1.187.1 (bru3p): 1. Wirtschaftspolitische Maßnahmen (Konsumvereine, Beamtenwirtschaftsverein Berlin).

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[2395]1. Wirtschaftspolitische Maßnahmen (Konsumvereine, Beamtenwirtschaftsverein Berlin).

Der Reichswirtschaftsminister teilte mit, daß aufgrund des Beschlusses des Kabinetts vom 18. März 19321 am Sonnabend, dem 19. März 1932, die beteiligten Ressorts über die Lage der Unternehmungen der Konsumvereine, insbesondere über die Lage des Beamtenwirtschaftsvereins Berlin nähere Feststellungen getroffen und die Frage geklärt hätten, wie dem Beamtenwirtschaftsverein Berlin über die nächsten Wochen hinweggeholfen werden könne.

1

Vgl. Dok. Nr. 699, P. 7 und 8.

Ministerialrat Ronde machte nähere Angaben über diese Besprechung und deren Ergebnis. Er teilte mit, daß die Ressorts sich insbesondere mit folgenden drei Fragen befaßt hätten:

1. Ob die Hilfe für den Beamtenwirtschaftsverein hinsichtlich seiner finanziellen und wirtschaftlichen Lage einen Aufschub vertrage;

2. Ob eine vorübergehende Hilfe im Rahmen der angespannten öffentlichen Finanzen möglich sei,

3. Ob eine Hilfe für den Beamtenwirtschaftsverein Auswirkungen auf andere ähnliche Unternehmen haben würde.

Zur finanziellen Lage der B.W.v. sei festgestellt worden, daß die Höhe der Sparguthaben von 9 Millionen RM zur Zeit der letzten Kabinettsberatung zurückgegangen sei auf 8,9 Millionen RM. Der Unterschied beruhe auf den in der Zwischenzeit erfolgten Rückzahlungen. Von den Guthaben entfielen 80% auf Beträge unter 5 000 RM. Die in der letzten Kabinettssitzung vertretene Annahme sei bestätigt worden, daß eine Sanierung des Unternehmens nicht aufgeschoben werden könne, wenn nicht wenigstens eine vorübergehende Hilfe erfolge.

Der Bedarf an flüssigen Mitteln betrage bis gegen Mitte April etwa 500 000 RM, vorausgesetzt, daß nicht etwa durch Beunruhigung der Öffentlichkeit ein Run der Einleger ausgelöst werde. Bei diesem Betrage sei damit gerechnet, daß ein wesentlicher Teil auf Rückzahlung für weitere Abhebungen verwendet werden würde.

Die Verhandlungen mit dem Unternehmen hätten ergeben, daß für einen Liquiditätskredit von 500 000 RM noch Sicherheiten dem Reich gegeben werden könnten, und zwar für 300 000 RM eine Beteiligung an der Gepag2 und ferner eine Forderung von 200 000 RM an die Stadt Berlin aus einem Steuerstreit. Diese Forderung sei geklärt. Der Betrag werde nur aus besonderen Gründen von der Stadt Berlin einstweilen zurückgehalten.

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Großeinkaufs- und Produktions AG Dt. Konsumvereine, Köln.

Die Beratung der beteiligten Ressorts am 19. März 1932 habe also zu dem Ergebnis geführt, daß es möglich wäre, einen Kredit von 500 000 RM gegen die erwähnten Sicherheiten zu geben und ferner, daß auch die Hypothekengläubiger zum Stillhalten veranlaßt werden könnten.

Die Besprechung habe sich auch mit der Lage der übrigen Unternehmungen der Konsum-Vereine, und zwar sowohl der Gruppe Köln wie der Hamburger Gruppe befaßt3. Es sei festgestellt worden, daß von der Kölner Gruppe, die Eintracht in[2396] Köln und der Beamtenwirtschaftsverein in Dortmund Schwierigkeiten hätten, die erwarten ließen, daß die beiden Unternehmen sich in der nächsten Zeit mit Stützungswünschen melden würden.

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Vgl. Dok. Nr. 699, Anm. 26.

Von der Hamburger Gruppe seien etwa 6 Unternehmen in Not. Davon hätten 4 zusammen einen Bedarf von 1 Million RM. Außerdem würden 12–13 weitere Unternehmen dieser Gruppe voraussichtlich in der nächsten Zeit in Schwierigkeiten geraten.

Alle diese Fälle seien jetzt noch nicht zu beheben, weil sie nicht genügend geklärt seien, es sei denn, daß das Kabinett die von den beiden Zentralen erbetenen Pauschbeträge als verlorene Zuschüsse gewähren wolle4.

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Der RWiM legte am 2.5.32 eine erneute Kabinettsvorlage vor, nach der die beiden Konsumzentralen nun 16 MioRM vom Reich benötigten (R 43 I /674 , Bl. 115–127). In seinem Referentenvortrag vom 6.2.32 lehnte RegR Krebs unter Berufung auf den Kabinettsbeschluß vom 21.3.32 jede Unterstützung ab. Eine Beratung der Kabinettsvorlage hat im Rkab. Brüning nicht stattgefunden: siehe Dok. Nr. 739, P. 3 und Dok. Nr. 761, P. 4. Vgl. auch Dok. Nr. 725, P. 3.

Der Reichswirtschaftsminister schlage infolgedessen vor, dem Beamtenwirtschaftsverein als vorübergehende Hilfe einen Liquiditätskredit von 500 000 RM gegen die erwähnten Sicherheiten zu geben.

