1.139 (bru3p): Nr. 653 Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Chefbesprechung wegen des Wagemann-Plans am 29. Januar 1932, [16.45 Uhr]

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[2246] Nr. 653
Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Chefbesprechung wegen des Wagemann-Plans am 29. Januar 1932, [16.45 Uhr]

R 43 I /2438 , Bl. 63–64

Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers wurde das Verhalten der Reichsregierung zum Wagemann-Plan1 mit dem Reichsminister der Finanzen, dem Reichswirtschaftsminister, dem Reichsbankpräsidenten sowie den Staatssekretären Dr. Pünder, von Bülow, Trendelenburg und Schäffer, in Gegenwart der Ministerialdirektoren Zarden und von Hagenow besprochen.

1

Vgl. hierzu Dok. Nr. 651, Anm. 3.

Der Reichskanzler berichtete, daß der Versuch des Reichswirtschaftsministers, Professor Wagemann von seinem für den 1. Februar geplanten Vortrag abzuhalten2, mißlungen sei. Es beständen auch Bedenken dagegen, den Vortrag gleichsam zu verbieten, weil sich daraus die Gefahr ergäbe, daß die Gerüchte Nahrung fänden, nach denen die Regierung dahinter stände.

2

Vgl. Dok. Nr. 651, Anm. 5.

Wagemann habe sich aber bereiterklärt, zu Beginn seines Vortrages eine mit der Reichsregierung formulierte schriftliche Erklärung zu verlesen, nach der es sich bei seinem Plan lediglich um eine Privatarbeit handelt, an der die Reichsregierung nicht beteiligt sei3.

3

Diese Erklärung gab Wagemann am 1.2.32 vor Beginn seines Vortrags ab (WTB Nr. 235 vom 2.2.32, R 43 I /2438 , Bl. 74).

Nach Mitteilungen, die ihm zugegangen seien, steigere sich die Nervosität in der Öffentlichkeit in einem Maße4, daß es der Reichsregierung erforderlich erscheine, eindeutige Erklärungen abzugeben, daß keine gesetzlichen Änderungen der Währungsgrundlage beabsichtigt seien.

4

Die Rbk hatte der Rkei Abschrift eines Schreibens der Sparkasse Bonn übersandt, wonach ein Kunde unter Berufung auf die inflationären Folgen des Wagemann-Plans sein Konto aufgelöst hatte (Schreiben vom 28.1.32 mit Anlagen in R 43 I /2438 , Bl. 48–50).

Angeblich sollen sich die Nationalsozialisten für den Plan Wagemann einsetzen. – Nötigenfalls müsse die Reichsregierung selbst in diesem Sinne eine Pressenotiz herausgeben.

Der Reichswirtschaftsminister erklärte, er hätte nichts von dem Vortrage gewußt, sonst hätte er gebeten, ihn zu unterlassen5. Der Vortrag sei bereits vor vier Wochen vereinbart worden. Inzwischen sei der Plan dann in die Öffentlichkeit gekommen. Er werde dafür sorgen, daß Professor Wagemann die gewünschte formulierte Erklärung abgibt. Der Plan sei eine wissenschaftliche Privatarbeit, nicht eine Unterlage für die Politik der Reichsregierung. Wagemann soll weitere Vorträge dieser Art nicht mehr übernehmen. Im übrigen handelt es sich nicht um eine Inflation. Eine ungünstige Wirkung habe der Plan für die Währung im Ausland nicht gehabt6. Auch Abziehungen aus den Sparkassen des Inlandes hätten sich nach den[2247] Feststellungen bei den Akzept- und Garantiebanken nicht nachweisen lassen. Der Rückgang käme daher, daß verbreitet worden sei, der Plan führe zu einer Inflation.

5

Warmbold war ein Schwager Wagemanns.

6

Vgl. die handschriftliche Notiz des StS v. Bülow für den RK vom 28.1.32: „François-Poncet nahm bei seinem heutigen Besuch das Währungsprojekt von Prof. Wagemann sehr ernst und wollte nicht glauben, daß es ohne Kenntnis der RRegierung entstanden und nicht mit ihrem Wissen gerade in diesem Augenblick veröffentlicht worden sei. Ich habe Grund zur Annahme, daß er in diesem Sinne nach Paris berichtet hat“ (Vermerk mit Sichtparaphe des RK in R 43 I /2438 , Bl. 70).

