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R 43 I /331 , Bl. 57–60

Entwurf des deutschen Memorandums wegen Einberufung des beratenden Sonderausschusses.

Die Deutsche Regierung stellt hiermit den Antrag, daß die Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich in Basel den im Neuen Plan des Haager Abkommens vom 20. Januar 1930 vorgesehenen Beratenden Sonderausschuß einberuft. Über Ursache und Zweck dieses Antrags beehrt sich die Deutsche Regierung folgendes auszuführen:

Bereits Anfang Juni dieses Jahres hatte sich mit völliger Gewißheit herausgestellt, daß die Deutsche Regierung7 trotz stärkster Herabsetzung der staatlichen Ausgaben und wiederholter Erhöhung der Steuerlasten außerstande sein werde, die Zahlung der Annuitäten des Neuen Plans fortzusetzen. Die wirtschaftliche und finanzielle Lage Deutschlands war schon damals auf das Ernsteste bedroht. Die Deutsche Regierung hatte sich deshalb entschlossen, die notwendigen Schlußfolgerungen aus dieser Lage zu ziehen, und hatte von diesem Entschluß die in erster Linie beteiligten fremden Regierungen verständigt8.

7

In der endgültigen Fassung (R 43 I /331 , Bl. 101–104) wurde dieser Satz abgeändert in: „Bereits Anfang Juni dieses Jahres war die Deutsche Regierung zu der Überzeugung gelangt, daß sie …“. Vgl. Anlage zu Dok. Nr. 553.

8

Vgl. Dok. Nr. 329, P. 1.

Diesem Entschluß folgte am 21. Juni die Erklärung des Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, die einen einjährigen Aufschub aller Zahlungen auf Schulden der Regierungen, Reparationen und Wiederaufbauschulden vorschlug9. Der Zweck dieser weitblickenden Initiative war, wie es in der Erklärung hieß, zur Wiederherstellung des Vertrauens beizutragen und dadurch den politischen Frieden sowie die wirtschaftliche Stabilisierung in der Welt zu fördern; den Schuldnerstaaten sollte Zeit zur Wiedererlangung ihrer nationalen Prosperität gegeben[1940] werden. Die Hoffnung, daß dieser Vorschlag eine entsprechende Wendung in der Weltkrise herbeiführen werde, hat sich nicht verwirklicht. Die sich überstürzenden10 Ereignisse jener Wochen hatten zur Folge, daß das Hoover-Feierjahr für sich allein die Gefahr des Zusammenbruchs nicht bannen konnte. Die Britische Regierung ergriff daher im Juli die Initiative zur Einberufung der Londoner Konferenz11. Aus den Empfehlungen der Konferenz ergab sich die Verlängerung des der Reichsbank gewährten Rediskontkredits12, das sogenannte Baseler Stillhalte-Abkommen13 und der Bericht des von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eingesetzten Baseler Sachverständigenausschusses14.

9

Siehe Dok. Nr. 341.

10

Statt „Die sich überstürzenden“ heißt es in der endgültigen Fassung: „Die weiteren“.

11

Siehe Dok. Nr. 408, P. 2.

12

Der 100 Mio-Dollar-Rediskontkredit war am 3.8.31 um drei Monate verlängert worden (Schultheß 1931, S. 169).

13

Siehe Dok. Nr. 448 und Dok. Nr. 454, P. 4.

14

Siehe Dok. Nr. 444 und Dok. Nr. 445.

So wichtig alle diese Maßnahmen waren, um eine schnelle Erleichterung zu schaffen, so waren sie doch ihrem ganzen Charakter nach nur vorbereitender Natur. Die Londoner Konferenz selbst hat in ihrer Schlußerklärung festgestellt, daß die empfohlenen Maßnahmen nur ein erster Schritt sein, und daß sie die Grundlage für eine Aktion von weiterreichender Bedeutung bilden sollten15. Dementsprechend hat auch den Sachverständigen, die an der Durchführung der Londoner Empfehlungen mitgearbeitet haben, der vorläufige Charakter aller dieser Maßnahmen stets vor Augen gestanden. So heißt es in dem Stillhalte-Abkommen, daß die Vertragsparteien die darin vorgesehene Regelung nur „bis zur Herbeiführung einer dauerhafteren Lösung für das Problem der kurzfristigen Verschuldung Deutschlands getroffen haben. Ebenso schließt der Bericht des Baseler Sachverständigenausschusses mit der dringenden Mahnung an die beteiligten Regierungen, „keine Zeit in der Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zu verlieren, um eine Lage zu schaffen, die es ermöglicht, Finanztransaktionen durchzuführen, die Deutschland und damit der Welt die so dringend benötigte Hilfe bringen“16.

15

Vgl. das Kommuniqué der Londoner Konferenz vom 23.7.31 in Schultheß 1931, S. 505.

16

Text des Abkommens in R 43 I /316 , Bl. 143–154, hier Bl. 147; vgl. auch Schultheß 1931, S. 508–509.

