1.19.1 (bru3p): Stillhaltefragen.

Zur ersten Fundstelle. Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Stillhaltefragen.

Staatssekretär Dr. von Bülow machte kurze Mitteilung über den Standpunkt, den der amerikanische Botschafter am Tage vorher in einer Besprechung mit dem Herrn Reichskanzler und ihm zur Reparations- und Stillhaltefrage vertreten hatte1. Danach ist Herr Sackett persönlich der Meinung, daß zunächst der beratende Sonderausschuß einberufen werden muß zur Behandlung der Reparationsfrage und daß erst dann über die Frage der privaten Schulden weiter verhandelt werden kann. Bei diesen Verhandlungen müsse sich ergeben, welche Beträge für die politischen und für die privaten Schulden verfügbar sind. Sackett habe aber ausdrücklich bemerkt, daß dies seine persönliche Auffassung von den Dingen sei und daß er nicht für seine Regierung spreche.

1

Siehe Dok. Nr. 530.

[1894] Der Reichskanzler fügte ergänzend hinzu, daß er die Auffassung von Sackett nicht teilen könne. Wir seien bisher davon ausgegangen, daß die Regierungen es zu einer Konkurrenz zwischen den privaten und den politischen Gläubigern kommen lassen müssen und daß dann sowohl an den privaten wie auch an den politischen Schulden ein Nachlaß gemacht werden müsse. Er sei nach wie vor der Meinung, daß die deutsche Regierung zunächst ihre Vorschläge zur Verzinsung und Rückzahlung der Deutschland gewährten Kredite machen müsse. Die Frage der politischen Schulden komme erst in zweiter Linie.

Botschafter von Hoesch machte Mitteilungen über seine Gespräche, die er mit Herrn Laval vor der Abreise nach Washington geführt hatte. Herr Laval hat zuerst die Absicht gehabt, die Schuldenzahl um 50% zu ermäßigen. Als sich dieser Weg nicht gangbar erwiesen habe, habe er eine Verlängerung des Hoover-Jahres angestrebt. Mit diesem Gedanken sei er aber bei den Franzosen selbst auf Widerstand gestoßen. Frankreich werde einer Verlängerung des Hoover-Jahres nur dann zustimmen, wenn gleichzeitig Garantien dafür geboten würden, daß es innerhalb des neuen Feierjahres zu einer endgültigen Regelung der Reparationen kommen werde. Laval sei abgereist mit dem Plan, die ungeschützte Annuität nur um den Prozentsatz kürzen zu lassen, um den die Amerikaner die interalliierten Schulden streichen würden. Angesichts dieser Einstellung sei eine Einigung mit Hoover von vornherein aussichtslos gewesen2.

2

Vgl. dazu auch Hoeschs Telegramme Nr. 1100 vom 14.10.31 (R 43 I /330 , Bl. 160–163) und Nr. 1120 vom 19.10.31 (R 43 I /330 , Bl. 195–198).

Im gegenwärtigen Stadium der Dinge könne er sich von einer Regierungskonferenz einen Erfolg nicht versprechen. Das Einzige, was möglich erscheine, sei die Einberufung eines Sachverständigenausschusses und zwar könne wohl nur an den beratenden Sonderausschuß des Young-Plans gedacht werden.

Der Reichskanzler betonte wiederholt, daß Deutschland zunächst einmal seinen Plan für die Tilgung der privaten Schulden vorlegen müsse, um nicht in den Verdacht eines unehrlichen Schuldners zu gelangen3. In welcher Weise dieser Plan alsdann Verwendung fände, sei eine zweite Frage, die einstweilen offen bleiben könne.

3

Vgl. Dok. Nr. 528, Anm. 6.

Staatssekretär Dr. von Bülow äußerte sich dahin, daß der springende Punkt darin zu erblicken sei, die Amerikaner davon zu überzeugen, daß die politischen Zahlungen absolut unfruchtbar seien.

Zur Weiterberatung wurde dann der Sonderausschuß des Wirtschaftsbeirats, bestehend aus den Herren Silverberg, Schmitz, Schmitt und Pferdmenges zugezogen. Ferner für das Reichsfinanzministerium Ministerialdirektor Graf Schwerin von Krosigk, Ministerialdirektor Dr. Zarden, Ministerialrat Dr. Berger und Oberregierungsrat Prause; für das Reichswirtschaftsministerium Ministerialdirektor Dr. Reichardt und Ministerialrat Dr. Ronde; für die Reichsbank Geheimrat Vocke.

