1.45.1 (bru3p): Kredite.

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Kredite.

1.) Die in den Jahren nach dem Kriege, insbesondere in der Inflationszeit eingetretene Entwicklung des deutschen Bankwesens hat in Verbindung mit der allgemeinen Lage am Geld- und Kapitalmarkte zu bedenklichen Erscheinungen geführt, denen die Regierung ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden muß. Die Kosten der Kreditbeschaffung sind in einem, den Bestand und die Fortentwicklung der Wirtschaft gefährdendem Maße gestiegen, und auch über die Verteilung der Kredite sind zahlreiche Klagen laut geworden.

2.) Um die Kosten der Kreditbeschaffung organisch beeinflussen zu können, werden vor allem die von den Kreditinstituten aller Art zu zahlenden Habenzinsen gesenkt werden müssen. Zu diesem Zwecke ist eine bindende Vereinbarung der verschiedenen Gruppen der Kreditinstitute über die Habenzinssätze herbeizuführen. Diese Vereinbarung muß vor allem für einen längeren Zeitraum festlegen, in welchem Verhältnis die von den verschiedenen Kreditinstituten zu gewährenden Habenzinssätze zueinander stehen müssen. Sie hat ferner Vorsorge dafür zu treffen, daß in den einzelnen Bezirken die maßgebenden Zinssätze von geeigneten Kreditausschüssen der Lage auf dem Geldmarkte angepaßt werden.

3.) Bei der Bemessung der Spannen zwischen Debet- und Kreditzinsen war besonders in den letzten Monaten der Gedanke des Risikoausgleichs zu stark betont, und dadurch eine Überhöhung der Zinsspanne herbeigeführt worden. Es erscheint notwendig, ganz allgemein die Kreditinstitute dahin zu beeinflussen, den Risikoaufschlag individueller als bisher festzusetzen. Das wird dann von selbst zu einer Erleichterung der Kreditbedingungen für gute Schuldner, und einer Ablehnung schlechter Risiken, und damit auch zu sparsamerer Kapitalwirtschaft führen. In Anwendung dieser Gedankengänge wird auf eine Senkung der normalen Sätze für die Zinsspanne, die gemeinhin Mindestsätze zu sein pflegen, Bedacht zu nehmen sein.

3a) Soweit mehrere Kreditinstitute in der Kreditgewährung hintereinandergeschaltet sind, muß dafür Sorge getragen werden, daß eine unwirtschaftliche Höhe der Gesamtspanne, insbesondere durch Häufung der Risikozuschläge, vermieden wird. Es darf daher von jedem einzelnen Kreditinstitut nur das Risiko berücksichtigt werden, das sich aus seinem Verhältnis zu seinen unmittelbaren Kreditnehmern ergibt. (Dies ist von besonderer Bedeutung in der Organisation der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften.)3

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Der P. 3a) wurde aus dem Nachtrag auf Bl. 99 übernommen.

4.) Der Wirtschaftsbeirat ist der Auffassung, daß für die Kosten der Kredite, wie für ihre sachgemäße Verteilung die Organisation der Kreditinstitute sowohl in ihrem inneren Aufbau wie in ihrem Verhältnis zueinander von sehr großer Bedeutung ist. Auch im Bankgewerbe haben die Inflationsjahre zu einer starken Konzentration, zu einer Übersetzung des Gewerbes, und zu einer ungesunden Vermischung der Aufgabenkreise der verschiedenen Gruppen der Kreditinstitute geführt.

[1981] 5.) Die starken Zusammenfassungen in der Industrie wie die Notwendigkeit, Berlin und damit Deutschland seinen Platz im internationalen Geldverkehr zu sichern, bedingen die Aufrechterhaltung einer Reihe von starken Kreditinstituten in Berlin. Soweit diese Kreditinstitute durch ein Filialnetz auch in unmittelbarer Verbindung mit den übrigen Teilen Deutschlands arbeiten, werden ihre Verwaltungen prüfen müssen, inwieweit den berechtigten Bedürfnissen der Provinz durch Maßnahmen im Geschäftsaufbau und in der Geschäftsführung Rechnung getragen werden kann.

