1.177.4 (bru3p): 4. Finanzierung der Russengeschäfte.

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4. Finanzierung der Russengeschäfte.

Der Reichswirtschaftsminister trug den Sachverhalt entsprechend seiner Kabinettsvorlage […] vor10. Er ergänzte deren Inhalt namentlich durch den Hinweis darauf, daß die erbetene Reichshilfe zur Finanzierung der abgeschlossenen Geschäfte im dringenden Interesse der Eisen-, Waggon-, Maschinen- und Werkzeug-Industrie liege. Nach der gegenwärtigen Lage des Arbeitsmarktes müsse die Angelegenheit heute noch anders beurteilt werden als vielleicht noch vor acht Wochen11.[2349] Er bäte daher um Annahme des Vorschlages der Kabinettsvorlage, daß das Reich bei der Beschaffung der erforderlichen rd. 120 Millionen RM helfe.

10

In seiner Kabinettsvorlage vom 1.2.32 hatte der RWiM beantragt, daß die RReg. auf die Rbk einwirkt, damit diese einen Rediskontkredit von 120 MioRM zur Finanzierung der noch nicht untergebrachten Russengeschäfte ermögliche. Das Gesamtobligo des Reichs an Ausfallbürgschaften betrüge 420 MioRM. Weitere Ausfallbürgschaften sollten nicht übernommen werden. Ein Bankenkonsortium habe 195 MioRM bereitgestellt, notwendig seien aber weitere 120 MioRM, die die Rbk der Industrie zur Verfügung zu stellen sich bisher geweigert habe (R 43 I /140 , Bl. 268–269).

11

Schäffer notierte in seinem Tagebuch unter dem 2.3.32: „Warmbold: a) Finanzierung der 120 Millionen Altgeschäft; b) neue Aufträge von 180–300 Millionen, Vereinigte Stahlwerke und Klöckner bis 140 Millionen, 160 Millionen für Waggonindustrie, Elektroindustrie 40, einige kleinere Industrien mit kleineren Beträgen. Wenn die Eisenindustrie den Russenauftrag nicht hineinnimmt, muß sie zu neuen Entlassungen schreiten. Mit dem Auftrag kann sie 40–45 000 Mann beschäftigen, die sonst entlassen werden müssen. 5 000 Mann können neu eingestellt werden. und die Feierschichten können reduziert werden. Schiele: Exportmöglichkeiten der Landwirtschaft kommen in der nächsten Zeit mit 8 Millionen Mark. Der Reichsbankpräsident soll alles tun, um die Finanzierung zu ermöglichen“ (IfZ ED 93, Bd. 19, Bl. 292–293).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft unterstützte den Vorschlag dringend. Die Förderung der Ausfuhrindustrie erscheine ihm sehr notwendig.

Der Reichsverkehrsminister unterstützte den Vorschlag gleichfalls. Er machte Mitteilung von Verhandlungen mit den Russen, in denen versucht worden sei, das Einverständnis der Russen zur Abnahme alter deutscher Waggons zu erlangen, damit die Reichsbahn neue Waggons für den deutschen Verkehr beschaffen könne. Eine solche Verständigung habe deswegen besonders erwünscht erschienen, weil die Mittel der Reichsbahnanleihe nur geringe Möglichkeiten böten, der deutschen Waggonindustrie zu helfen. Die Russen wollten aber nur neues Material.

Der Reichspostminister äußerte Bedenken gegen eine weitere Reichshilfe für Russengeschäfte, weil vielfach über russisches Dumping mit Getreide und Holz geklagt werde12. Er befürchte, daß die Russen auf diese Weise die deutschen Lieferungen bezahlten.

