1.121.1 (bru3p): 1. Fortsetzung der Beratung über bäuerliche Veredlungswirtschaft.

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1. Fortsetzung der Beratung über bäuerliche Veredlungswirtschaft.

Der Reichskanzler teilte mit, daß der Reichswirtschaftsminister nach der Sitzung vom Tage vorher über Hilfsmaßnahmen für die bäuerliche Veredlungswirtschaft und namentlich Zollmaßnahmen zur Stützung des Butterpreises1 zu einer anderen Berechnung des Valutazuschlages gekommen sei als das Kabinett bei der Beratung am Tage vorher zugrunde gelegt habe. Er bäte den Reichswirtschaftsminister, seine neuen Feststellungen vorzutragen.

1

Dok. Nr. 634.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß entgegen den Auskünften, die gestern dem Kabinett gegeben worden seien (Ministerialdirektor Ritter), Frankreich seine Valutazuschläge nach dem Wert der Waren berechne, nicht lediglich nach dem Prozentsatz der Geldentwertung. Eine entsprechende Anwendung von Valutazuschlägen in Deutschland würde die Möglichkeit bieten, von einer Erhöhung der autonomen Zölle und einem Effektivwerden der Kontingente abzusehen. Er bäte daher erneut um Stellungnahme zu seinem gestrigen Vorschlag und dabei auszugehen von der Berechnung eines Valutazuschlages nach dem Warenwert.

[2192] Ministerialdirektor Ritter meinte, Frankreich wende den Valutazuschlag nach dem Wert ganz anders an, als im Kabinett am Tage vorher zunächst vorgesehen worden sei. Frankreich gehe zwar aus von dem Wert der Waren, berechne dann aber nur einen Teil der Geldentwertung, bei 30% etwa nur 15%2.

2

Über die Berechnungsmodalitäten der frz. Valutazuschläge gab es nach dieser Ministerbesprechung einen Schriftwechsel zwischen AA und RWiMin., wobei jedes Ministerium auf der Richtigkeit seiner Auslegung beharrte: Schreiben des AA vom 5.2.32 in R 43 I /2427 , Bl. 258–260, Antwort des RWiMin. vom 22.2.32, a.a.O., Bl. 265–269.

Ministerialdirektor Ernst erklärte, die Warenwerte könnten in Deutschland vom Finanzministerium festgesetzt werden. Dadurch würde das Verfahren vereinfacht. Zu diesen Werten brauchten die Zuschläge lediglich pauschal berechnet zu werden.

Der Reichswirtschaftsminister stellte fest, daß dann die Tagespreise der Waren nicht berücksichtigt werden brauchten. Das Verfahren werde praktisch leicht durchführbar und auch für die Landwirtschaft genügend wirksam sein.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte, Valutazuschläge in dieser Form für die Landwirtschaft für nicht ausreichend zu halten, weil infolge der Kontingente noch zu große Auslandsmengen hereinkommen würden. 70% oder 83% des Friedenspreises für die Butter sei für die Landwirtschaft einfach nicht tragbar3.

3

Vgl. auch Dok. Nr. 631, P. 2.

Der Reichswirtschaftsminister stellte fest, es müsse der letzte Goldpreis vor der Entwertung der betreffenden Währung festgesetzt werden und danach ein Entwertungsfaktor bemessen werden.

Geheimrat Flach teilte den Text der französischen Regelung über die Valutazuschläge mit4 und wies darauf hin, daß dieser Wortlaut von der gleichen Basis ausgehe, wie sie von dem Reichswirtschaftsminister vorgeschlagen werde, nämlich von dem letzten Goldpreis.

4

Der Text dieses frz. Dekrets vom 9.12.31 ist im in Anm. 2 genannten Schreiben des RWiMin. vom 22.2.32 im Wortlaut zitiert: R 43 I /2427 , Bl. 265–269, hier Bl. 265–266.

