen:

Die Beiträge der Bergleute zur Arbeitslosenversicherung müßten um 2 v.H. gesenkt werden. Alsdann könnten die Beiträge der Bergleute zur Knappschaft um diese 2 v.H. erhöht werden. Dies ergäbe eine Summe von 24 Millionen RM. Ferner müsse in gleicher Weise eine Verschiebung von 1% Krankenkassenbeitrag zu Gunsten der Knappschaftsbeiträge stattfinden. Hierdurch würden der Knappschaft weitere 12 Millionen RM zugeführt. Der übrigbleibende Fehlbetrag betrage alsdann (100 – 40 (Etat) – 24 (verschobener Arbeitslosenbeitrag) – 12 (verschobener Krankenkassenbeitrag) = 24 Millionen RM. Dieser Rest von 24 Millionen RM müsse durch Verkürzung der Leistungen der Knappschaft hereingeholt werden.

b) Arbeitslosenfürsorge:

Hierzu führte Reichsminister StegerwaldStegerwald folgendes aus: Eine zuverlässige Schätzung der voraussichtlichen Zahl der Arbeitslosen sei zur Zeit unmöglich. Die Entwicklung der Dinge werde sich wahrscheinlich erst im Juli mit einiger Sicherheit voraussehen lassen. Das Reichsarbeitsministerium rechne heute in[1046] Übereinstimmung mit der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung mit einer geschätzten Zahl von 4,3 Millionen Arbeitslosen. Von dieser Zahl werde die Versicherung rund 1,9 Millionen = 43% zu betreuen haben. Der Krisenfürsorge und der Wohlfahrtsfürsorge würden je 1 Million zur Last fallen. Der Rest von 4,3 – 1,9 + 1 + 1 = 0,4 Millionen bleibe ohne Betreuung. Unter Zugrundelegung dieser Zahl sei bei der Arbeitslosenversicherung ein Fehlbetrag von 370 Millionen RM vorhanden, in der Krisenfürsorge ein Fehlbetrag von 288 Millionen RM. Der Fehlbetrag für die gemeindliche Wohlfahrt sei nach Angabe der Städte mit rund 350 Millionen RM zu beziffern. Von dem Fehlbetrag in der Krisenfürsorge entfalle auf das Reich ein Betrag von 230 Millionen RM. Der Rest von 58 Millionen RM gehe zu Lasten der Gemeinden.

Die Arbeitslosenversicherung wäre an sich imstande gewesen, mit dem derzeitigen Beitragssatz von 6½ auszukommen, wenn das Aufkommen an Beiträgen die Höhe des Vorjahres beibehalten hätte. Im abgelaufenen Rechnungsjahr habe nämlich 1% Beiträge 290 Millionen RM erbracht. Im laufenden Rechnungsjahr könne man wegen der stark verminderten Zahl der Beitragszahler nur mit einem Ertrag von 240 Millionen RM je Beitragsprozent rechnen. Der Fehlbetrag solle durch Reformen gedeckt werden. Wenn die Reformmaßnahmen erst am 1. Juli statt am 1. Juni einträten, mache dies naturgemäß einen erheblichen Monatsunterschied aus (etwa 50 Millionen RM).

Der Gesamtbedarf der Krisenforsorge für 1 Million Arbeitslose werde mit 788 Millionen RM veranschlagt. Hiervon seien im Reichsetat vorgesehen 400 Millionen RM. Ein weiterer Betrag von 100 Millionen (nämlich das auf die Gemeinden entfallende Fünftel) gehe zu Lasten der Gemeinden5. Die restlichen 288 Millionen RM könnten aufgeteilt werden in 230 Millionen RM zu Lasten des Reichs und 58 Millionen RM zu Lasten der Gemeinden. Dieser Fehlbetrag lasse sich durch Reformmaßnahmen auf rund 200 Millionen RM herabdrücken.

5

S. § 167 AVAVG in der Neufassung vom 12.10.29 (RGBl. I, S. 185 ).

Der Aufwand für die Wohlfahrtsfürsorge für 1 Million Unterstützungsempfänger werde auf 600 Millionen RM veranschlagt, d. h. auf durchschnittlich 600 RM je Unterstützungsempfänger. Der durchschnittliche Unterstützungssatz in der Arbeitslosenversicherung werde von der Reichsanstalt auf 76 RM im Monat berechnet. In diesem Betrag sei ein Betrag von 10 RM für Verwaltungskosten und Kosten der Arbeitsvermittlung einbegriffen. Der Satz für die Krisenfürsorge stimme mit dem Satz für die Arbeitslosenversicherung überein.

