1.244 (bru3p): Nr. 758 Besprechung des Reichskanzlers mit Vertretern des Handwerks am 20. Mai 1932, 12 Uhr

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Nr. 758
Besprechung des Reichskanzlers mit Vertretern des Handwerks am 20. Mai 1932, 12 Uhr

R 43 I /2015 , Bl. 311–312

Anwesend: Brüning, Präs. des Dt. Handwerks- und Gewerbekammertags Pflugmacher, Vorsitzender des Reichsverbands des Dt. Handwerks Derlien, Generalsekretär Hermann; Protokoll: MinR Vogels.

Die Erschienenen trugen die in ihren wiederholten Eingaben angekündigten Forderungen vor. Im wesentlichen handelte es sich um folgendes:

a)

Vertretung des Handwerks im Reichskabinett durch einen Minister oder zum mindesten durch einen der Reichskanzlei anzugliedernden besonderen Staatssekretär für das Handwerk,

b)

Beendigung der Preissenkungsaktion,

c)

besondere Berücksichtigung des Handwerks bei Maßnahmen der Reichsregierung zur Förderung der Instandsetzung von Wohngebäuden, sowie besondere Berücksichtigung des Handwerks bei Vergebung offizieller Arbeiten.

d)

Senkung der Beitragslast zur Unfallversicherung,

e)

Förderung und Sanierung des gewerblichen Genossenschaftswesens.

Die Erfüllung der Forderung zu a) – besondere Vertretung im Reichskabinett – erklärte der Reichskanzler aus politischen und praktischen Gründen für nicht möglich. Er wies darauf hin, daß der der Wirtschaftspartei und damit den Fragen des Handwerks nahestehende Abgeordnete Bredt dem Reichskabinett ja angehört habe, sein Amt aber freiwillig niedergelegt habe. Die Übertragung des Wirtschaftsministeriums an einen Vertreter des Handwerks würde von den übrigen Teilen der Wirtschaft nicht geduldet werden. Die Angliederung einer besonderen Stelle an die Reichskanzlei werde praktisch nur entweder dazu führen, daß sich der Reichskanzler in ständigen Chefbesprechungen übermäßig mit Einzelfragen des Handwerks zu befassen haben werde, oder der Kommissar für die Randsiedlung. Schon die Einrichtung des Ostkommissariats habe bei weitem nicht die praktischen Erfolge gezeitigt, die die Betroffenen sich davon versprochen hätten.

Zum Punkt b) – Einstellung der Preissenkungsaktion – führten die Erschienenen aus, daß es für das Handwerk auf die Dauer unerträglich sei, von örtlichen Preisüberwachungsausschüssen, an die Reichskommissar Goerdeler seine Befugnisse[2543] abgetreten habe, dauernd, und häufig in schikanöser Weise, kontrolliert zu werden. Zudem sei die Maßnahme praktisch nutzlos. Besonders empfindlich werde von ihnen die Aufhebung des Ordnungsstrafrechts der Innungen empfunden. Sie baten dringend, diese Maßnahme wieder rückgängig zu machen. Für die Hochhaltung der Preise glaubten sie in erster Linie die Lohnpolitik des Reichsarbeitsministeriums verantwortlich machen zu können. Sie behaupteten, daß das Reichsarbeitsministerium noch in letzter Zeit Schiedssprüche als verbindlich erklärt habe, durch die die Löhne für die gewerblichen Angestellten erhöht worden seien. Als Beispiel nannten sie einen in Stuttgart gefällten Schiedsspruch, durch den die Löhne für das Klempner-Gewerbe erhöht worden seien. Ferner baten sie, das Lehrlingsverhältnis außerhalb des Tarifvertrages zu stellen.

Der Reichskanzler nahm das Reichsarbeitsministerium gegen die Kritik an der amtlichen Lohnpolitik nachdrücklich in Schutz und erklärte sich bereit, den Stuttgarter Fall auf seine Richtigkeit hin nachprüfen zu lassen1. Er sei überzeugt, daß es sich höchstens um eine Fehlentscheidung eines örtlichen Sonderschlichters handeln könne, denn die Politik des Reichsarbeitsministers sei nach wie vor auf Senkung der Löhne gerichtet.

1

Nicht ermittelt.

Zu Punkt c) – Hausreparaturen – wies der Reichskanzler auf die in Vorbereitung befindlichen Maßnahmen der Reichsregierung hin2 und empfahl dem Generalsekretär Hermann, sich in der Sache unverzüglich mit Ministerialdirektor Weigert im Reichsarbeitsministerium, der die Ausarbeitung der neuen Regelung betreibe, in Verbindung zu setzen, um die Wünsche des Handwerks vorzubringen. Ministerialdirektor Weigert werde von der Reichskanzlei aus entsprechend unterrichtet werden.

2

Vgl. Dok. Nr. 753.

Zu Punkt d) – Senkung der Beitragslast zur Unfallversicherung –. Die Erschienenen beklagten sich lebhaft darüber, daß die Reichsbahn die von ihr zu vergebenden umfangreichen Instandsetzungsarbeiten ausschließlich in Regie, d.h. unter Ausschaltung des Handwerks ausführen lasse.

Der Reichskanzler erkannte die Berechtigung der Klage an und versprach, nach Möglichkeit zu helfen, ließ aber erkennen, daß es der Reichsregierung an wirksamen Druckmöglichkeiten gegenüber der Reichsbahn und dem Verwaltungsrat fehle.

Zum Schluß baten die Erschienenen dringend, die Reichshilfe zur Stützung notleidend gewordener Genossenschaftsbanken fortzusetzen. Der 20 Millionen-Fonds sei zwar erschöpft, und das Reichswirtschaftsministerium, das noch eine Reihe von dringlichen Fällen in Bearbeitung habe, habe erklärt, mangels verfügbarer Mittel nicht weiter helfen zu können.

Der Reichskanzler versprach, sich mit dem Reichswirtschaftsministerium und dem Reichsminister der Finanzen in Verbindung setzen zu wollen. Er habe mit dem Reichsminister der Finanzen schon in Vorbesprechungen in Aussicht genommen, den 20 Millionen-Fonds stillschweigend um 7 Millionen zu überschreiten. Er werde[2544] die Angelegenheit in der Kabinettssitzung, die am Abend stattfinden werde, zur Sprache bringen3.

3

Nach dem Protokoll (Dok. Nr. 759) ist dies nicht geschehen.

Über den Empfang wurde nachstehende Verlautbarung an die Presse gegeben: „Der Reichskanzler empfing heute den Präsidenten des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages Pflugmacher, den Vorsitzenden des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks Derlien sowie den Generalsekretär des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks Hermann zu einer eingehenden Aussprache über die gegenwärtige Lage und die Wünsche des deutschen Handwerks sowie über die Möglichkeiten seiner wirtschaftlichen Hebung und Belebung.“

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