6.) Daneben wird die Reichsregierung ihr Augenmerk darauf richten müssen, die Stellung der regionalen Banken, und insbesondere der Privatbankiers zu kräftigen. Hierbei können die industriellen und Handelsfirmen mittlerer und kleinerer Art, und, soweit die Genossenschaften in Frage kommen, insbesondere das Handwerk und Teile des Einzelhandels wichtige Hilfe leisten. Bestrebungen des privaten Bankierstandes, sich freiwillig regelmäßigen Revisionen ihrer Geschäftsbetriebe zu unterziehen, sind dabei nach Möglichkeit zu unterstützen. Der Wirtschaftsbeirat empfiehlt zugleich der Reichsregierung, die Frage einer Reorganisation der Börsen mit den zuständigen Landesregierungen zu prüfen, da auch dies zu einer Stärkung des Privatbankierstandes führen kann. Auch steuerliche Hilfe auf dem Gebiete der Kapitalverkehrssteuern sind erwägenswert. Diese Maßnahmen dürfen aber den notwendigen Ausleseprozeß im Bankgewerbe nicht aufhalten.

6a) Soweit möglich, wird einer allzu starken Anhäufung von Kreditinstituten in dem gleichen Bezirk entgegenzuwirken sein. Insbesondere wird bei den landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften darauf zu halten sein, daß ein Überdecken und Sichüberschneiden der Tätigkeit mehrerer landwirtschaftlicher Kreditgenossenschaften in demselben Bezirk vermieden wird4.

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Der P. 6) wurde aus dem Nachtrag auf Bl. 99 übernommen.

7.) Eine besondere Bedeutung kommt der Abgrenzung der Aufgabenkreise der einzelnen Gruppen der Kreditinstitute zu. Der Wirtschaftsbeirat empfiehlt, daß die volle Kraft der Genossenschaften, der Sparkassen und Girozentralen, soweit sie sich dem privaten Kreditgeschäft widmen, den kleinen Krediten zugute kommen muß. Nur so können die dort heute bestehenden Lücken in der Kreditgewährung ausgefüllt werden. Zugleich wird diese Beschränkung wesentlich zur Gesunderhaltung dieser Kreditinstitute beitragen. Soweit Kreditbeziehungen über diesen Rahmen hinaus heute noch bestehen, werden diese allmählich auf die Banken und Bankiers zu überführen sein. Andererseits erscheint es angezeigt, daß die Banken davon absehen, das Geschäft der Sparkonten weiter zu betreiben. Auch eine allmähliche Überführung bestehender Werkssparkassen auf die öffentlichen Sparkassen oder die Spar- und Darlehnsgenossenschaften erscheint wünschenswert.

8.) Auch bei weitgehender Abgrenzung der Aufgabengebiete wird die sachgemäße Regelung des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Gruppen und zwischen den Kreditinstituten derselben Gruppe von Bedeutung bleiben. Auf einen sachgemäßen Aufbau der bestehenden Wettbewerbsabkommen und einen Austausch der Erfahrungen, insbesondere gegenüber solchen Kreditnehmern, bei denen durch gleichzeitige Kreditnahme an mehreren Stellen eine Kredithäufung eingetreten[1982] ist, ist deshalb Wert zu legen. Es wird im Wege privater Vereinbarungen ein Weg gesucht werden müssen, der gleichzeitig den Interessen der Kreditgeber und der Wahrung des Bankgeheimnisses Rechnung trägt.

9.) Die Erreichung der in Ziff. 1–8 erörterten Ziele wird größtenteils nur im Wege freiwilliger Vereinbarung zwischen den Beteiligten möglich sein. Der Wirtschaftsbeirat empfiehlt aber der Reichsregierung, ihre volle Autorität einzusetzen, um den Abschluß solcher Vereinbarungen zu fördern. Er weist darauf hin, daß durch die Verordnung vom 19. September 19315 ihr in dem Kuratorium und dem Reichskommissar für das Bankgewerbe geeignete Organe zur Verfügung stehen, um einen ständigen Einfluß in der vorgedachten Weise auszuüben. Auch in der Frage der Habenzinsen, bei der an sich der Weg der Verordnung denkbar ist, empfiehlt der Wirtschaftsbeirat, diesen Weg erst nach Erschöpfung aller anderen Möglichkeiten zu gehen.

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NotVo über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie in RGBl. 1931 I, S. 493 . Vgl. auch Dok. Nr. 469, P. 3; Dok. Nr. 472, P. 2 und Dok. Nr. 476, P. 4.

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