1.174.2 (bru3p): 2. Genehmigung zur Aussage eines früheren Reichsministers in einem Beleidigungsverfahren.

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2. Genehmigung zur Aussage eines früheren Reichsministers in einem Beleidigungsverfahren.

Der Reichsminister der Justiz trug den Sachverhalt entsprechend seiner früheren Kabinettsvorlage (vgl. Anlage 1) vor. Er wies darauf hin, daß das Gericht sich vorbehalten habe, auch den früheren Reichsbankpräsidenten Schacht zu vernehmen, jedoch nur, falls festgestellt werde, daß Schacht an der betreffenden Verhandlung teilgenommen habe, in der der Reichsminister a. D. Wirth die fragliche Äußerung getan haben soll. Es handele sich zunächst also um die Frage der Genehmigung der Aussage für den Reichsminister a. D. Wirth11.

11

Der RJM hatte in seiner Vorlage vom 10.9.31 um Aussagegenehmigungen des RM a. D. Wirth und des RbkPräs. a. D. Schacht in einem Beleidigungsverfahren Wirths gegen den Reisenden Friedrich Plattner beantragt. Plattner hatte folgende Behauptung über die Haager Konferenz von 1930 aufgestellt: „Bei einem Hin und Her zwischen den Delegationen in der Sanktionsfrage habe der englische Schatzkanzler Snowden die Entschließung beantragt, daß nur mit vorheriger Zustimmung der alliierten Vertragsgegner eine neue Besetzung deutscher Gebiete durch Frankreich möglich wäre. Darauf habe sich Dr. Wirth erhoben und erklärt, daß er Frankreich das Recht zuerkenne, ohne die Einwilligung der übrigen Vertragsmächte die Besetzung des Gebiets vorzunehmen. Snowden habe hierauf erklärt: Meine Herren, ich kann nicht deutscher sein wie die Deutschen und ziehe hiermit meinen Antrag zurück“ (Vorlage in R 43 I /1454 , Bl. 186–187, Zitat Bl. 186, Anlagen Bl. 188–197).

Dieser habe dem Gericht bereits schriftlich mitgeteilt, daß die Behauptungen des Beschuldigten erlogen seien. Auch Snowden habe ihm das nachträglich bestätigt, daß die Behauptungen falsch seien. Reichsminister a. D. Wirth wünsche dringend, sich äußern zu dürfen.

Bei der Schwere der Vorwürfe verstehe er, Minister Joël, den Wunsch des Reichsministers a. D. Wirth. Bei einer einigermaßen geschickten Verhandlungsleitung[2336] halte er es wohl für möglich, die vom Auswärtigen Amt befürchteten Gefahren zu vermeiden.

Staatssekretär Dr. von Bülow erklärte, das Auswärtige Amt trage sehr ernste Bedenken, daß eine der wichtigsten Fragen der Außenpolitik vor einem kleinen Gericht12 verhandelt würde, das sodann dazu wahrscheinlich Werturteile abgeben werde. Außerdem richteten sich die Bedenken dagegen, daß Reichsminister a. D. Wirth dem Reichsbankpräsidenten a. D. Schacht gegenübergestellt werden solle. Sachlich würden die schriftlichen Erklärungen Minister Wirths auch bestritten werden, und zwar sicherlich von Schacht. Dieser stelle in seinem Buch „Das Ende der Reparationen“ Behauptungen auf, die mit dem schriftlich niedergelegten Standpunkt des Ministers Wirth in Widerspruch ständen13.

12

Das Verfahren fand vor dem Schöffengericht Freiburg i. Br. statt.

13

Vgl. zu Schachts Darstellung Dok. Nr. 272, P. 3.

Der Reichskanzler erklärte, die Hauptgefahr auch in einer Gegenüberstellung des Ministers Wirth mit dem Reichsbankpräsidenten a. D. Schacht zu sehen.

Der Reichsminister der Justiz erklärte, diese Gegenüberstellung werde nicht erfolgen brauchen, wenn Schacht bei der fraglichen Verhandlung nicht zugegen gewesen sei. Das sei aber nach der Mitteilung des Staatssekretärs Dr. von Bülow nicht der Fall. Das Gericht könne außerdem gebeten werden, die politische Frage der Sanktionsklausel nicht zu ausgiebig zu behandeln. Die Genehmigung zur Aussage könne dem Minister a. D. Wirth seiner Ansicht nach schwer verweigert werden.

Der Reichsminister der Finanzen schloß sich dieser Ansicht an und meinte, ein Minister würde andernfalls vogelfrei sein.

Staatssekretär Dr. von Bülow empfahl, die persönlichen Rücksichten zurückzustellen wegen der Gefahr, daß ein Präzedenzfall geschaffen würde, der sehr unerwünschte Folgen haben könne. Es sei bisher nicht üblich gewesen, derartige Fragen von höchster Bedeutung für die Politik des Reichs durch kleine örtliche Gerichte nachprüfen zu lassen.

Das Kabinett beschloß, die Verhandlung über die Angelegenheit in einer späteren Sitzung fortzusetzen14.

14

Hierzu Dok. Nr. 691, P. 7.

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