2.147.1 (cun1p): 1) Lohnpolitik

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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1) Lohnpolitik

Ministerialdirektor Sitzler (RArbMin.): Die Lohnpolitik ist abhängig von der Wirtschaft. Verhandlungen mit den Bergarbeitern über Erhöhung der Löhne für den Monat Mai sind gestern zum Abschluß gekommen. Im Ruhrrevier sind 13% Erhöhung, in den übrigen Gebieten durchschnittlich 11% bis 15. Mai bewilligt worden. Für die zweite Hälfte des Mai sind noch keine Vereinbarungen getroffen worden, weil sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht voraussehen[456] läßt. Seit dem erneuten Sturz der Mark steigen die Preise; es ist deshalb jetzt eine neue Orientierung nötig. Die Schlichtungsausschüsse müssen belehrt werden, daß sie zwar unabhängig sind, daß sie aber vernünftige Lohnpolitik treiben müssen. Sache der Demobilmachungskommissare ist es, für Durchführung dieses Gedankens zu sorgen2.

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Die Demobilmachungskommissare waren aufgrund der VO vom 7.11.1918 vom RK bzw. den Landeszentralbehörden eingesetzt worden, „um Störungen des Wirtschaftslebens infolge der wirtschaftlichen Demobilmachung vorzubeugen oder abzuhelfen“. (RGBl. S. 1292  f.).

Ministerialdirektor v. Schlieben (RFMin.): Wir haben seit dem Februar des Jahres noch keine Lohnerhöhung [für Staatsbedienstete] vorgenommen, obgleich die Privatindustrie anders vorgegangen ist. Es ist daher die Einführung eines 13. Monats nötig gewesen, welche einer Erhöhung von 25% entspricht. Heute um 12 Uhr mittags finden Verhandlungen in RFMin. über Erhöhung der Löhne und Gehälter statt. Gefordert wird eine sofortige Auszahlung des ursprünglich am 15. Mai fällig werdenden Monatsviertels; außerdem Erhöhungen des Gehalts und Lohnes. Die sofortige Auszahlung des am 15. Mai fällig werdenden Monatsviertels ist aus technischen Gründen nicht möglich.

Minister Oswald (Bayern): Die Lohnpolitik darf nicht so geführt werden, daß die Löhne stabil bleiben, während die Kosten der Lebenshaltung dauernd steigen. In Bayern sind die Löhne im allgemeinen besonders niedrig.

Minister Siering: Es ist unmöglich, überall die freie Wirtschaft einzuführen, während bei Löhnen und Gehältern eine Art Zwangswirtschaft beibehalten wird. Es werden viele Klagen darüber laut, daß die Demobilmachungskommissare den tatsächlichen Lebensunkosten in ihren Entscheidungen nicht genügend Rechnung tragen.

Staatssekretär Trendelenburg: Die Stabilisierung der Mark hat wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Folge gehabt. Das Wirtschaftsministerium hat dafür gesorgt, daß die Kohlenpreise gesenkt wurden, auch Senkungen in den Preisen der Düngemittel sind herbeigeführt worden. Die Absatzstockungen auf manchen Gebieten, z. B. bei Schuhwaren und Textilien haben von selbst Preissenkungen herbeigeführt. Im besetzten Gebiet waren Preissenkungen schwer zu erreichen3. Durch das erneute Fallen der Mark sind wieder größere Schwierigkeiten entstanden. Das Ziel muß sein zu überlegen, was man auf dem Gebiete der Preis- und Lohnpolitik machen kann, um die Markstützung zu gewährleisten. Eine Erhöhung der Kohlenpreise muß unterbleiben. Die Reichsregierung hofft, daß die Preisfrage eine Frage des Währungsstandes sein wird.

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Mit Schreiben vom 1. 5. wies der RArbM StS Hamm darauf hin, daß die erste Voraussetzung einer Lohnfestigung, ein allgemeiner Rückgang oder doch Stillstand der Preise auch während der Markstützungsaktion nicht eingetreten sei. So habe der Märzindex für Lebenshaltungskosten noch um 8% über dem Februarindex gestanden (R 43 I /1152 , Bl. 213).

