1.78.1 (bru3p): Erledigung noch offener Fragen zur Notverordnung.

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Erledigung noch offener Fragen zur Notverordnung.

Der Reichskanzler stellte die Frage einer Zwangsanleihe zur Erörterung1.

1

Vgl. die Diskussion über die Zwangsanleihe in Dok. Nr. 591.

Der Reichswirtschaftsminister führte hierzu folgendes aus: Die Notverordnung werde dazu führen, daß ein größeres Überbrückungsvolumen an Kredit notwendiger sein werde als bisher, da sonst mit einer erheblichen Zunahme der Konkurse gerechnet werden müsse. Die Bankenlage werde sich verschärfen, ebenso die Lage der öffentlichen Hand. Es werde nötig sein, bis Ende 1934 auszuhalten und hierzu werde es eines Gesamtbetrages von etwa 2 Milliarden RM bedürfen. Deswegen seien außerordentliche Maßnahmen auf dem Gebiete der Geldschöpfung und des Kreditwesens unerläßlich.

Der Reichsbankpräsident hielt demgegenüber zwar für möglich, daß es zu Übergangsschwierigkeiten kommen werde, glaubte aber nicht an eine grundsätzliche Änderung der Lage. Die Senkung des Preisniveaus werde sich in natürlicher Weise vollziehen durch Preis- und Lohnlockerung auf allen Seiten. Eine neue Kreditschöpfung oder Geldschöpfung könne er sich nicht vorstellen. Die Reichsbank werde, wie bisher, in liberaler Form Kredit gewähren in Einzelfällen. Eine bewußte, auf einen bestimmten Betrag zugeschnittene Kreditschöpfung sei im Rahmen der ordentlichen Führung der Notenbankpolitik unmöglich ohne Inflation. Eine zahlenmäßige Feststellung des notwendigen Betrages lasse sich nicht treffen. Der Diskontsatz werde sich an der untersten Grenze halten. Er hoffe, daß eine Herabsetzung möglich sein werde, sobald das[2075] Programm endgültig vorläge. Das Wirtschaftsprogramm könne aber nicht von dieser Zinssenkung abhängig gemacht werden. Sei das Programm in sich wirksam, so werde auch diese Entscheidung möglich sein. Alles andere wäre Planwirtschaft.

Er trat erneut für möglichst weitgehende wirtschaftliche Freiheit ein und versprach, daß sich die Politik der Notenbank in den Dienst des Programms stellen werde. Die Mark sei im Auslande in den letzten Tagen schwächer gewesen. Die Notenbank müsse auf diese Schwankungen Rücksicht nehmen und könne sich nicht festlegen.

Für die Währung sei nicht die Golddeckung entscheidend, sondern das Verhältnis zwischen Warenumlauf und Geldumlauf. Die Inflation beginne, wenn sich der Geldumlauf vermehre, ohne daß die Warenmenge wachse. Durch Vermehrung des Geldumlaufs könne die Warenmenge nicht gesteigert werden. Es sei nur umgekehrt möglich, daß durch eine Steigerung der Produktion auch eine Steigerung der Umlaufmittel eintrete. Gold und Deckung seien nur Hilfskonstruktionen. Sie dienten zum Ausgleich der Spitzen in den Zahlungsbilanzen der Länder. Eine Senkung der Deckung sei ein Notsignal für den verantwortlichen Leiter der Notenbank. Das frühere Deckungssystem Englands2, nach dem ein Teil der Noten zu 100%, der andere nicht gedeckt war, sei nicht grundsätzlich vom deutschen System verschieden, das generell eine Deckung von 40% vorschreibt3. Die deutsche Methode sei beweglicher, die englische starrer.

2

Gemeint ist offensichtlich die bis zur Pfundabwertung vom 20.9.31 (Dok. Nr. 483, Anm. 1) gültige Deckung.

3

Vgl. Dok. Nr. 361, Anm. 2.

Gegenwärtig sei der Zahlungsmittelumlauf verhältnismäßig hoch. Das hänge damit zusammen, daß ein erheblicher Teil gehamstert sei4.

4

Vgl. auch Luthers Tagebucheintrag vom 7.12.31, Nachl. Luther  Nr. 367, Bl. 97–98.

Der Reichsminister der Finanzen rechnete ebenfalls, wie der Reichswirtschaftsminister, mit einer stärkeren Inanspruchnahme des Geldmarktes. Er fürchtete, daß dann der Diskont wieder anziehen oder daß es zu Restriktionen kommen werde. Er hielt es für ein Problem, ob es notwendig sei, an der alten Methode der Notenbank festzuhalten. Er trat dafür ein, daß die Frage erneut in kleinem Kreise zwischen dem Reichskanzler, dem Reichsbankpräsidenten, dem Reichswirtschaftsminister und ihm besprochen würde.