Die für die Arbeitslosenversicherung ins Auge gefaßten Reformmaßnahmen wurden in großen Zügen durchgesprochen. Das Reichsarbeitsministerium beabsichtigt, in der Arbeitslosenversicherung die Bedürftigkeitsprüfung einzuführen, jedoch nicht allgemein, sondern nur für verheiratete Frauen und die Saisonarbeiter. Ferner sollen die Leistungen allgemein herabgesetzt werden.

Demgegenüber glaubte der Reichsminister der Finanzen sich von der Einführung der Bedürftigkeitsprüfung einen praktischen Erfolg nicht versprechen zu können. Er empfahl stattdessen die Einführung höherer Beiträge für die Saisonarbeiter und die Beschränkung der Leistungen an die Saisonarbeiter auf die Sätze der Krisenfürsorge.

[1047] In der Krisenfürsorge wurde eine Einsparung durch Reformen nur im Ausmaße von 30 Millionen RM für möglich erachtet. Die Reformen sollen in der Herabsenkung der Leistungen um 5 Punkte bestehen.

c) Invalidenversicherung:

Bezüglich der Invalidenversicherung führte der Reichsarbeitsminister aus, daß diese im Jahre 1931/32 mit einem Defizit von 180 Millionen RM rechne. Daraus ergebe sich zunächst, daß die Invalidenversicherung nicht in Anspruch genommen werden könne, um der Knappschaft zu helfen. Andererseits verfüge die Invalidenversicherung zur Zeit über ein Vermögen von 1,63 Milliarden RM. Aus diesem Vermögen könne der Fehlbetrag des Jahres 1931 zur Not gedeckt werden, so daß man allenfalls im Rechnungsjahr 1931 auf besondere Reformen in der Invalidenversicherung verzichten könne. Das Vermögen setze sich im wesentlichen wie folgt zusammen:

500 Millionen RM Wertpapiere,

700 Millionen RM Darlehen, Hypotheken u. dergl. Der Rest entfalle auf die Verwaltungsgebäude, eigene Krankenanstalten u. dergl., stelle also fressendes Kapital dar.

d) Unfallversicherung:

Bezüglich der Unfallversicherung stellte der Reichsarbeitsminister weitgehende Reformen in Aussicht. Sie sollen in der Hauptsache im Wegfall der kleinen Renten bestehen.

e) Krankenversicherung:

Reichsminister StegerwaldStegerwald ging in großen Zügen auf das Thema „Krankenversicherung“ ein. Er erklärte, daß die Reformen in der Notverordnung vom Juni letzten Jahres6 die Folge gezeitigt hätten, daß die Ärzte von der extensiven Behandlung zur intensiven Behandlung der Kranken übergegangen seien. Nach der Reform sei die Zahl der behandelten Fälle zwar erheblich gesunken, die von den Krankenkassen aufgewendeten Arzthonorare seien jedoch im großen und ganzen die gleichen geblieben. Die Gesamtaufwendungen der Kassen für Arzthonorare beliefen sich noch immer auf jährlich rund 800 Millionen Reichsmark. An dieser Summe nähmen teil etwa 40 000 Ärzte. Wenn man etwa dazu übergehe, den Krankenkassen die feste Anstellung von 20 000 Ärzten mit einem Jahresgehalt von 15 000 RM vorzuschreiben, so kommen man auf einen Jahresbetrag für die Bezahlung der Ärzte von 300 000 RM. Rechne man dazu einen Betrag von 50 000 000 RM zur Beschaffung von Instrumenten usw., so springe aus einer derartigen Reform eine Ersparnis von mehreren 100 Millionen RM heraus. Allerdings müsse man bei einer derartigen Maßnahme auf einen ungeheueren Widerstand der Ärzte gefaßt sein. Eine andere Möglichkeit bestehe im Übergang zum holländischen System. In Holland[1048] werde ein höheres Krankengeld bezahlt; dafür werde es den Kranken überlassen, Arzt und Heilmittel selbst zu bezahlen.

6

NotVO vom 26.7.30 zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände, 4. Abschnitt, 2. Titel (RGBl. I, S. 321 –327).

