1.93.1 (bru3p): 1. Kündigung von Mietverträgen.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 1). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

[2106]1. Kündigung von Mietverträgen.

Der Reichsminister der Justiz trug den Inhalt des beiliegenden Entwurfs vor1. Er betonte, daß er auch für große Neubauwohnungen eine ähnliche Regelung, wie sie der Entwurf vorsehe, für geboten halte.

1

Der Entw. des RJM änderte den zweiten Teil, Kapitel II der NotVo. vom 8.12.31 (RGBl. I, S. 699 , hier S. 708), insofern ab, als der Vermieter das außerordentliche Kündigungsrecht des Mieters (vgl. Dok. Nr. 582, Anm. 16) unterlaufen konnte, indem er bis zum 31.12.31 eine Mietzinssenkung vornahm (R 43 I /1453 , Bl. 421).

Der Entw. berücksichtigte die Kritik der Wirtschaftspartei an der NotVo. (Schreiben von MdR Jörissen an den RJM vom 12.12.31, im Durchschlag in R 43 I /2352 , Bl. 116–121). Am 15.12.31 hatte StS Pünder folgenden Vermerk zum neuen Mietrecht zu den Akten gegeben: „Nachdem in der heutigen Ältestensitzung der kommunistische Antrag auf sofortige Einberufung des Reichstags abgelehnt worden war, bemerkte bei der anschließenden Debatte über eine neue Ältestenratssitzung zu dem gleichen Thema Anfang Januar der nationalsozialistische Abgeordnete Göring, eine solche erneute Ältestenratssitzung sei auch schon aus dem Grunde nötig, weil angeblich im Reichsjustizministerium im Wege neuer Verordnungen geplant werde, den Mieterschutz der letzten Notverordnung teilweise wieder rückgängig zu machen. Soviel er gehört habe, schwebten tatsächlich im Reichsjustizministerium solche Erwägungen, die im Endeffekt die Mieter mit ihren wahnwitzigen Mieten und ihren langfristigen Mietverträgen schutzlos weiterhin sitzen lassen würden. Diese Bemerkung erscheint mir deswegen sehr bemerkenswert, als seitens der Befürworter solcher Abänderungen (Wirtschaftspartei) dauernd behauptet wird, die Hausbesitzer gingen aus Entrüstung über diese Bestimmung der neuen Notverordnung augenblicklich scharenweise zu den Nationalsozialisten über. Die Bemerkung des Abgeordneten Göring konnte nur so verstanden werden, daß die Nationalsozialisten absolut für den Schutz der Mieter eingestellt sind und das Geschrei der Hausbesitzerverbände verhältnismäßig gleichmütig anhören“ (R 43 I /2352 , Bl. 130).

Wenn das Reichskabinett dem Entwurf zustimme, so müsse er als selbständige Verordnung aufgrund des Artikels 48 erlassen werden, nicht als Verordnung des Reichsministers der Justiz. Anderenfalls müsse er rechtlich Bedenken haben.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers und Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß es sich bei dem vorliegenden Entwurf um eine Änderung der Notverordnung handele. Es sei also in der Tat eine Verordnung des Reichspräsidenten erforderlich.

Gegen den Entwurf habe er schwerwiegende Bedenken. Nach seiner Ansicht könne dem Entwurf nicht zugestimmt werden. Eine Sonderregelung für die großen Neubauwohnungen halte er gleichfalls für überflüssig.

Der Reichsverkehrsminister äußerte sich in demselben Sinne.

Staatssekretär Dr. Geib führte aus, der Reichsarbeitsminister halte es für gefährlich, jetzt schon wieder eine neue Notverordnung aufgrund des Artikels 48 über mietrechtliche Bestimmungen zu verkünden. Die Rechtsunsicherheit werde immer größer werden. Das Reichsarbeitsministerium halte es für das Beste, wenn von der Vorlage abgesehen werde.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, ob die Einführung eines besonderen Mieteinigungsverfahrens möglich sei, wenn die Miete für gewerbliche Räume über 20% gesenkt werden solle.

Der Reichsminister der Justiz führte aus, daß wahrscheinlich ein neuer, großer Beamtenapparat notwendig sein werde, um in dem Einigungsverfahren mitzuwirken. Die Einführung eines derartigen Einigungsverfahrens werde nicht zweckmäßig sein.

[2107] Der Reichswehrminister wies darauf hin, daß die Autorität des Herrn Reichspräsidenten aufs Äußerste gefährdet werden müsse, wenn jetzt eine Notverordnung erlassen werde, die eine Abänderung der soeben verkündeten Notverordnung vom 8. Dezember 1931 darstelle. Aus diesem Grunde werde er gegen die Vorlage des Reichsministers der Justiz stimmen.

Staatssekretär Dr. Meissner wies darauf hin, daß der Herr Reichspräsident nur unter schweren Bedenken die Verordnung vom 8. Dezember, und auch die früheren Notverordnungen, vollzogen habe.

Der Reichskanzler stellte fest, daß im Reichskabinett schwere Bedenken gegen den beiliegenden Entwurf einer Verordnung betr. Kündigung von Mietverträgen bestehen.

Das Reichskabinett stimmte dem Entwurf nicht zu.

Extras (Fußzeile):