Der Reichskanzler setzte kurz die Gründe für die Notwendigkeit der Aufstellung eines neuen Stillhalteplans auseinander. Er bat, bei den Ausschußberatungen die Frage der Art und Verwendung des aufzustellenden Plans nicht zu disktuieren, diese vielmehr den mit den Gläubigerverhandlungen zu führenden diplomatischen[1895] Verhandlungen vorzubehalten. Es wurde ferner kurz erörtert, daß bei den Stillhalteverhandlungen eine Staatsmitwirkung sowohl des Reichs wie auch der Gläubigerregierung zugrundegelegt werden könne.

Nach dieser kurzen Vorbesprechung wurden die bereits vorher in Aussicht genommenen Sachverständigen zur Beratung zugezogen, nämlich die Herren Dr. Bachem, Dr. Haller, Dr. Jeidels, Bankier Löb, Bankdirektor Ritscher, Bankdirektor Schlieper, Bankdirektor Wassermann und Otto Wolff. Nach einleitenden Worten des Herrn Reichskanzlers berichtete Geheimrat Vocke anhand der in der Sitzung zur Verteilung gelangenden schriftlichen Aufstellung vom 30. Oktober 1931 über die Grundlagen für einen Plan der Umschuldung der kurzfristigen deutschen Auslandsverschuldung in eine langfristige4.

4

Der Plan der Rbk vom 30.10.31 reduzierte die Auslandsverpflichtungen von 12 Mrd. RM durch Rückzahlungen bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung und deutschen Forderungen an ausländische Schuldner auf 6 Mrd. RM. Von den zu erwartenden jährlichen dt. Exportüberschüssen in Höhe von 2 Mrd. RM sollten 300 MioRM als Währungsreserve für die Rbk abgezweigt werden, 1 Mrd. RM waren jährlich für die Verzinsung und Amortisation der nicht von dem neuen Plan erfaßten langfristigen Auslandsschulden, einschließlich Dawes- und Young-Anleihe, notwendig. Für Abzahlungen aus dem Plan standen daher 700 MioRM jährlich zur Verfügung. Mit dieser Summe sollten die 6 Mrd. RM Auslandsverbindlichkeiten bei einer Verzinsung von 5,5% in 10 Jahren umgeschuldet werden. Die Rbk schlug für diese Transaktionen die Errichtung einer Umschuldungsbank, eventuell in Verbindung mit der Vorhaftung des Golddiskontgarantieverbands (500 MioRM) vor. Die Umschuldungsbank sollte den Gläubigern Bonds über die umgeschuldeten Beträge geben (R 43 I /316 , Bl. 312–315).

 

Staatssekretär Dr. Schäffer machte anhand der gleichfalls vorliegenden schriftlichen Aufzeichnungen nähere Darlegungen über die vorliegenden Umschuldungspläne von Schmitz, Simmonds, Francqui, Keesing, Quesnay5 und Somary6. Anschließend entwickelten die Herren Wassermann und Wolff die von ihnen selbst ausgearbeiteten Pläne. Hieran knüpfte sich eine eingehende Generaldiskussion. Da eine Einigung über die dem Plane zugrunde zu legenden Umschuldungsmasse nicht möglich war, wurde beschlossen, am Nachmittage bei der Reichsbank in kleinerem Kreise eine Sichtung des statistischen Materials über die deutsche Auslandsverschuldung vorzunehmen und die Generaldiskussion sodann am kommenden Tage, Sonntag, den 1. November 1931 vormittags 10.00 Uhr fortzusetzen7.

5

Siehe Dok. Nr. 522, Anm. 6.

6

Der Plan des österr. Bankiers Somary sah die Gründung einer Umschuldungsbank vor. Die Gläubiger sollten 25% ihrer kurzfristigen Forderungen in Aktien der Bank erhalten, 25% in langfristigen Obligationen und 50% in 3–5jährigen, niedrig verzinslichen Kassenscheinen (Zusammenstellung der Rkei über die verschiedenen Konsolidierungspläne in Durchschrift in R 43 I /316 , Bl. 316–321, hier Bl. 321).

7

Siehe Dok. Nr. 534.

Extras (Fußzeile):