Staatssekretär Dr. Schäffer warf die Frage auf, welche Konsequenzen sich ergeben würden, falls vor der weiteren Erörterung des Problems ein Run entstehen sollte.

Ministerialrat Ronde teilte mit, daß von dem Sparguthaben des Beamtenwirtschaftsvereins 1,7–1,9 Millionen RM Tagesgelder darstellten.

Staatssekretär Dr. Schäffer erklärte sich darauf mit dem Vorschlag des Reichswirtschaftsministers grundsätzlich einverstanden. Er meinte, man müsse vielleicht gleichzeitig vorsehen, welche Maßnahmen im Falle einer Beunruhigung der Öffentlichkeit zu treffen wären.

Der Reichspostminister äußerte Bedenken gegen die vorgeschlagene Hilfe, weil es sich um ein Unternehmen von lediglich lokaler Bedeutung handele, weil Berufungen zu befürchten wären und weil in solchen Fällen für den Süden des Reichs Hilfe nicht üblich wäre. Verschiedene Bankunternehmungen im Süden z. B. habe man ohne weiteres sich selbst überlassen.

Der Reichswirtschaftsminister stellte demgegenüber fest, daß es sich nur um einen Liquiditätskredit handele, nicht etwa um einen verlorenen Zuschuß. Die Sicherheiten wären ausreichend. Ein Verlust brauche infolgedessen bei einer ruhigen Abwicklung für das Reich nicht befürchtet zu werden.

Der Reichsminister der Justiz teilte die Bedenken des Reichspostministers, daß die Fälle sich mehren würden, in denen geholfen werden müsse. Auf den Unterschied zwischen Nord und Süd käme es dabei nicht an.

Ministerialdirektor Reichardt teilte zur Sachlage ergänzend noch mit, daß auch folgende Bedenken beachtet werden müßten. Man habe in den Verhandlungen mit dem Beamtenwirtschaftsverein nur mit Mühe eine Stellungnahme vermieden, wie die Reichsregierung über die weitere Entwicklung des Unternehmens denke. Der B.W.v. rechne gleichwohl im Falle der vorübergehenden Hilfe auch mit einer Hilfe für eine endgültige Sanierung. Vielleicht lasse er sich dadurch auch beeinflussen, bei seinen Erwägungen über die Frage eines Konkursantrages. Ferner schwebten[2397] Verhandlungen des Vereins mit der Hypothekenbank Hamburg-Mannheim wegen einer hypothekarischen Begebung von 500 000 RM zur Ablösung der bisherigen Hypothek von 1 Million aus 1. April. Auch diese Bank wolle ihre Beleihung von einer endgültigen Sanierung abhängig machen. Schließlich sei immerhin die Gefahr eines Runs nicht ganz ausgeschaltet.

Staatssekretär Dr. Schäffer erklärte, diese Bedenken zu teilen. Trotzdem halte er aber die vorgesehene vorübergehende Hilfe auch wirtschaftlich für unbedingt vertretbar. Vor der bevorstehenden Wahl des Reichspräsidenten würde die innerpolitische Verhetzung im Lande die Gefahren aus einem Zusammenbruch des Unternehmens nach jeder Richtung, und zwar für das Unternehmen selbst wie für weitere Kreise erheblich vermehren. Nach diesem Zeitpunkt dagegen könne viel eher mit einer ruhigen Abwicklung gerechnet werden. Das Kabinett müsse sich allerdings klar werden, wieweit es in der Angelegenheit gehen wolle.

Der Reichspostminister wiederholte demgegenüber seine grundsätzlichen Bedenken.

Der Reichsarbeitsminister meinte, es sei sehr schwer, jede Hilfe abzulehnen, nachdem Banken, Reedereien und gewerbliche Genossenschaften mit öffentlichen Mittel gestützt worden seien.

Der Reichskanzler erklärte, er sei auch grundsätzlich ein Gegner solcher Unternehmungen. Er sei sogar dafür, daß ein Gesetz gemacht werde, um künftighin den Beamtenorganisationen solche Unternehmungen zu verbieten. Gleichwohl halte er aber nicht für möglich, in der jetzigen Lage diesen Genossenschaften jede Hilfe zu versagen, nachdem die pommerschen landwirtschaftlichen Genossenschaften mit 7 Millionen RM gestützt worden seien. Es scheine ihm ausgeschlossen, alle Beamtenorganisationen einfach fallen zu lassen. Diese müßten wohl sämtlich liquidiert werden. Wenn das Kabinett aber jede Hilfe ablehne, so sei zu befürchten, daß der Reichstag sich für die Angelegenheit einsetze. Dann sei zu erwarten, daß diese das Reich weit mehr kosten werde, als was das Kabinett zubilligen werde.

Über den Fall eines Runs zu debattieren halte er für nicht notwendig, weil in dem Fall der vorgesehenen Hilfe eine Beunruhigung der Öffentlichkeit nicht wahrscheinlich sei.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß er bereits vorgeschlagen habe, in weiteren Fällen nicht die Unternehmen zu stützen, sondern die Sparguthaben – eventuell teilweise – zu garantieren.

Das Kabinett beschloß, daß dem Beamtenwirtschaftsverein, entsprechend dem Vorschlage des Reichswirtschaftsministers, ein Liquiditätskredit von 500 000 RM gewährt werden kann gegen Überlassung von Sicherheiten in Höhe von 500 000 RM, über die die beteiligten Ressorts in ihrer Besprechung vom 19. März 1932 eine vorläufige Verständigung getroffen haben. Die nähere Regelung der Sicherheiten soll durch die Ressorts erfolgen.

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