1.197.1 (bru3p): Stillhaltung für die kurzfristige Auslandsverschuldung von Ländern und Gemeinden.

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Stillhaltung für die kurzfristige Auslandsverschuldung von Ländern und Gemeinden.

Reichsbankpräsident Dr. Luther knüpfte an die Chefbesprechung in der Reichskanzlei über den gleichen Beratungsgegenstand vom 6. April 1932 an1. Er erklärte, daß seine Bemühungen, mit dem Vorsitzenden der Gläubigergruppen, dem Engländer Guiness, sachlich weiterzukommen, völlig gescheitert seien. Er habe sich vergeblich bemüht, Herrn Guiness von der absoluten Notwendigkeit zu überzeugen, daß deutscherseits bei den Verhandlungen an dem festen Zinssatz von 6 v. H. festgehalten werden müsse. Er könne nicht leugnen, daß infolgedessen mit der Möglichkeit des Scheiterns der Verhandlungen gerechnet werden müsse. Vom Standpunkt der Reichsbank aus könne die Forderung des 6%igen Zinssatzes aber nicht fallen gelassen werden. Er halte es nach wie vor für verfehlt, die deutsche Leistungsfähigkeit in Zusammenhang zu bringen mit der finanziellen Entwicklung in den Gläubigerländern, so wie dies in dem Vorschlag der Gläubiger geschehe, der dahin gehe, den Zinssatz von der Bankrate des Gläubigerlandes abhängig zu machen. Die Reichsbank halte nach wie vor daran fest, daß es gelingen müsse, die Gläubiger von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Maßnahmen zu akzeptieren, die Deutschland für notwendig halte, um ein Moratorium zu vermeiden. Dazu gehöre in erster Linie das Eingehen auf den festen Zinssatz von 6 v. H.

1

Vgl. Dok. Nr. 708. Eine Notiz Luthers über diese Besprechung im Nachl. Luther , Nr. 341.

[2420] Ministerialdirektor z. D. Ruppel bestätigte, daß seit der letzten Besprechung zur Sache ein Fortschritt in den Verhandlungen mit den Gläubigern nicht erzielt worden sei. Er müsse im Gegenteil bestimmt damit rechnen, daß die Verhandlungen noch am heutigen Tage als gescheitert aufgegeben werden würden, wenn man in der Zinsfrage nicht auf den Vorschlag der Gläubiger: Bankrate des Gläubigerlandes plus 2%, mindestens aber 6%, eingehe. Vor allem sei der Widerstand der Holländer und Schweizer unüberwindbar. Er wiederholte, daß bei Annahme dieser Forderung der Gläubiger das deutsche Ziel praktisch erreicht sein werde, da ja für die große Mehrzahl der Fälle der Zinssatz 6 v. H. betragen werde und zwar aller Voraussicht nach für die ganze Vertragsdauer von einem Jahr, da man ja ziemlich allgemein annehme, daß die Bankraten in den nächsten Monaten eher eine fallende als eine steigende Tendenz beobachten würden. Zuzugeben sei, daß für die Reichsbank die Nichterreichung des festen Zinssatzes sehr unerwünscht sei. Andererseits aber müsse man bedenken, daß für den Fall des Zustandekommens des Abkommens die Länder und Gemeinden in ihren Zinsverpflichtungen recht erheblich erleichtert würden. Die Vertreter der Länder und Gemeinden wünschten daher dringend den Abschluß der Verhandlungen. Es werde kaum gelingen, den Ländern und Gemeinden klarzumachen, daß die Verhandlungen zwar praktisch die angestrebten Erleichterungen hätten bringen können, aber trotzdem zum Scheitern gebracht worden seien, weil man sich über Prinzipien nicht habe einigen können.

Ministerialdirektor Reichardt berichtete ergänzend über ein soeben ergangenes Urteil eines Oberlandesgerichts, demzufolge die Stadt Oberhausen auf Klage ihres ausländischen Gläubigers hin verurteilt worden sei, eine fällige Auslandsschuld in voller Höhe schon jetzt auf Sperrkonto einzuzahlen. Das Gericht habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß die bisher ergangenen Devisenbewirtschaftungsvorschriften die Städte nicht der Verpflichtung enthöben, fällige Zahlungen in voller Höhe auf Sperrkonto einzuzahlen. Wenn es daher jetzt nicht zu einer vertraglich vereinbarten Stillhaltung komme, werde die Reichsregierung angesichts dieser Gerichtsentscheidung die Städte nur dadurch von ihren sofortigen Zahlungsverpflichtungen entlasten können, daß sie gesetzlich ein Aufbringungsmoratorium verfüge. Ein solches Moratorium sei unvermeidbar, da die Städte bei ihrer gegenwärtigen Finanzlage zur Zahlung auf Sperrkonto gar nicht in der Lage seien.

