1.59.1 (bru3p): Möglichkeiten einer Erweiterung der strafrechtlichen und sonstigen Vorschriften zum Schutze der in Berlin beglaubigten ausländischen Diplomaten.

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Möglichkeiten einer Erweiterung der strafrechtlichen und sonstigen Vorschriften zum Schutze der in Berlin beglaubigten ausländischen Diplomaten.

Ministerialdirektor Dr. Gaus wies darauf hin, daß besonders nationalsozialistische Blätter von Zeit zu Zeit systematisch Angriffe gegen Mitglieder der ausländischen Missionen in Berlin richteten. Z. B. habe der „Völkische Beobachter“ im Sommer d. Js. eine systematische Angriffsfolge gegen Professor Hesnard1 von der französischen Botschaft gerichtet. Hesnard sei vornehmlich auch in seiner Ehre angegriffen worden, so daß nach seiner Ansicht eine Verstärkung, insbesondere des Ehrenschutzes der Diplomaten dringend geboten sei. In letzter Zeit hätten der „Fridericus“[2017] und „Der Angriff“ sich mehrfach abfällig über die Mitglieder der französischen Botschaft, insbesondere über den Botschafter François-Poncet geäußert. Letzterer sei sehr empfindlich und auf das Unangenehmste über diese Angriffe überrascht2.

1

Prof. Oswald Hesnard, Leiter der Presseabteilung der Französischen Botschaft in Berlin.

2

Vgl. Dok. Nr. 630.

Eine Verschärfung der Bestimmungen des Strafgesetzbuches werde wohl kaum in Frage kommen. Auch im Auslande, insbesondere in Frankreich, sei im Falle einer Beleidigung Stellung eines Strafantrages des Beleidigten erforderlich, damit ein Strafverfahren in Gang komme. Die Diplomaten stellten jedoch in fremden Ländern höchst ungern einen Strafantrag. Übrigens seien ihm (Dr. Gaus) Fälle nicht bekannt, in denen deutsche Diplomaten im Ausland in derartiger Weise angegriffen würden. Es bleibe also nach seiner Auffassung nur eine Erweiterung der Verbotsmöglichkeiten der Presse in den betreffenden Notverordnungen übrig.

Staatssekretär Zweigert führte aus, daß Änderungen der strafrechtlichen Bestimmungen im Strafgesetzbuch wohl kaum in Betracht kommen dürften. Es sei natürlich zu überlegen, ob im Falle einer Beleidigung ausländischer Diplomaten in Deutschland auf den Strafantrag des Beleidigten verzichtet werden und das Auswärtige Amt für ihn Strafantrag stellen könne, jedoch sei eine solche Änderung wohl deshalb sehr mißlich, weil das Ausland derartige Bestimmungen nicht kenne und eine gewisse Gegenseitigkeit vorhanden sein müsse.

Eine Erweiterung der Presseverbotsmöglichkeiten halte er nicht für tragbar. Im Gegenteil müsse eher erstrebt werden, die Verbotsmöglichkeiten einzuschränken. Es sei jedoch zu überlegen, ob man nicht mit den bestehenden Bestimmungen auskomme. § 2, Nr. 2 der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 10. August 1931 (Reichsgesetzbl. Teil I Seite 436) gebe die Möglichkeit periodische Druckschriften zu verbieten, „wenn durch ihren Inhalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird“. Es sei nun durchaus möglich, gewöhnlich diesen Tatbestand als vorliegend anzusehen, wenn der Angehörige einer ausländischen Mission in Deutschland durch eine deutsche Zeitung verunglimpft werde. Durch eine derartige Verunglimpfung könne leicht eine Belastung der außenpolitischen Situation eintreten, die für Deutschland aus Gründen der inneren öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht tragbar sei. In unserer heutigen politischen und wirtschaftlichen Lage müßten wir derartige Belastungen der außenpolitischen Situation unbedingt vermeiden. Wenn eine Zeitung aus diesem Grunde verboten werde, könne man abschreckend wirken. Erfahrungsgemäß trügen Zeitungsverbote am ehesten dazu bei, daß derartige Beleidigungen aufhörten.

Für alle Fälle wolle er mit dem preußischen Ministerium des Innern in der Richtung Fühlung nehmen, daß dieses grundsätzlich sich bereit erkläre, den § 2, Ziff. 2 der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen in dem erwähnten Sinne zu interpretieren und anzuwenden.

Ministerialdirektor Dr. Gaus erklärte sich mit diesem Ausweg sehr gern einverstanden.

Auch der Vertreter der Presseabteilung, Vortr.Leg.Rat Katzenberger, stimmte diesem Vorschlage zu. Er führte aus, daß die mehrfachen Versuche der Presseabteilung, die deutsche Presse zu beeinflussen, daß sie von allen Angriffen gegen ausländische[2018] Diplomaten in Deutschland absehe, keinen Erfolg gehabt hätten. Die Presseabteilung habe Einwirkungsmöglichkeiten nur auf die anständige Presse.

Das Reichsministerium des Innern wird heute (28. 11.) in der angegebenen Richtung mit dem preußischen Ministerium des Innern Fühlung nehmen3.

3

Über die weitere Behandlung dieser Angelegenheit ist im Vorgang der Rkei nichts vorhanden. Zu den Beratungen der RReg. über den erweiterten Ehrenschutz siehe Dok. 587, Nr. 590 und Dok. Nr. 594, P. 7.

Die Frage einer Erweiterung des polizeilichen Schutzes für die ausländischen Diplomaten in Deutschland wurde nicht erörtert, weil der bestehende Schutz offenbar genügt.

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