Ministerialdirektor Sitzler: Die Löhne im Bergbau sind Indexlöhne. Wir können jedoch nicht künftige Preissteigerungen berücksichtigen.

Minister Graupe (Sachsen): Der Versuch, die Lohnpolitik im Reiche einheitlich zu gestalten, ist nicht durchführbar, so sehr dieses Ziel auch erstrebenswert sein mag. In Sachsen sind die Verhältnisse besonders gelagert. Der letzte Sturz der Mark hat zur Folge gehabt, daß die Arbeiter infolge der mit dem[457] Marksturz verbundenen Preissteigerung mutlos geworden sind und nunmehr teilweise zu Gewaltmaßnahmen neigen. Es besteht Gefahr, daß die Gewerkschaften ihren Einfluß auf die Arbeiter verlieren4. Die Verbindlichkeitserklärung eines Schiedsspruchs nach so langer Zeit wie nach 6–8 Wochen bedeutet einen Übelstand, der aufhören muß. Ein derartiges Verfahren ist für die Arbeitgeber unmöglich5. Der Preisabbau bei den Industrieprodukten ist ausgeblieben. Ein Kartellgesetz muß geschaffen werden. Es empfiehlt sich, das Recht des Demobilmachungskommissars dahin zu erweitern, daß er selbst entscheiden kann und einen verbindlichen Spruch fällen kann.

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Mit Schreiben vom 25. 4. hatte der Sächs.ArbM bereits dem RArbM die besondere Notlage Sachsens ausführlich dargelegt und verstärkte Hilfsmaßnahmen erbeten, um eine Katastrophe zu verhindern. Insbesondere hatte Graupe eine 100%ige Erhöhung der am 12.2.23 in Kraft getretenen Sätze der Erwerbslosenunterstützung angeregt, außerdem eine stärkere Vergabe von Notstandsarbeiten nach Sachsen (R 43 I /2028 , Bl. 64-66).

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Muß wohl heißen: „für die Arbeitnehmer unmöglich.“

Minister Raab (Hessen): Die Lebensmittel sind knapp, die Preise schwanken. Eine feste Lohnpolitik kann nicht getrieben werden. Die Stabilisierung der Preisgestaltung hat man nicht in der Hand. Die Ministerien bzw. Staatskommissariate dürfen nicht zu Lohnfestsetzungsbehörden gemacht werden. Die Politik der Reichsregierung ist im Grundgedanken richtig. Wir wollen ihr keine Schwierigkeit machen.

Minister Brauns: Ich muß an die Länder appellieren, daß sie preissenkend wirken. Zum Beispiel sind die Preise für Holz übertrieben. Die Gemeinden klagen auch viel mit Unrecht. Die Löhne für Gemeindearbeiter sind teilweise viel zu hoch. Es muß gleichmäßig gearbeitet werden. Es ist richtig, daß nach der Senkung des Dollars sich ein Mißverhältnis zwischen Preisentwicklung und Lohnhöhe herausgebildet hat. In den Ländern muß mehr geschehen. Die Polizei muß bei Wucher in den einzelnen Ländern eingreifen. Der Konsum muß in die Lage versetzt werden zu kaufen, d. h., es müssen Wohlfahrtsorganisationen, Kommunen usw. öffentliche Mittel zugewendet werden (Kredite), damit sie vorhandene Waren aufkaufen können. Die Deputate können nicht so genau angerechnet werden. Wir können jetzt die allgemeine Lohnschraube in Anbetracht der außenpolitischen Lage nicht anziehen. Das muß eingesehen werden.

Stadtrat Dr. Sternberg: Die Löhne für Gemeindearbeiter sind nicht zu hoch. Sie spiegeln die Industrielöhne wieder. Die Gemeinden sind bereit, mit dem Reich zusammenzuarbeiten.

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