1.126.1 (bru3p): 1. Senkung der Gas- und Elektrizitätstarife.

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1. Senkung der Gas- und Elektrizitätstarife.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung berichtete über die bisherige Durchführung der Preissenkungsaktion. Seit Erlaß der Notverordnung vom 8. Dezember[2204] 19311 betrage die Senkung des Index 7%. Bis Ende Februar hoffe er eine weitere Senkung um 2% zu erreichen. Auf zwei Gebieten hätten sich Schwierigkeiten ergeben, die ihn veranlaßt hätten, um die Stellungnahme des Kabinetts zu bitten. Einmal drohten die Mehlpreisverhältnisse den Brotpreis zu beeinflussen, so daß die Gefahr bestehe, daß der Brotpreis wieder heraufgehe2. Außerdem hindere ihn der Zusammenhang zwischen den Gas- und Stromtarifen und dem Finanzbedarf der Kommunen, diese Tarife zu senken, ohne daß sich weittragende Auswirkungen für die Finanzlage der Kommunen ergäben3.

1

Vgl. Dok. Nr. 583, P. 4 und P. 5 und die Vierte NotVo. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8.12.31, Erster Teil, Kapitel I (RGBl. I, S. 699 , hier S. 700).

2

Vgl. hierzu den Bericht der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen vom 9.1.32 über Preise und Bruttoverdienstspannen beim Brot. Aus diesem Bericht ging hervor, daß die vereinbarten Brotpreissenkungen um 14 RPf. je kg Brot wegen der steigenden Mehlpreise nicht durchsetzbar waren (R 43 I /1161 , Bl. 153–160).

Siehe auch das Schreiben des RArbM an Goerdeler wegen des Brotpreises vom 21.1.32 (R 43 I /1161 , Bl. 168).

3

Vgl. hierzu Dok. Nr. 571, P. 4 und Dok. Nr. 583, P. 4.

Die Schwierigkeiten für den Brotpreis lägen nur an den Mehlpreisen. Die Spannen für die Bäcker seien bis auf das Äußerste herabgedrückt.

Nach weiterer Erörterung über die Mehlpreise sagte auf Wunsch des Reichskanzlers der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft zu, Vorsorge zu treffen daß die Brotpreise nicht steigen würden4.

4

Vgl. Dok. Nr. 641, P. 8.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung wies darauf hin, daß ein gewisser Spielraum für eine Einwirkung auf den Brotpreis noch offen sei, wenn das Nachtbackverbot5 aufgehoben würde. Davon dürfe man allerdings auch nicht zuviel erwarten, weil die Brotfabriken nur einen Teil der Produktion bewältigen könnten und die Bäcker nicht ausgeschaltet werden dürften. Aus den bestehenden Meinungsverschiedenheiten glaube er einen Ausweg zu sehen, wenn die Brotfabriken eine Stunde und die Bäcker ½ Stunde früher beginnen dürften. Beide seien dazu bereit. Er habe die Absicht, in diesen Tagen darüber noch mit dem Reichsarbeitsminister und dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft zu verhandeln und dann weiter zu berichten6.

5

Vgl. Dok. Nr. 583, P. 1 und Dok. Nr. 589.

6

Zu den Verhandlungen über die Aufhebung des Nachtbackverbots und der weiteren Brotpreissenkung siehe Dok. Nr. 679, P. 2.

Der Reichsarbeitsminister erklärte, Bedenken gegen eine weitere Lockerung des Nachtbackverbots zu haben. Die Bäcker würden eine solche zudem auch als Wortbruch des Preiskommissars ansehen, weil sie die Preissenkung unter der Voraussetzung gemacht hätten, daß das Nachtbackverbot nicht aufgehoben werde.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung legte dar, daß es in der Frage der Gas- und Stromtarife drei Möglichkeiten gäbe. Man könne auf Grund der Notverordnung von den finanz- und etattechnischen Schwierigkeiten absehen und ohne Rücksicht auf diese eine Senkung erzwingen. Daraus würde sich aber für das Reich die Verpflichtung ergeben, die Etats von Gemeinden und Ländern zu sanieren, die sich zum Teil jetzt noch helfen könnten. Er sei bereit, auf diesem Wege mitzumachen, bäte aber im Hinblick auf die Folgen um die Zustimmung des Kabinetts.