Der Reichskanzler schloß die Aussprache über die Sozialversicherung mit der Empfehlung, daß die Einzelheiten über die Reformen in der Arbeitslosenversicherung und der Krisenfürsorge nochmals zwischen dem Reichsarbeitsministerium und dem Reichsfinanzministerium durchgesprochen werden möchte. Er machte zusammenfassend darauf aufmerksam, daß die in Aussicht genommenen Reformen notgedrungen ein solches Ausmaß angenommen hätten, daß in Zukunft hinsichtlich der Unterstützung der Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung, in der Krisenfürsorge und in der Wohlfahrtsfürsorge ein erheblicher Unterschied nicht mehr erkennbar sei, d. h., daß 4–5 Millionen Arbeitslose unter das Existenzminimum herabgedrückt seien. Dies werde sich im Steueraufkommen, insbesondere im Rückgang der Lohnsteuer sehr fühlbar erkennen lassen. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge sei auch wesentlich für die vom Reichskabinett in der Frage der Preispolitik zu treffenden Entscheidungen.

Arbeitsbeschaffungsfragen:

Der Reichskanzler bemerkte, daß dieser Fragenkomplex mit Rücksicht auf das soeben fertiggestellte Gutachten der Gutachterkommission über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsbeschaffung7 in der öffentlichen Diskussion eine besondere Rolle spielen werde. Schwierig sei natürlich die Finanzierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms.

7

Die Brauns-Kommission übersandte der Rkei am 5.5.31 den 2. Teil ihres Gutachtens: „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsbeschaffung“. U. a. empfahl die Kommission Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch den Ausbau des Elektrizitätsnetzes, Instandsetzung alter Straßen, landwirtschaftliche Meliorationen, Siedlung und Wohnungsbau. Die Arbeitsdienstpflicht wurde von der Kommission abgelehnt, der freiwillige Arbeitsdienst dagegen empfohlen (R 43 I /2040 , Bl. 59–63).

Reichsminister StegerwaldStegerwald sagte, daß erfahrungsgemäß die Entlastung des Arbeitsmarktes durch Arbeitsbeschaffungsprogramme verhältnismäßig gering sei. Die Vergebung von Mehrarbeit bewirke in erster Linie, daß Kurzarbeit in Vollbeschäftigung umgewandelt werde, die Einstellung neuer Arbeitskräfte komme erst in zweiter Linie.

Alle Teilnehmer an der Besprechung waren darin einig, daß als förderungswürdige Arbeitsgebiete in erster Linie nur die von der Reichsbahn nicht weiter geförderten Projekte zur Elektrifizierung von Bahnstrecken in Süddeutschland und Baden in Frage kämen; ferner der Bau des Rügendammes und vor allen Dingen eine Einwirkung auf die Reichsbahn-Gesellschaft auf Verlegung von Schienen. Die Reichsbahn hat ihr Oberbauerneuerungsprogramm mit Rücksicht auf ihre Finanzlage so gut wie ganz gedrosselt, obschon das Schienenmaterial von ihr schon beschafft ist. Für die Finanzierung dieser Arbeiten, die im günstigsten Falle Mehrarbeit für 100–110 000 Arbeiter bringe, müsse auf ausländisches Kapital gerechnet werden. Entsprechende Schritte bei der BIZ müßten versucht werden.

[1049] Ferner wurde anerkannt, daß auf dem Gebiete des Straßenbaus Möglichkeiten förderungswürdiger Arbeitsbeschaffung gegeben sind. Die Aussichten für die Finanzierung erscheinen insofern nicht ungünstig, als Holland wegen eines Interesses am Absatz von Bitumen derartige Projekte finanziell zu fördern bereit ist.

Belebung des Baumarktes:

Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß die Länderregierungen ein Programm für den Bau von 150 000 Wohnungen aufgestellt hätten. Auf dem Papier sei die Finanzierung in Ordnung. Ob die erforderlichen Geldsummen allerdings auch tatsächlich hereinkommen würden, sei sehr fraglich.

Ministerialdirektor WeigertWeigert sagte zu, daß er mit den Ländern, insbesondere mit Preußen weitere Verhandlungen zur Sache führen werde. Das Problem bei der Belebung des Baumarktes besteht in der Zinsverbilligung zweistelliger Hypotheken des privaten Kapitalmarktes und in der endgültigen praktischen Regelung der Zinsfrage für die Aufwertungshypotheken.

Die Fortsetzung der Besprechung wurde für Donnerstag, den 7. Mai in Aussicht genommen8.

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S. Dok. Nr. 290.

Vogels

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