2.244.1 (cun1p): [Politische Lage]

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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Text

RTF

[Politische Lage]

Reichspräsident Ich habe den Herrn Reichskanzler gebeten um Besprechung der Lage, die sehr ernst um nicht zu sagen bedenklich ist. Es handelt sich zu prüfen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

1.

Zahlungsmittel2

2.

Ernährung

3.

Sicherung der …

2

Zur Zahlungsmittelknappheit hatte RbkPräs. Havenstein StS Hamm am 7. 8. erklärt: „Daß bei einem Sprung des Dollars von 200 000 M auf 2 Mio innerhalb weniger Tage die Produktion trotz aller vorbereitenden Maßnahmen nicht sofort folgen konnte, liegt auf der Hand. Der Tagesbedarf des Reichs betrug Ende Juli, also vor dem Einsetzen der neuerlichen Markentwertung, etwa 500 Mrd. M. Dieser Bedarf konnte von der Rbk leicht bewältigt werden. […] In der Tat ist es der Rbk gelungen, innerhalb sieben Tagen die Tagesförderung auf 5 Bio M emporzutreiben. Sie wird bis zum Ende der Woche auf 8 Bio M täglich ausgedehnt werden.“ (R 43 I /950 , Bl. 77 f.). Trotz aller Gegenbemühungen der RReg. (vgl. Anm. 17 zu Dok. Nr. 235) kommt es aber nach Arbeitsverzögerungen am 9. 8. am 10. 8. zum Streik der Buchdrucker, wodurch neben dem Zeitungs- auch der Notendruck ausfällt und eine außerordentliche Zahlungsmittelknappheit eintritt. Havenstein berichtet darüber dem Zentralausschuß der Rbk am 25.8.23: „Am 7. 8. betrug der Notenumlauf 62,3 Billionen; die Reserven waren erschöpft, obwohl es bei äußerster Anstrengung gelungen war, die tägliche Notenanfertigung auf 4,5 Bio zu steigern. Die nunmehr einsetzende Herstellung der großen Abschnitte ermöglichte die Anfertigung fortgesetzt wachsender Wertbeträge. Am 9. 8. konnten wir mit einer Tagesproduktion von ca. 5 Bio rechnen, die den Tagesbedarf wenigstens zu einem großen Teil zu befriedigen vermochte. Die durch diesen plötzlichen Ausstand bei mangelnden Reserven hervorgerufenen Folgen sind noch in aller Erinnerung.“ (R 43 I /640 , Bl. 244-292, hier: Bl. 260). Bezeichnend für die Zahlungsmittelnot in der Provinz ist ein Schreiben des bad. StPräs. Remmele an den RK vom 9. 8.; darin heißt es u. a.: „Seit etwa 14 Tagen bereits vertrösten RFMin. und Rbk die badische Regierung, die Badische Bank und Geschäftswelt damit, daß die Verknappung der Zahlungsmittel nur eine ganz vorübergehende Erscheinung sei, weshalb die Ausgabe von Notgeld und die Erhöhung des Notenkontingents für die Badische Bank nicht genehmigt werden könne. Die Not an Geldzeichen ist schließlich aber derart stark geworden, daß wir, nachdem die Reichsbankstellen in Baden Auszahlungen überhaupt nicht mehr machen konnten, die Genehmigung zur Herstellung von Gutscheinen und Notgeld auf eigenes Risiko hin erteilen mußten. Es ist mir geradezu ein Rätsel, wie kühl man in Berlin an gewissen Stellen derartigen Vorgängen gegenübersteht. Wenn irgendwo die Absicht bestände, es in der jetzigen kritischen Zeit zu Verzweiflungsakten der Bevölkerung kommen zu lassen, dann könnte kaum ein anderes Verhalten an den Tag gelegt werden, als es von uns in dieser Angelegenheit leider wahrgenommen werden mußte.“ (R 43 I /666 , Bl. 12-13).