Er teilte ferner mit, daß die Hoffnung auf eine Verständigung mit Holland schon aufgrund der Tatsache berechtigt wäre, daß Holland kürzlich bereits eine Ermächtigung für die Staatsregierung zur Ausfuhrkontrolle geschaffen habe und zwar im Hinblick auf die Geldentwertung in England. Die Befürchtungen des Reichsernährungsministers wegen der Gefahr der „Lücke“ dürften danach zu groß sein.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft meinte, seine Befürchtungen, daß das vorgesehene System nicht ausreichen werde, seien auch dadurch noch begründet, daß die Kontingente beschleunigt ausgenutzt werden könnten. Die begünstigten Länder könnten, statt die Kontingente auf den Zeitraum eines Jahres zu verteilen, in der nächsten Zeit die Kontingente ganz oder zum großen Teil auf einmal ausnutzen.

Der Reichswirtschaftsminister meinte, darüber ließe sich mit Holland verhandeln.

Ministerialdirektor Ernst bestätigte, daß in dieser Möglichkeit eine Gefahr läge; auch eine gewisse Menge der Kontingente wäre bereits geeignet, den deutschen Markt zu stören.

[2193] Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte, die Lage der bäuerlichen Wirtschaft in Deutschland sei derart, daß sie unbedingt zwinge, Maßnahmen zu vermeiden, die nur irgendwie zweifelhaft und nicht ausreichend erschienen. Eine „gewisse Rücksichtslosigkeit“ sei nicht vermeidbar.

Es ständen drei Fragen zur Entscheidung:

1)

den allgemeinen Zoll auf 135 zu erhöhen, oder

2)

Valutazuschläge einzuführen und einen erhöhten Zoll – statt 50 etwa 100 RM – oder

3)

Valutazuschläge allein in entsprechend stärkerem Ausmaße.

Der Reichswirtschaftsminister stellte fest, daß der Reichskanzler die Möglichkeit zu 1) aus Rücksicht auf Holland für nicht anwendbar halte. Die Möglichkeit zu 3) werde von der Mehrheit des Kabinetts ebenfalls abgelehnt, es bleibe demnach nurmehr die Möglichkeit zu 2) Valutazuschläge und erhöhte allgemeine Zollsätze. Diese zweite Möglichkeit entspreche dem Beschluß vom Tage vorher5. Er schlage vor, einen Zusatzbeschluß dahin zu fassen, daß die Berechnung der Valutazuschläge freigestellt werde, so daß also die Zuschläge auch anders berechnet werden könnten als am Tage vorher vom Auswärtigen Amt angenommen worden sei. Damit würde den Mißständen in der Zellstoffwirtschaft Rücksicht getragen werden können.

5

Vgl. Dok. Nr. 634.

Staatssekretär Schäffer schlug vor, eventuell die Valutazuschläge entsprechend dem Modus des Reichswirtschaftsministers zu berechnen, aber nur mit geringerem Prozentsatz, vielleicht zur Zeit nur 15%.

Das Kabinett faßte nach eingehender Aussprache folgende Entschließung:

1.)

Der autonome Butterzoll wird von 50,– auf 100 RM erhöht.

2.)

Aufgrund der Ermächtigung durch die Notverordnung vom 18. 1. werden Lieferungen aus Ländern mit entwerteter Valuta mit Ausgleichszuschlägen belegt.

3.)

Für Lieferungen aus Ländern, mit denen Deutschland in keinem Handelsvertragsverhältnis steht6, wird ein besonderer Zollsatz bestimmt, der über dem höchsten, nach Ziffer 2) festgesetzten Betrage liegt7.

6

Australien, Kanada und Polen.

7

Für 1 dz Butter, die aus Australien, Kanada oder Polen importiert wurde, wurde der Zollsatz auf 170 RM erhöht: Vo. über Zolländerungen vom 19.1.32, RGBl. I, S. 30 .

Die Berechnung der Ausgleichszuschläge bleibt den zuständigen Reichsministerien vorbehalten.

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