In den seither vergangenen Monaten hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage Deutschlands aufs äußerste zugespitzt. Die Tatsachen, die diese Lage kennzeichnen, sind allgemein bekannt. Auch in anderen Ländern hat der Druck der Krise zu den ernstesten Erscheinungen geführt. Wie die Deutsche Regierung zu ihrer Genugtuung hat feststellen können, sind sich alle beteiligten Regierungen17 klar über den inneren Zusammenhang der verschiedenen durch die Lage aufgeworfenen finanziellen Teilprobleme und über die Notwendigkeit, sie alsbald in ihrer Gesamtheit in Angriff zu nehmen. Bei den Überlegungen, in welcher Form diese Aufgabe18 am besten zu behandeln19 sei, ist letzthin der Gedanke in den Vordergrund getreten, zunächst den Beratenden Sonderausschuß einzuberufen, um so einen ersten Anhaltspunkt für die Entschließungen der Regierungen zu finden. Unter[1941] diesen Umständen hat sich die Deutsche Regierung, von deren Antrag20 nach dem System des Neuen Planes die Einberufung des Beratenden Sonderausschusses21 abhängt, zu diesem Antrag entschlossen22, damit ihrerseits alles geschieht, was den Weg zu umfassenden gemeinsamen Maßnahmen der Regierungen eröffnen kann.

17

In der endgültigen Fassung steht statt dessen: „Die Welt ist sich in steigendem Maße klar geworden“.

18

In der endgültigen Fassung: „Lage“.

19

In der endgültigen Fassung: „steuern“.

20

In der endgültigen Fassung steht nach „einberufen“ ein Punkt, „Um so“ bis Antrag ist gestrichen, der folgende Satz wurde mit „Da“ eingeleitet.

21

Nach „Sonderausschusses“ wurde in der endgültigen Fassung eingefügt: „von einem Antrag der Deutschen Regierung“.

22

In der endgültigen Fassung wurde „zu diesen“ bis „entschlossen“ durch „hat sich die Deutsche Regierung entschlossen“ ersetzt.

Bei diesem Stande der Dinge kann sich die Deutsche Regierung nicht auf die Erklärung beschränken23, daß „sie in gutem Glauben zu dem Schlusse gekommen ist, daß die Währung und das Wirtschaftsleben Deutschlands durch den teilweisen oder vollständigen Transfer des aufschiebbaren Teiles der Annuitäten des neuen Planes ernstlich in Gefahr gebracht werden könnten“24. Seit der Aufstellung des Neuen Planes hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage in der Welt, insbesondere in Deutschland25, völlig geändert. Diese neue Lage zwingt die Deutsche Regierung zu der weitergehenden Erklärung, daß Deutschland jetzt an einem Punkte angelangt ist, wo sich das Problem der Reparationsregelung in seinem ganzen Umfang und nach allen seinen Seiten hin stellt. Da der Neue Plan dem Beratenden Sonderausschuß die Aufgabe zuweist, die Lage unter allen Gesichtspunkten zu prüfen26, wird er bei seinen Untersuchungen und Vorschlägen den veränderten Verhältnissen in ihrer Gesamtheit Rechnung tragen müssen, um im Verfolg der vorausgegangenen internationalen Aktionen eine geeignete Grundlage für die Entscheidungen der Regierungen zu schaffen. Insbesondere wird er zu berücksichtigen haben, daß die Frage der privaten Verschuldung Deutschlands rechtzeitig vor Ende Februar nächsten Jahres neu geregelt sein muß.

23

Diese Formulierung wurde ersetzt durch: „Der Neue Plan macht die Einberufung des Beratenden Sonderausschusses von der Erklärung der Deutschen Regierung abhängig“.

24

Nr. 119 des Sachverständigenberichts vom 7.6.29 in RGBl. 1930 II, S. 448 . In der endgültigen Fassung wurde folgender Satz hinzugefügt: „Indem die Deutsche Regierung diese Erklärung abgibt, muß sie zum Ausdruck bringen, daß eine solche Erklärung der gegenwärtigen Sachlage nicht gerecht wird“.

25

In der endgültigen Fassung heißt es nach dem Komma: „durch eine Krise ohnegleichen von Grund auf geändert worden“. Der folgende Satz des Entw. fehlt in der endgültigen Fassung.

26

Die endgültige Fassung lautet nach dem Komma: „muß der Ausschuß das Problem in seiner Gesamtheit und unter Berücksichtigung aller seiner Faktoren prüfen und hierbei insbesondere berücksichtigen, daß die Frage …“.

Da die gegenwärtigen Verhältnisse die größte Beschleunigung der zu treffenden Maßnahmen erfordern, schlägt die Deutsche Regierung vor, daß der Beratende Sonderausschuß unverzüglich zusammentritt, und daß er seine Arbeiten so schnell als möglich erledigt, damit schon in nächster Zeit eine Konferenz derjenigen Regierungen stattfinden kann, die für die alsdann zu fassenden Entschlüsse zuständig sind.

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