[2205] Man könne ferner vorsehen, daß für die sich ergebenden Schwierigkeiten der Gemeinden und Länder ein Ausgleich durch eine entsprechende Ermächtigung des Reichsministers der Finanzen geschaffen werde.

Schließlich könne man im Hinblick auf die Weiterungen von einer Senkung der Tarife absehen und die Öffentlichkeit über die Gründe der Unmöglichkeit der Senkung aufklären. Darin würde indes eine gewisse Gefahr für eine Vertrauenskrise der ganzen Preissenkungsaktion liegen.

Der Ausfall der Kommunen würde sich insgesamt auf 100 Millionen RM belaufen, für die Gassenkung allein auf 45 Millionen RM.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, unmöglich einen Ausgleich für solche Auswirkungen tragen zu können.

Der Reichskanzler schlug vor, bei den Gastarifen die Senkung durchzuführen. Die Folgen daraus wären für viele Kommunen tragbar. Wegen der Stromtarife könne man an die Rationalisierung der Erzeugung denken. Die Zahl der Betriebe und deren Konkurrenz sei in manchen Gegenden unwirtschaftlich.

Der Reichskommissar für Preisüberwachung erklärte, auch wenn man die Senkung nur bei den Gastarifen durchführe, werde das Reich in einiger Zeit den Gemeinden entweder helfen oder politische Folgen in Kauf nehmen müssen.

Staatssekretär Dr. Weismann warnte davor, die Kommunen in solcher Weise zu belasten und machte Mitteilung von einer Entschließung, die im Reichsrat für den Nachmittag vorgesehen sei, in der festgestellt werde, daß durch eine Reihe von Maßnahmen das Reich Vorteile zu Lasten der Länder und Kommunen erhalte und die Letzteren ungebührlich stark belastet worden seien7. Er halte diese Entschließung im Hinblick auf die Öffentlichkeit für sehr unangebracht; der darin zum Ausdruck kommenden Stimmung müsse man aber Rechnung tragen.

7

Vgl. die Entschließung des RR vom 21.1.32 in § 49 der Niederschriften über die Vollsitzungen des RR, Jahrgang 1932, S. 16.

Der Reichsarbeitsminister erklärte dafür einzutreten, daß die Gastarife gesenkt würden. Bezüglich der Stromtarife solle die Öffentlichkeit aufgeklärt werden, daß man von einer Senkung absehen müsse. Eine weitere Belastung der Gemeinden halte er im Hinblick auf die Soziallasten nicht für möglich.

Nach weiterer Erörterung stellte der Reichskommissar für Preisüberwachung fest, die Ansicht des Kabinetts dahin zu verstehen, daß

1.

die Tarife innerhalb des wirtschaftlich Vertretbaren gedrückt würden,

2.

daß er individuell vorgehe, also keine gleichmäßige Senkung der Tarife vornehme.

3.

daß seine Aktion sich im wesentlichen auf die Gastarife zu konzentrieren habe,

4.

die Öffentlichkeit bald über die Verhältnisse aufgeklärt werden solle.

Der Reichskanzler bat zunächst von Bekanntmachungen abzusehen, bevor noch eine besondere Besprechung über die Angelegenheit stattgefunden habe, um die er den Reichswirtschaftsminister, den Reichsminister der Finanzen und den Reichsarbeitsminister bäte. Danach erst solle eine Entscheidung erfolgen8.

8

Hierzu Dok. Nr. 644.

[2206] Er stellte die Zustimmung des Kabinetts dazu fest, daß an einer Senkung der Gastarife um 10% festgehalten und daß die Entscheidung über die Elektrizitätstarife noch ausgesetzt werde.

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