1.31.3 (bru3p): 3. Wirtschaftsprogramm.

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3. Wirtschaftsprogramm.

Der Reichskanzler stellte fest, daß das Kabinett darüber einig ist, daß im Wirtschaftsbeirat Maximalvorschläge für ein Wirtschaftsprogramm zur Diskussion gestellt werden sollen. Eine generelle Senkung der Löhne kann nicht angestrebt werden, wohl aber ein Ausgleich der starken Unterschiede und die Herbeiführung größerer Elastizität des Systems. Eine Schiedskommission wird innerhalb von verschiedenen Gruppen Umgruppierungen vornehmen müssen. Nach Auffassung des Reichskanzlers wird es dann möglich sein, die Grundsätze des Tarifvertrages zu retten.

Die Tarife der öffentlichen Werke und Verkehrsunternehmungen sollen angegriffen werden. Die Furcht vor dem Defizit sei zu bekämpfen. In der Lohnfrage werde nach einem genau festzulegenden Plan vorgegangen werden müssen, insbesondere im Westen drohe sonst die Gefahr weiterer Stillegungen. Lohnherabsetzungen sollen möglichst mit Auftragserteilung auf Grund des Beschaffungsprogramms der Reichsbahn verbunden werden.

Eine Gebührensenkung bei der Reichspost hielt der Reichskanzler für bedenklich. Die Post werde größere Beträge als bisher an das Reich abzuführen haben7.

7

Vgl. zu den Ausführungen des RK die Anlage zu Dok. Nr. 546.

Hierzu wies der Reichspostminister auf die schwierige finanzielle Lage der Post hin. Die Ablieferung an das Reich hätte bereits ungefähr 1/10 der Bruttoeinnahmen betragen. Eine Herabsetzung des Briefportos von 15 auf 12 Pfennige würde einen[1929] Einnahmeausfall von 300 Millionen zur Folge haben. Gleichwohl sei er bereit, bei den bevorstehenden Maßnahmen soweit wie möglich mitzugehen.

Im Ausschuß II soll die allgemeine Frage der Zinssenkung möglichst am Schlusse der gesamten Beratungen behandelt werden8.

8

Vgl. Dok. Nr. 547.

Die Bestimmungen über die Einschränkung der Unkosten der Genossenschaften, die in der Notverordnung vom 6. Juni 1931 getroffen sind9, müssen nach Ausführungen des Reichskanzlers rücksichtslos durchgeführt werden. Das Kreditwesen sei zu dezentralisieren.

9

Vgl. 7. Teil, Kap. V Art. 1 § 1 der 2. NotVo. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 5.6.31, RGBl. I, S. 279 , hier S. 313.

In diesem Zusammenhange brachte der Reichskanzler Vorwürfe zur Sprache, die auf Unterstützung von Zeitungsunternehmungen durch Banken unter Reichsgarantie und durch Genossenschaften beruhen. Derartige Mißstände müßten mit allen Mitteln unterbunden werden. Die Genossenschaften dürften auch keine genossenschaftsfremden Geschäfte, wie Beteiligung an Hochseefischerei, an Berliner Luxuslokalen und ähnlichen Unternehmungen machen. Sondergerichte müßten nötigenfalls durchgreifen. Für die Sanierung landwirtschaftlicher Genossenschaften seien insbesondere an 100 Millionen ausgegeben worden. Verwendung öffentlicher Gelder für politische Zwecke sei nicht zu verantworten.

Die Banken verlangten in größtem Umfange weitere Sicherheiten von den mittleren und kleineren Unternehmern und schraubten den Zinssatz äußerst hoch, wenn diesem Verlangen nicht entsprochen werden könnte. Dadurch bestände die Gefahr einer Vernichtung der Unternehmungen. An die großen Betriebe gingen dagegen die Banken nur sehr zögerlich heran. Es habe den Anschein, als wenn von einzelnen Bankenunternehmungen Zeitungen, die gegen die Regierung Stellung nehmen, unterstützt und andere, die für sie eintreten, in den Krediten beschnitten würden. Er lehne es ab, sich für ein bestimmtes Zeitungsunternehmen zu interessieren, halte es aber nicht für möglich, diese Zustände und insbesondere die Abzüge von Krediten aus der mittleren und kleineren Industrie noch länger auszuhalten10.

10

Nach StS Schäffers Tagebuch sagte der RK: „Ernst soll dafür sorgen, daß Hugenberg nicht weiter durch die Danat unterstützt wird. Es geht nicht an, daß man Genossenschaften subventioniert, welche politische Parteien unterstützen oder Hochseeflotten bauen oder Luxuskaffeehäuser errichten. – Dresdner Bank und Danat verlangen [von ihren Kunden] Sicherheiten und fordern, wenn diese nicht ausreichend gegeben werden, 16% (im Lippischen). Ferner werden die regierungsfreundlichen Zeitungen von den Banken verkürzt (Mosse)“ (IfZ ED 93, Bd. 15, Bl. 1003).

Mit den allgemeinen Vorgängen werde sich der Bankkommissar, mit den besonderen, die etwa bei der Dresdner Bank oder Danatbank in Frage kämen, der Reichsminister der Finanzen sowie der Reichswirtschaftsminister zu befassen haben.

Reichsminister Schlange stellte in Aussicht, alsbald den Entwurf einer Notverordnung über den Verfahrensschutz vorzulegen. Anders würde die Frühjahrsbestellung nicht ordnungsmäßig durchgeführt werden können. Die Herbstbestellung sei schlechter und unzureichender durchgeführt worden als in den anderen Jahren nach dem Kriege11.

11

Dazu Dok. Nr. 555, P. 1.

[1930] Alle Betriebe, die sich zur staatlichen Sanierung melden, sollen unter Verfahrensschutz und Wirtschaftsaufsicht gestellt werden, bis die Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Ein allgemeines Moratorium solle nicht in Frage kommen. Vielmehr solle die Umschuldung so rasch wie möglich im Wege des Akkordes durchgeführt werden. Maßgebend für die Sanierung würden die Beschlüsse des Wirtschaftsbeirats über die Zinsfrage sein. Ohne Erleichterung der Zinslasten wäre die Lage nicht zu halten. Gegen die überhöhten Gehälter bei den Genossenschaften müsse vorgegangen werden12.

12

Vgl. Dok. Nr. 555, P. 1.

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