1.136.1 (bru3p): Reparationsfrage.

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Reparationsfrage.

(Französische Veröffentlichung über den Vergleich der französischen Wiederaufbaukosten und der deutschen Reparationsleistungen)

Der Reichsminister der Finanzen1 trug vor, daß er in Erwiderung auf die Veröffentlichung der französischen Havas-Meldungen2 und als Entgegnung auf die Erklärungen des französischen Finanzministers Flandin in der Französischen Kammer[2239] vom 26. Januar3 die anliegende Erwiderung an das WTB geben wolle4. Er halte es nicht für angängig, die französischen Auslassungen zur Sache unwidersprochen zu lassen. Er verwies ferner darauf, daß die deutsche Öffentlichkeit dringend eine derartige Erwiderung erwarte, daß auch der Reichstag schon früher in einem nahezu einstimmig gefaßten Beschluß eine amtliche Veröffentlichung über die Höhe der deutschen Reparationsleistungen verlangt habe5.

1

Das vorliegende Dok. ist auch abgedruckt in ADAP, Serie B, Bd. XIX, Dok. Nr. 219.

2

Havas hatte am 27.1.32 unter Bezug auf einen Artikel der Vossischen Zeitung bestritten, daß Frankreich für die Beseitigung der durch den Ersten Weltkrieg verursachten Schäden 80,1 Mrd. frz. Francs oder 13,1 Mrd. RM aufgewendet habe; der Gesamtbetrag, der allein für die im Kampfgebiet angerichteten Schäden bezahlt wurde oder zu zahlen seien, betrage 102.881 Mrd. frz. Francs (WTB Nr. 199 vom 28.1.32 in R 43 I /336 , Bl. 150).

3

Vgl. den Pressebericht des Botschafters v. Hoesch Nr. 129 vom 27.1.32; danach hatte Flandin die gesamten dt. Reparationsleistungen an Frankreich bis zum 30.6.31 mit 8,151 Mrd. RM beziffert und eine Restzahlung von 5–6 Mrd. RM an dt. Reparationen gefordert (R 43 I /336 , Bl. 125–126).

4

Der Entw. bezifferte die dt. Reparationsleistungen mit 67,673 Mrd. Goldmark (R 43 I /336 , Bl. 147–149).

5

Vgl. den Antrag der Wirtschaftspartei im RT-Bd. 448 , Drucks. Nr. 91 , Ziffer 2, angenommen durch den RT am 12.2.31, RT-Bd. 444, S. 950 .

Der Reichswirtschaftsminister erklärte, daß es auch nach seiner Meinung unvermeidlich geworden sei, eine zahlenmäßige Zusammenstellung zu veröffentlichen. Dabei müsse aber alles vermieden werden, was die ohnehin gespannten Beziehungen zu Frankreich verschärfen könne. Er halte es daher für richtiger, auf eine Polemik gegenüber den französischen Ausführungen zu verzichten und bei der deutschen Darstellung in den Vordergrund zu stellen, daß die Reparationsleistungen Deutschlands in stärkstem Maße dazu beigetragen haben, das deutsche Volk wirtschaftlich zu entkräften. Der Hinweis auf den wirtschaftlichen Kräfteverlust sei ein Argument mehr für die Entgegnung auf die gerade jetzt von der Gläubigerseite stark betonte These, daß Deutschland für den Fall der Streichung der Reparationen wegen der Geringfügigkeit seiner inneren öffentlichen Verschuldung als Konkurrent gegenüber dem höher verschuldeten Ausland zu günstig dastehen würde.