12

Vgl. hierzu die Eingabe der Notgemeinschaft für Holz an den RK vom 27.1.32 (Abschrift in R 43 I /140 , Bl. 264).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bezeichnete diese Befürchtungen bezüglich des Getreides für unbegründet13. Was die Konkurrenz des russischen Holzes angehe, so erfahre der deutsche Holzmarkt einen starken Druck durch umfangreiche Konsignationsläger, die die Russen in Deutschland für ihren Holzabsatz unterhielten. Die Unterhaltung dieser Läger werde aber nach vielfachen Klagen der betroffenen deutschen Kreise von deutschen Banken finanziert. Diese lieferten unverständlicherweise die Geldmittel gegen Lombardierung der Lagerbestände.

13

Vgl. Dok. Nr. 682, P. 2.

Staatssekretär von Bülow wies darauf hin, daß Deutschland die Gewährung von Krediten an Rußland vom Ausland verschiedentlich schon verübelt worden sei, und zwar nicht allein von Frankreich, sondern auch von England. Er habe mit Rücksicht auf die Reparationspolitik Bedenken, in der Reichshilfe für Russengeschäfte noch weiterzugehen.

Staatssekretär Dr. Schäffer erklärte, mit dem gegenwärtigen Plan werde man im Umfang der erteilten Bürgschaften bleiben und nur die Ausführung der bereits angenommenen Aufträge ermöglichen. Weitere Bürgschaften seien nicht erforderlich.

Der Reichsbankpräsident erklärte, die Zurückhaltung, die der Reichsbank in der Angelegenheit vorgeworfen werde, rechtfertige sich daraus, daß überhaupt[2350] noch kein Bankenkonsortium für die Durchführung der Finanzierung bestehe. Ein Rediskontkredit der Reichsbank sei dagegen bereits zugesagt14.

14

Aus Luthers Tagebuchaufzeichnung über die Kabinettssitzung vom 2.3.32: „Auf meine Frage, ob denn ein Konsortium für die 120 Millionen da sei, erwiderte Warmbold, zunächst müsse doch der Rediskontkredit da sein, worauf ich erwiderte, daß früher die geschäftliche Praxis jedenfalls umgekehrt gewesen sei“ (Nachl. Luther , Nr. 368, Bl. 157–159, hier Bl. 158).

Der Reichskanzler meinte, unter diesen Umständen sei es zweckmäßig, daß die Angelegenheit in einer Chefbesprechung weiter geklärt werde.

Der Reichsarbeitsminister erklärte sich mit einer Chefbesprechung über die Angelegenheit einverstanden. Er wünsche aber, daß einmal eine Klärung herbeigeführt werde, welche Projekte vom Reich finanziert werden könnten und sollten. Dabei müßten die Siedlung und andere Projekte, an denen die Arbeitnehmer interessiert seien, endlich einmal Berücksichtigung finden. Er teilte mit, daß die freien Gewerkschaften am 23. März eine große Erörterung der Arbeitsbeschaffung beginnen wollten. Er halte es für erforderlich, einer solchen Aktivität zuvorzukommen15.

15

Vgl. Dok. Nr. 699, P. 10.

Der Reichspostminister meinte, es wäre wünschenswert, daß dem Kabinett auch einmal ein Überblick gegeben werde, welche Bürgschaften und Verpflichtungen vom Reich für wirtschaftliche Stützungen eingegangen worden seien.

Staatssekretär Dr. Schäffer erklärte, solcher Aufschluß könne leicht gegeben werden.

Das Kabinett beschloß, daß die Angelegenheit in einer Chefbesprechung näher erörtert werden solle16.

16

Am 4.3.32 einigten sich Warmbold und Luther, daß die Verträge über Russenaufträge auf RM mit Feingoldklausel lauten sollten; unter dieser Bedingung würde die Rbk den Rediskontkredit von 120 MioRM zur Verfügung stellen (Nachl. Luther , Nr. 368, Bl. 149 f.). Nach einem Schreiben des RWiM vom 21.3.32 hatte die Rbk am 3.3.32 noch zusätzlich einen Rediskontkredit von 120–150 MioRM zur Verfügung gestellt (R 43 I /140 , Bl. 365–369). Vgl. auch Dok. Nr. 713 und Dok. Nr. 715, P. 2.

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