Der Reichswirtschaftsminister und Staatssekretär Dr. Schäffer schlossen sich in der Aussprache den von den Ministerialdirektoren Ruppel und Reichardt vorgetragenen Gesichtspunkten an.

Ebenso Ministerialdirektor Ritter, der namens des Auswärtigen Amtes dringend davor warnte, eine Situation herbeizuführen, die die Schaffung eines Aufbringungsmoratoriums notwendig machen werde.

Reichsbankpräsident Dr. Luther stellte fest, daß eine Mitunterzeichnung der Stillhalteverhandlungen durch die Reichsbank nicht gefordert werde, daß die Reichsbank daher ihre grundsätzliche Forderung in der Zinsfrage aufrechterhalten könne, ohne das Stillhalteabkommen zum Scheitern zu bringen.

Ministerialdirektor z. D. Ruppel bemerkte hierzu, daß das Stillhalteabkommen der Reichsbank förmlich zur Kenntnisnahme mitgeteilt werden würde. Die Reichsbank dürfe alsdann ihr Festhalten an der grundsätzlichen Forderung nicht soweit[2421] treiben, daß sie die Mitwirkung bei der Durchführung des Abkommens durch Nichtzurverfügungstellung der erforderlichen Devisen unmöglich mache.

Reichsbankpräsident Dr. Luther erklärte, daß dies auch nicht beabsichtigt sei.

Der Reichswirtschaftsminister faßte das Ergebnis der eingehenden Aussprache wie folgt zusammen:

Ministerialdirektor z. D. Ruppel wird ermächtigt, mit den Gläubigergruppen auf der Basis abzuschließen, daß der Zinssatz entsprechend der Forderung der Gläubiger nach der Bankrate des Gläubigerlandes berechnet wird zuzüglich 2 v. H., Mindestsatz 6 v. H. Die Zustimmung soll jedoch erst dann erklärt werden, wenn absolut feststeht, daß bessere Bedingungen nicht zu erreichen sind. Zuvor soll versucht werden, als Äquivalent für den Mindestsatz von 6 v. H. noch einen Maximalsatz festzulegen, etwa in der Weise, daß gesagt wird, daß Erhöhungen der Bankrate über 4 v. H. zwischen Gläubiger und Schuldner geteilt werden, d. h. also, daß bei Ansteigen der Bankrate von 4 auf 5 v. H. der Zinssatz nicht 5 + 2 = 7 sondern 4½ + 2 = 6½ betragen soll. Ferner soll versucht werden, in das Abkommen eine Klausel aufzunehmen, die besagt, daß für den Fall einer allgemeinen Änderung der Verhältnisse eine Verbesserung der Lage der Schuldner hinsichtlich der Zinsen nachträglich vereinbart werden kann. Die Reichsbank wird von der abgeschlossenen Vereinbarung Kenntnis nehmen. In dem Brief, in dem dies geschehen wird, wird die Reichsbank zum Ausdruck bringen, daß sie den von ihr eingenommenen Standpunkt grundsätzlich aufrechterhält, daß sie aber mit Rücksicht auf den von der Reichsregierung in der Vereinbarung eingenommenen Standpunkt der Durchführung der Vereinbarung kein Hindernis in den Weg legen wird2.

2

Am 9.4.32 wurde ein Abkommen über die kommunalen Schulden abgeschlossen. Das Abkommen sah vor, daß die Gläubiger aus Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und der Schweiz ihre kurzfristigen Schulden bis zum 15.3.33 aufrecht erhielten. Die Gläubiger erhielten die zehnprozentige Teilrückzahlung auf ihre kurzfristigen Forderungen nach dem Stande vom 31.7.31 (247 MioRM), soweit sie nicht eine entsprechende Teilrückzahlung seit dem 31.7.31 bereits erhalten hatten. Der Zinssatz betrug praktisch für die Laufzeit des Abkommens 6%. Für den Fall außergewöhnlicher Zinssteigerungen im Ausland war eine Zinsgleitklausel vereinbart worden (WTB Nr. 757 vom 10.4.32, R 43 I /318 , Bl. 80).

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