1.208 (bru3p): Nr. 722 Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Finanzierung der NSDAP, 16. April 1932

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[2455] Nr. 722
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über die Finanzierung der NSDAP, 16. April 1932

Nachl. Pünder, Nr. 154, Bl. 48–49

Fest steht, daß aller Geldverkehr über Bayerische Vereinsbank München erfolgt, nicht in einem offiziellen Konto, sondern über eine sehr große Anzahl von Einzelkonten mit harmlosen Namen. Möglich, daß infolgedessen der Bankleitung Tatsache kaum bekannt ist. Genauere Feststellungen wohl nur möglich durch Eröffnung von Konten mit laufenden Überweisungen hinüber und herüber zwecks Ermöglichung vertrauterer Aussprachen mit den technischen Angestellten. Verbindungsbank zur Bayerischen Vereinsbank wahrscheinlich Schweizerische Kredit-Anstalt. Fest steht jedenfalls, daß Zürich der internationale Geldumschlagplatz für diese Dinge ist. In den letzten 12 Monaten vom Ausland sicher 40–45 Millionen geflossen. Aus heimischen Beiträgen, Versammlungen, Broschüren-Verkauf pp. 15 Millionen aufgekommen. Dazu allerhöchstens 5 Millionen aus der Industrie. Letztere Zahlungen liefen fortgesetzt schlechter und seien daher bestimmt nicht höher als mit diesen 5 Millionen anzusetzen.

Erster Geldgeber in Deutschland bestimmt Fritz Thyssen1, treuer Anhänger – allerdings ohne starke finanzielle Leistungsfähigkeit – auch der alte Kirdorf2. In diesen 5 Millionen steckten außerordentlich viele sogenannte Terror-Abwehrprämien (z. B. Oskar Tietz3 vom Warenhaus Hermann Tietz, Schapiro vom Sportpalast. Zu diesen 15 plus 5 Millionen weitere 2–3 Millionen vom Auslands-Deutschtum, hauptsächlich herkommend über Herrn Pagenstecher4 in Brooklyn und durch Werbereisen des Herrn Mutschmann5.

1

Fritz Thyssen, Generaldirektor der August-Thyssen-Hütte in Oberhausen.

2

Emil Kirdorf 1892–1926 Generaldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks AG, 1893–1926 Vorsitzender des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats.

3

Oskar Tietz, Gründer der Warenhauskette Hermann Tietz.

4

Nicht ermittelt.

5

Martin Mutschmann, Fabrikant in Plauen, seit 1924 NSDAP-Gauleiter Sachsen.

Außer diesen 15 plus 5 plus 3 kämen, wie gesagt, noch 40–45 Millionen aus dem Ausland. Hauptgeldgeber hier Comité des Forges6, Sir Basil Zaharoff7, von Vickers8 und Deterding9. Zusätzlich zu dem letzteren Namen auf die sofort gemachten Einwendungen nicht der Mann, sondern die Frau, und zwar gerade in den vergangenen Wintermonaten während des Kuraufenthaltes in St. Moritz. Starker ausländischer Geldverkehr, zum mindesten als Sammelstelle und Weiterleiter, der kürzlich durch Selbstmord geendete schwedische Bankier Kreuger10. Der schwedische Offiziers-Bund unterhalte Beziehungen zu dem „Führer“. Letzterer gilt in diesen und anderen Auslandskreisen vielfach als eine Art Landsknechtführer von Mittel-[2456] und Westeuropa gegen Rußland. Eine weitere ausländische Geldquelle, mittlerweile allerdings versiegt, sei die Lappo-Bewegung11 in Finnland gewesen; nur noch geringe Mittel kämen von der Faschistenpartei aus Italien12.

6

Comité des Forges, 1864 gegründeter Interessenverband der frz. Schwerindustrie.

7

Sir Basil Zaharoff, Waffenhändler.

8

Vickers-Armstrong und Co. Ltd., britische Waffenfirma mit Sitz in London.

9

Sir Henry Deterding, Generaldirektor des Royal-Dutch-Shell-Ölkonzerns.

10

Vgl. Dok. Nr. 698, Anm. 4.

11

Lappo-Bewegung, nationale, antikommunistische Bewegung, benannt nach dem Gründungsort Lappo.

12

Zur Auslandsfinanzierung der NSDAP vgl. Schulz, Aufstieg der NSDAP, S. 635; Trumpp in GWU 32 (1981), S. 236, Anm. 5; Turner, Großunternehmer, S. 327; Pool, Hitlers Wegbereiter, S. 254–292; Vogt, GWU 21 (1970), S. 234–243.

16./IV 32

Pünder

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