1.191.1 (bru3p): 1. Regelung des Reparationsabkommens mit Amerika.

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1. Regelung des Reparationsabkommens mit Amerika.

Die Besprechung war erforderlich geworden wegen folgenden Sachverhalts:

Bei den Verhandlungen des Londoner Sachverständigen Komitees, die zum Abschluß der Vereinbarungen vom August 1931 über die Durchführung des Hoover-Jahres führten1, bestand Übereinstimmung aller Beteiligten darüber, daß wegen der Verpflichtungen aus dem Deutsch-amerikanischen Schuldenabkommen vom 13. März 19302 eine entsprechende Vereinbarung zwischen Deutschland und Amerika herbeigeführt werden soll. Das vorgenannte deutsch-amerikanische[2405] Schuldenabkommen regelt die Bezahlung der für die amerikanische Besatzungsarmee geschuldeten Beträge und ferner die Mixed Claims.

1

Vgl. Dok. Nr. 411, P. 3.

2

Das dt.-amerik. Schuldenabkommen vom 13.3.30 war Bestandteil des Youngplans (RGBl. 1930, II, S. 385 ).

In den Londoner Vereinbarungen vom August war vorgesehen, daß die aufgrund des Hoover-Plans gestundeten Leistungen vom 1. Juli 1933 ab in 10 Jahreszahlungen zu zahlen sind und daß die Rückzahlungsannuitäten vom 1. Juli 1932 ab mit 3 v. H. zu verzinsen sind. Nachträglich hat der amerikanische Kongreß einseitig den Zinssatz auf 4 v. H. erhöht. Mit dieser Erhöhung haben sich die übrigen Mächte einstweilen abgefunden, und zwar aus der Erwägung heraus, daß der Frage eine besondere praktische Bedeutung kaum beikommen wird, da niemand ernstlich mit der Wiederaufnahme der Zahlungen nach dem 1. Juli 1932 rechnet.

Der in Aussicht genommenen deutsch-amerikanischen Regelung stellen sich insofern Schwierigkeiten entgegen, als die Franzosen unter keinen Umständen zulassen wollten, daß Deutschland während des Hoover-Jahres die Mixed Claims an Amerika weiter zur Auszahlung bringt3. Deutscherseits war die Bereitwilligkeit zur Leistung dieser Zahlungen zugestanden worden, weil Amerika bereit war, für den Fall dieser deutschen Leistungen seinerseits die deutschen Ansprüche aus dem Mixed Claims-Abkommen zu befriedigen. Diese deutschen Ansprüche übersteigen bei weitem die deutschen Verpflichtungen. Da der französische Widerstand nicht zu beseitigen war, wurden die Verpflichtungen, die Deutschland Amerika gegenüber während des Hoover-Jahres hat, dadurch aufgehoben, daß Deutschland – entsprechend einer amerikanischen Anregung – für seine Verpflichtungen aus dem deutsch-amerikanischen Schuldenabkommen ein Moratorium erklärte. Die Möglichkeit zur Erklärung eines solchen Moratoriums ist in dem vorgenannten Schuldenabkommen ausdrücklich vorgesehen. Allerdings sind die Bedingungen des Moratoriums andere als die Bedingungen der Londoner Vereinbarung vom August 1931. Insbesondere sind die aufgeschobenen Zahlungen jährlich mit 3⅝ v. H., halbjährlich zahlbar, zu verzinsen. Der erste Zinstermin ist der 31. März 1932.

3

Vgl. Dok. Nr. 411, Anm. 12.

Bei Abgabe der deutschen Moratoriumserklärung war Botschafter von Prittwitz beauftragt worden wegen der Zinsfrage mit den Amerikanern alsbald zu verhandeln4. Derartige Verhandlungen hat Botschafter von Prittwitz aber anscheinend nicht geführt. Infolgedessen hat die amerikanische Regierung kurz vor Herannahen des Fälligkeitstermins für die Zinsen sowohl für die Mixed Claims wie auch für die Besatzungskosten die deutsche Regierung an die Zahlung gemahnt, und zwar mit dem Memorandum, das durch Schreiben des Auswärtigen Amts vom 24. März 1932 hierher gelangt ist5. Dieses Memorandum verlangt kategorisch, daß Deutschland zum 31. März seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Die Zinsverpflichtungen betragen für die Mixed Claims rund 500 000 RM, für die Besatzungskosten rund 250 000 RM.

4

Handschriftliche Randbemerkung: „Vgl. Interaktion vom 23.9.31“.

5

Durchschrift des amerik. Memorandums und einer Aufzeichnung MinDir. Dieckhoffs vom 24.3.32 in R 43 I /99 , Bl. 108–116.