Für 1932 werde Klarheit zu schaffen sein über folgende Probleme:

Auslandsschulden,

Balanzieren des Etats,

Finanzierung der Industrie,

Bankenfragen,

Arbeitsbeschaffung.

Dann werde allgemein nicht nur aufgrund des Planes Wagemann, über die Geld- und Kreditfragen zu diskutieren7 sein. 1932 werde es nicht möglich sein, darin grundlegende Änderungen zu schaffen. Maßnahmen müßten von Fall zu Fall getroffen werden. Er sei damit einverstanden, wenn in einer Pressenotiz klargestellt werde, daß keine Projekte schweben, die gesetzlichen Grundlagen der Währung zu ändern.

7

Berichtigt aus „diskontieren“.

Staatssekretär Schäffer berichtete, daß er in der Pressekonferenz, bei Erörterung der Reparationsfragen, nach der Stellungnahme der Reichsregierung zu dem Wagemann-Plan gefragt worden sei. Er habe dabei die Erklärung abgegeben, die dann im BT Aufnahme gefunden habe. Eine Inflation sei das größte Unglück, das das Volk treffen könne. Zum Plan Wagemann habe er im übrigen dann nicht Stellung genommen8.

8

Vgl. auch Schäffers Tagebucheintrag vom 29.1.32 in IfZ Ed 93, Bd. 17, Bl. 145–147; ebenso das Schreiben Schäffers an Wagemann vom 28.1.32, abschriftlich im Nachl. Luther  Nr. 339, Bl. 27–31, abgedruckt bei Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 413.

Der Reichsbankpräsident hielt es für notwendig, den Plan Wagemann eingehend zu erörtern. Er trat dafür ein, daß der Vortrag am 1. Februar nicht stattfinde. Tatsächlich habe sich die Beunruhigung bereits in Abhebungen bei den Sparkassen ausgewirkt. Jedenfalls müsse die Reichsregierung erklären, daß sie keine gesetzliche Änderung des Bankgesetzes beabsichtige. Die Versammlung sei planmäßig vorbereitet. Es handele sich um ein gut organisiertes Vorgehen, das anscheinend nicht nur wissenschaftliche Tendenzen habe. Es bestehe die Gefahr, daß die Versammlung in der Öffentlichkeit ein starkes Echo finden werde und daß sie weitere Beunruhigung hervorrufe. Es sei ein außerordentliches Geschehen, wenn ein Plan, wie der von Professor Wagemann, ohne Fühlungnahme mit der Reichsbank in dieser Weise in der Öffentlichkeit vertreten werde.

Im übrigen sei auf dem Gebiete der Kreditausweitung Schritt für Schritt vorgegangen. Die Reichsbank habe erklärt, alle Handelswechsel anzunehmen. Sie zahle tatsächlich die Russenkredite, habe in die Beziehungen zwischen den Verbänden und den Werken eingegriffen, helfe in der Ostfrage, in der Sparkassensanierung, bei der Kommunalumschuldung. Diese Arbeiten werden durch die Veröffentlichung des Wagemann-Plans gelähmt.

[2248] Im übrigen habe sich der Monat Januar günstig entwickelt. Die Sparkassen hätten 170 Millionen RM Einnahmeüberschuß. Auch der Status der Dresdener Bank habe sich gebessert9.

9

Am 4.2.32 fand eine öffentliche Diskussion zwischen Luther und Wagemann statt, die Luther für sich entscheiden konnte (Pressebericht vom 8.2.32, R 43 I /2438 , Bl. 80). Vgl. auch den Tagesbericht Luthers vom 29.1.32 in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 414.

In ähnlichem Sinne sprach sich der Reichsminister der Finanzen aus. Er habe auch im Unterausschuß des Haushaltsausschusses des Reichstags jede Verbindung mit dem Wagemann-Plan abgelehnt. Eine Diskussion im Anschluß an den Vortrag Wagemanns halte er für gefährlich.

Im übrigen sei an dem Plan manches richtig. Die Bombe sei aber zu früh geplatzt. Das sei für den Erfolg der Pläne einer vorsichtigen Kreditausweitung nachteilig.

Die vom Reichsminister der Finanzen formulierte Pressenotiz wurde von allen Beteiligten gebilligt10. (Anlagen)

10

Vgl. die WTB-Meldung Nr. 212 vom 29.1.32 (R 43 I /2438 , Bl. 69).

F.[eßler]

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