1.39.1 (bru3p): [Anlage]

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Entwurf des deutschen Memorandums wegen Einberufung des beratenden Sonderausschusses.

In der am 15. November 1931 festgelegten neuen Fassung.

Die Deutsche Regierung stellt hiermit den Antrag, daß die Bank für den Internationalen Zahlungsausgleich in Basel den im Neuen Plan des Haager Abkommens vom 20. Januar 1930 vorgesehenen Beratenden Sonderausschuß einberuft. Über Ursache und Zweck dieses Antrags beehrt sich die Deutsche Regierung folgendes auszuführen:

Bereits Anfang Juni dieses Jahres war die Deutsche Regierung zu der Überzeugung gelangt, daß sie trotz stärkster Herabsetzung der staatlichen Ausgaben und wiederholter Erhöhung der Steuerlasten außerstande sein werde, die Zahlung der Annuitäten des Neuen Planes fortzusetzen. Die wirtschaftliche und finanzielle Lage[1960] Deutschlands war schon damals auf das Ernsteste bedroht. Die Deutsche Regierung hatte sich deshalb entschlossen, die notwendigen Schlußfolgerungen aus dieser Lage zu ziehen, und hatte von diesem Entschluß die in erster Linie beteiligten fremden Regierungen verständigt.

Diesem Entschluß folgte am 21. Juni die Erklärung des Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, die einen einjährigen Aufschub aller Zahlungen auf Schulden der Regierungen, Reparationen und Wiederaufbauschulden vorschlug. Der Zweck dieser weitblickenden Initiative war, wie es in der Erklärung hieß, zur Wiederherstellung des Vertrauens beizutragen und dadurch den politischen Frieden sowie die wirtschaftliche Stabilisierung in der Welt zu fördern; den Schuldnerstaaten sollte Zeit zur Wiedererlangung ihrer nationalen Prosperität gegeben werden. Die Hoffnung, daß dieser Vorschlag eine entscheidende Wendung in der Weltkrise herbeiführen werde, hat sich nicht verwirklicht. Die weiteren Ereignisse jener Wochen hatten zur Folge, daß das Hoover-Feierjahr für sich allein die Gefahr des Zusammenbruchs nicht bannen konnte. Die Britische Regierung ergriff daher im Juli die Initiative zur Einberufung der Londoner Konferenz. Aus den Empfehlungen der Konferenz ergab sich die Verlängerung des der Reichsbank gewährten Rediskontkredits, das sogenannte Baseler Stillhalte-Abkommen und der Bericht des von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eingesetzten Baseler Sachverständigenausschusses.

So wichtig alle diese Maßnahmen waren, um eine schnelle Erleichterung zu schaffen, so waren sie doch ihrem ganzen Charakter nach nur vorbereitender Natur. Die Londoner Konferenz selbst hat in ihrer Schlußerklärung festgestellt, daß die empfohlenen Maßnahmen nur ein erster Schritt sein, und daß sie die Grundlage für eine Aktion von weiterreichender Bedeutung bilden sollten. Dementsprechend hat auch den Sachverständigen, die an der Durchführung der Londoner Empfehlungen mitgearbeitet haben, der vorläufige Charakter aller dieser Maßnahmen stets vor Augen gestanden. So heißt es in dem Stillhalte-Abkommen, daß die Vertragsparteien die darin vorgesehene Regelung nur „bis zur Herbeiführung einer dauerhafteren Lösung für das Problem der kurzfristigen Verschuldung Deutschlands getroffen haben“. Ebenso schließt der Bericht des Baseler Sachverständigenausschusses mit der dringenden Mahnung an die beteiligten Regierungen, „keine Zeit in der Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zu verlieren, um eine Lage zu schaffen, die es ermöglicht, Finanztransaktionen durchzuführen, die Deutschland und damit der Welt die so dringend benötigte Hilfe bringen“.

In den seither vergangenen Monaten hat sich die wirtschaftliche und finanzielle Lage Deutschlands aufs äußerste zugespitzt. Die Tatsachen, die diese Lage kennzeichnen, sind allgemein bekannt. Auch in anderen Ländern hat der Druck der Krise zu den ernstesten Erscheinungen geführt. Die Welt ist sich in steigendem Maße klar geworden über den inneren Zusammenhang der verschiedenen durch die Lage aufgeworfenen finanziellen Teilprobleme und über die Notwendigkeit, sie alsbald in ihrer Gesamtheit in Angriff zu nehmen. Bei den Überlegungen, in welcher Form diese Lage am besten zu steuern sei, ist letzthin der Gedanke in den Vordergrund getreten, zunächst den Beratenden Sonderausschuß einzuberufen. Da nach dem System des Neuen Planes die Einberufung des Beratenden Sonderausschusses von einem Antrag der Deutschen Regierung abhängt, hat sich die Deutsche[1961] Regierung zu diesem Antrag entschlossen, damit ihrerseits alles geschieht, was den Weg zu umfassenden gemeinsamen Maßnahmen der Regierungen eröffnen kann.

Der Neue Plan macht die Einberufung des Beratenden Sonderausschusses von der Erklärung der Deutschen Regierung abhängig, daß „sie in gutem Glauben zu dem Schlusse gekommen ist, daß die Währung und das Wirtschaftsleben Deutschlands durch den teilweisen oder vollständigen Transfer des aufschiebbbaren Teiles der Annuitäten des neuen Planes ernstlich in Gefahr gebracht werden könnten“. Indem die Deutsche Regierung diese Erklärungen abgibt, muß sie zum Ausdruck bringen, daß eine solche Erklärung der gegenwärtigen Sachlage nicht gerecht wird. Seit der Aufstellung des Neuen Planes ist die wirtschaftliche und finanzielle Lage in der Welt, insbesondere in Deutschland, durch eine Krise ohnegleichen von Grund auf geändert worden. Da der neue Plan dem Beratenden Sonderausschuß die Aufgabe zuweist, die Lage unter allen Gesichtspunkten zu prüfen, muß der Ausschuß das Problem in seiner Gesamtheit und unter Berücksichtigung aller seiner Faktoren prüfen und hierbei insbesondere berücksichtigen, daß die Frage der privaten Verschuldung Deutschlands rechtzeitig vor Ende Februar nächsten Jahres neu geregelt sein muß.

Da die gegenwärtigen Verhältnisse die größte Beschleunigung der zu treffenden Maßnahmen erfordern, schlägt die Deutsche Regierung vor, daß der Beratende Sonderausschuß unverzüglich zusammentritt, und daß er seine Arbeiten so schnell als möglich erledigt, damit schon in nächster Zeit eine Konferenz derjenigen Regierungen stattfinden kann, die für die alsdann zu fassenden Entschlüsse zuständig sind.

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