In einer Ressortbesprechung, die am 26. März im Reichsfinanzministerium unter Vorsitz von Staatssekretär Dr. Schäffer stattfand, waren sämtliche beteiligten Ressorts und die Reichsbank darüber einig, daß die Zinsen für die Mixed Claims,[2406] trotz entgegenstehender Bedenken, gezahlt werden sollen6. Bedenken wurden insofern geltend gemacht, als es sich um eine deutsche Zahlung während des Hoover-Jahres handelt, die zur Abdeckung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen Deutschlands an Amerika geleistet werden. Es wurde befürchtet, daß die übrigen Gläubiger-Mächte Deutschlands sich demnächst auf diese Zahlung berufen werden und ihrerseits neue Forderungen Deutschland gegenüber anmelden werden. Andererseits aber wurde anerkannt, daß die amerikanische Regierung sich dem Kongreß gegenüber in einer schwierigen Situation befindet, weil sie keine Möglichkeit hat, ohne den Kongreß auf die Zinszahlung zu verzichten. Der Kongreß ist aber für die Verzichtserklärung nicht zu haben. Die deutsche Weigerung würde daher die öffentliche Meinung Amerikas in unerwünschtester Weise gegen Deutschland aufbringen und gewichtige andere deutsch-amerikanische Interessen gefährden. Erwähnt wurden in diesem Zusammenhang die schwebenden Auseinandersetzungen wegen der Zahlung weiterer Beträge aus dem Freigabeabkommen7 und ferner die Verhandlungen des Reichsernährungsministeriums wegen Ankauf von 200 000 t Weizen auf Kredit8. Dagegen wurde in der Ressortbesprechung vom 26. März noch keine endgültige Entscheidung darüber getroffen, wie die Besatzungskostenfrage geregelt werden solle. Die Amerikaner fordern in dieser Hinsicht entweder Zahlung der fälligen Zinsen oder sofortigen Abschluß einer Vereinbarung über die zukünftige Behandlung der aufgeschobenen Beträge. Der Inhalt dieses neu zu schließenden Abkommens ergibt sich aus dem Telegramm der deutschen Botschaft vom 29. März Nr. 106. Deutschland soll darin insbesondere die Verpflichtung übernehmen, mit der Rückzahlung der aufgeschobenen Beträge nach Ablauf des Hoover-Jahres zu beginnen und ferner die Beträge mit 4 v. H. zu verzinsen9. Aufgrund der Aussprache wurde Übereinstimmung dahin erzielt, daß die Zinszahlung abzulehnen ist, daß dagegen die grundsätzliche Bereitwilligkeit erklärt werden soll, das uns gewissermaßen aufgezwungene neue Abkommen abzuschließen. Man war sich darüber einig, daß der Abschluß eines solchen Abkommens auf die Dauer doch nicht vermieden werden kann, keinesfalls aber bis zur Lausanner Konferenz hinausgezögert werden kann. An Bedenken, die gegen den Abschluß der Vereinbarung sprechen, wurden hauptsächlich folgende erörtert:

6

Vgl. die Tagebuchaufzeichnung Schäffers vom 26.3.32 in IfZ ED 93, Bd. 19, Bl. 408–411.

7

Amerik. Ges. zur Freigabe des während des Ersten Weltkrieges in den USA beschlagnahmten dt. Vermögens vom 29.2.28; vgl. diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 257, Anm. 2.

8

Vgl. Dok. Nr. 403, Anm. 4 und Dok. Nr. 641, P. 8.

9

Das Telegramm Nr. 106 vom 25.3.32 von Botschafter v. Prittwitz befindet sich in R 43 I /99 , Bl. 129. Zur weiteren Beratung siehe Dok. Nr. 750.

a)

Der im Abkommen vorgeschriebene höhere Zinssatz, d. h. 4% statt 3% im Londoner Abkommen und 3⅝% im Deutsch-amerikanischen Schuldenabkommen.

b)

Wenn den Amerikanern der höhere Zinssatz von 4 v. H. zugestanden wird und dieser Zinssatz demzufolge auch in die Londoner Vereinbarungen übergeht, erhöhen sich die jährlichen Zinsverpflichtungen Deutschlands um 8 Millionen RM.

c)

Es ist überaus mißlich, daß Deutschland im jetzigen Augenblick irgendwelche Zahlungsverpflichtungen übernimmt, obschon für alle Beteiligten feststeht, daß Deutschland nicht in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

[2407] d)

Das neue Abkommen wiederholt die Bereitwilligkeit Deutschlands, seinen Verpflichtungen bezüglich der Mixed Claims weiter nachzukommen. Diese erneute Einräumung von Sondervorteilen an die Amerikaner wird den übrigen Gläubiger-Mächten Anlaß zu Berufungen bieten.

Mit Rücksicht auf diese Bedenken soll den Amerikanern bei der Erklärung der deutschen Bereitwilligkeit zum Abschluß des neuen Abkommens durch einen näher zu formulierenden, schriftlichen Vorbehalt klar zum Ausdruck gebracht werden, daß wir uns zu dem neuen Abkommen lediglich aus technischen Gründen verpflichten. Bereits bei der Unterzeichnung der Londoner Vereinbarungen war deutscherseits ein ausdrücklicher Vorbehalt dahingehend gemacht worden, daß die Übernahme der Rückzahlungsverpflichtungen keinen Schluß darauf zulassen soll, daß Deutschland eine Erklärung über seine finanzielle Leistungsmöglichkeit abgibt. Die Gründe, die im August 1931 zur Erklärung dieses Vorbehalts geführt haben, haben sich bis heute noch wesentlich verstärkt. Darum soll auch der den Amerikanern gegenüber zu erklärende Vorbehalt die Verschlimmerung der Situation klar erkennen lassen. Die nähere Formulierung des Vorbehalts wurde einer näheren Vereinbarung der Ressorts überlassen10.

10

Vgl. Dok. Nr. 720, P. 3 und Dok. Nr. 750.

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