Der Reichskanzler schloß sich diesem Vorschlage an. Er trat für raschen Abschluß der Verhandlungen ein, da anderenfalls die Stimmung im Lande bedrohlich würde. Ob eine Anleihe der Post möglich sei, müsse geprüft werden. Der Reichsbankdiskont werde gesenkt werden müssen5, wenn die gesamten Maßnahmen der Reichsregierung Erfolg haben sollten; dann werde es zu einer stärkeren Belebung des Verteilungs- und Produktionsapparats kommen. Experimente dürften zur Zeit keinesfalls gemacht werden. Zunächst sei die Diskontsenkung entscheidend. Eine Änderung des Reichsbankgesetzes könne jetzt nicht verantwortet werden. Nach Erlaß der Notverordnung sei es leichter, sich mit Fragen dieser Art zu befassen. Es müsse sofort entschieden werden, ob die Umsatzsteuer erhöht werden solle oder ob eine andere Lösung zu finden wäre.

5

Der Rbk-Diskont wurde am 9.12.31 von 8% auf 7% gesenkt, der Lombard von 10 auf 8% (Schultheß 1931, S. 266).

[2076] Der Reichskanzler berichtete sodann über den Ausgang der Wahl in Stuttgart6. Die Nationalsozialisten hätten sich gegenüber der Reichstagswahl verdoppelt, die Kommunisten hätten nicht sehr stark zugenommen.

6

Bei der Kommunalwahl gewann die NSDAP 21,5% (1928: 1,1%), die bürgerliche Einheitsliste verlor 16,6%, die SPD 9,2%, während die KPD und KPO 10,6% gewannen (Walther Nachtmann: Wahlkampfmittel und Wahlkämpfer in Stuttgart 1928 und 1933, in: Stuttgart im Dritten Reich. Prolog: Politische Plakate der späten Weimarer Republik, 1982, S. 231).

Nach Mitteilung des württembergischen Staatspräsidenten wären die Nationalsozialisten enttäuscht, weil sie nicht den gleichen Erfolg gehabt hätten wie in Hessen7. Ein Teil der Beamten sei für die Deutschnationale Volkspartei eingetreten, die in Württemberg stets eine starke Stellung gehabt habe.

7

Bei der hessischen LT-Wahl am 15.11.31 hatten die Nationalsozialisten 27 Sitze gegenüber 1 gewonnen, die Kommunisten 10 statt bisher 4. Die übrigen Parteien hatten Stimmen verloren. (Schultheß 1931, S. 253).

Nach längerer Aussprache beschloß das Reichskabinett die Umsatzsteuer zu erhöhen8. Brotgetreide, Mehl und Brot sollen von der Erhöhung ausgenommen werden.

8

Vgl. auch Dok. Nr. 594, P. 2.

Der Reichswirtschaftsminister hielt bei der Abstimmung seine Bedenken aufrecht9.

9

Zur Haltung des RWiM vgl. Dok. Nr. 596, P. 4.

Die Verzugszuschläge bei verspäteter Steuerzahlung sollen herabgesetzt werden10. Die Beförderungssteuer soll wegfallen, wenn die Tarife der Straßenbahnunternehmungen entsprechend gesenkt werden11. Die Verlautbarung bei Erlaß der Notverordnung soll über die Devisenbewirtschaftung Ausführungen enthalten12. Ministerialdirektor Ritter und Staatssekretär Dr. Trendelenburg sollen den Passus formulieren.

10

Vgl. Dok. Nr. 594, P. 5.

11

Hierzu Dok. Nr. 594, P. 3.

12

Die amtliche Verlautbarung zur NotVo. vom 8.12.31 wurde vom WTB am 9.12.31 veröffentlicht (R 43 I /2375 , S. 755–773). Bemerkungen über die Devisenbewirtschaftung fehlen in dieser Verlautbarung.

Zur Frage der Eisenbahntarife berichtete der Reichsverkehrsminister13. In die Presseveröffentlichung sollen ausführliche Angaben darüber aufgenommen werden14.

13

Vgl. Dok. Nr. 589.

14

In der amtlichen Verlautbarung zur NotVo. wurden die ermäßigten Tarife der RB bekanntgegeben und auf die Tarifermäßigung von 300 MioRM jährlich im Güterverkehr hingewiesen (R 43 I /2375 , S. 755–773, hier S. 759).

Die Fragen der Invalidenversicherung sollen vorläufig zurückgestellt werden15.

15

Vgl. Dok. Nr. 585, P. 3 und Dok. Nr. 594, P. 14.

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