Staatssekretär Dr. von Bülow hatte insofern Bedenken gegen die vom Reichsfinanzministerium vorgeschlagene Fassung der Veröffentlichung, als sie zu einem bedenklichen Eingehen auf die französischen Absichten nach einer schiedsgerichtlichen Prüfung der Höhe der französischen Reparationsansprüche und der tatsächlichen deutschen Leistungen führen könne. Er führte aus, daß die Franzosen offensichtlich darauf ausgingen, durch eine schiedsrichterliche Instanz die Höhe der französischen Reparationsansprüche feststellen zu lassen. Wenn es im Verfolg dieser Bemühungen alsdann dazu kommen sollte, rechnerisch festzustellen, ob diese Ansprüche durch die bisherigen deutschen Reparationsleistungen erfüllt seien, so werde Deutschland wahrscheinlich ungünstig abschneiden. Die Schiedsinstanz werde sich nur auf das geschriebene Recht des Versailler Vertrages stützen können, der Deutschland mit Reparationsverpflichtungen von imaginärer Höhe belaste. Die ursprünglichen 14 Punkte Wilsons werde das Schiedsgericht gar nicht in Rechnung stellen können. Wenn Amerika in Verfolg eines solchen Schiedsverfahrens zu der Auffassung gelangen sollte, daß Frankreich noch einen Saldo an Reparationsansprüchen habe, sei an eine Geneigtheit zur Schuldenstreichung nicht mehr zu denken. Darum empfehle er die deutsche Veröffentlichung so zu fassen, daß jede Bezugnahme auf die französischen Auslassungen zur Sache vermieden[2240] werde. Er bitte auch, zu erwägen, ob die Antwort nicht durch eine zwischengeschaltete Person, etwa einen deutschen Wissenschaftler6, erfolgen könne.

6

Nach Schäffers Tagebuchaufzeichnung vom 28.1.32 nannte der RK Prof. Max Sering als möglichen Gutachter (IfZ ED 93, Bd. 17, Bl. 135).

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte darauf, daß nach seiner Meinung das Zahlenmaterial über die deutschen Leistungen in halbamtlicher Form bekannt gegeben werden müsse, da auf andere Weise eine Beruhigung der deutschen öffentlichen Meinung nicht zu erreichen sein werde. Er halte daher den Weg der halbamtlichen Veröffentlichung durch WTB für den richtigen. Die Reichsregierung werde anderenfalls im Reichstag zur Stellungnahme zur Sache gezwungen werden. Erwiderungen im Reichstag seien aber in jedem Falle unerwünschter und gefährlicher als der jetzt vorgeschlagene Weg. Man könne die zur Erörterung stehenden Fragen in zwei Teile spalten:

a)

in eine Erwiderung auf die französischen Berechnungen über die Höhe der Wiederaufbaukosten,

b)

in eine Darlegung der deutschen Reparationsleistungen.

Die Erwiderung auf die französischen Darlegungen könne man einem Wissenschaftler überlassen, die Bekanntgabe der deutschen Leistungen aber müsse durch WTB erfolgen. Wenn dies in der Form und in dem Zusammenhang geschehe, wie der Reichswirtschaftsminister dies vorgeschlagen habe, so sei er damit durchaus einverstanden.

In ähnlichem Sinne äußerte sich auch der Reichsbankpräsident. Er hielt es für das richtigste, bei der ganzen Darstellung in den Mittelpunkt zu stellen, daß es eine falsche Meinung der Gläubigermächte sei, anzunehmen, daß Deutschland für den Fall der Streichung der Reparationen als Konkurrent auf dem Weltmarkt besser dastehe als die übrigen Länder7.

7

Luther notierte hierzu in seinem Tagesbericht: „Das Ergebnis war nicht ganz klar; es soll wohl alles berücksichtigt werden“ (Nachl. Luther  Nr. 367, Bl. 261; auch in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 412).

Abschließend stellte der Reichskanzler fest, daß der Entwurf aufgrund des Ergebnisses der Aussprache einer Umarbeitung bedürfe.

Der Reichsminister der Finanzen wurde gebeten, diese Umarbeitung zu veranlassen8.

8

Das RFMin. überreichte der Rkei am Nachmittag des 28.1.32 einen überarbeiteten Entw., der von WTB Nr. 209 am 29.1.32 veröffentlicht wurde (Vermerk von MinR Vogels mit Entw. und WTB-Meldung in R 43 I /336 , Bl. 151–156).

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