[728] Minister Albert: Die Reichsbank hatte 6,5 Billionen oder Milliarden3 zur Unterbringung und kann morgen 3,5 drucken. Von den 6,5 [Billionen] sind 4 an die Provinz abgegangen, 2½ an Berliner Betriebe abgeführt unter Wieder[auffüllung] der Kassen. Morgen werden ausschließlich Berliner gespeist, da die Provinz mit Notgeld usw. immerhin noch etwas besser versorgt sein wird. Die 3,5 [Billionen] für Berlin werden im großen ganzen die [Bedürfnisse] decken. Daneben sind die Banken dazu übergegangen, den ganzen Kriegsvorschuß [?] auf [Anleihen] zu zeichnen, die zur Not in Großbetrieben für Lohnzahlung verwendet werden können. Das wird nicht ganz unbedeutend sein. Die [Banken] werden Notgeld drucken und morgen schon zur Verfügung stellen. Eine Pressemitteilung wird dartun, was in den letzten Tagen geleistet wird, die Sicherung der 50 Millionen [GM] unserer Wirtschaft4, die Sicherstellung der Zahlungsmittel, die Fettzufuhr.

3

„Billionen oder Milliarden“ ist handschriftlich statt „Milliarden“ geschrieben worden. Tatsächlich handelt es sich offenbar um Billionen. Im folgenden sind die mit Fragezeichen versehenen Zahlenangaben in Milliarden in Billionen verbessert worden.

4

S. Dok. Nr. 237.

Minister Dr. Brauns: Für die Buchdrucker liegen morgen die Zahlungsbeträge bereit, wir brauchen dazu nicht die Reichsdruckerei. Diese wird am Sonntag [12. 8.] arbeiten und Versäumtes nachholen.

Minister Luther: Es muß heute abend gelingen, die Reichsbank dazu zu bringen, daß der … 600 Tausend Gulden … Der … wird dafür morgen von seinen Beständen 1000 t herausgeben5. Damit wird Margarine wieder erscheinen. Berlin wird dabei gut mitversorgt werden. Den Genossenschaften und für vorüber[gehend dem Großhandel] werden Kredite von 5 auf 25 Millionen [?] erhöht werden mit Zustimmung des Finanzministers. Für den Kleinhandel ist ein Kredit von 2 Milliarden in das Ruhrgebiet gegeben worden.

5

Anscheinend soll die Rbk zur Bereitstellung von 600 000 Gulden für die Beschaffung von 1000 t Fett bewegt werden.

Minister Oeser: Die Verordnung gegen die Presse ist heute unterschrieben und veröffentlicht worden6. Für morgen sind außergewöhnliche Sicherungsmaßnahmen getroffen. Für die Feier im Reichstag stehen 18 Hundertschaften bereit. Über die Frage eines Ausnahmezustandes haben heute Beratungen stattgefunden. Entscheidung noch nicht gefällt. Es ist abzuwarten, wie der morgige Tag verläuft. Ich erwarte Entspannung [durch] unsere Auszahlung und die Aussicht auf Fett. Entscheidend wird sein, wie die Versammlung der Vertrauensmänner um 10 Uhr verläuft. Es ist möglich, daß dort nur eine Resolution gefaßt wird, die morgen in der „Roten Fahne“ steht7.

6

Die VO des RPräs. zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gibt die Möglichkeit zum Verbot periodischer Druckschriften, „durch deren Inhalt zur gewaltsamen Beseitigung oder gewaltsamen Änderung der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform des Reichs oder eines Landes oder in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zu Gewalttätigkeiten aufgefordert oder angereizt wird.“ (RGBl. 1923 I, S. 768 ).

7

Für den 11. August, den Verfassungstag, hatten die Kommunisten zum Generalstreik aufgerufen. Einen Gegenaufruf an die Arbeiter Berlins legt Pressechef Heilbron am 11. 8. vor und „bittet um Einverständnis mit dem Aufruf, der hinaus soll, falls es zu dem Generalstreik kommt.“ Darin heißt es u. a.: „Der Not der werktätigen Berliner Bevölkerung muß schnell und gründlich gesteuert werden. Dazu bedarf es energischer Maßnahmen, die schon durchgeführt sind und die zur Stunde durchgeführt werden. Ihr braucht Zahlungsmittel! Die Reichsbank und die großen Berliner Druckereien müssen deshalb drucken. Das Notgeld der Stadt Berlin und das Notgeld der großen Werke muß gedruckt werden. Ihr braucht Lebensmittel! Wenn Ihr nicht verhungern wollt, müssen die Eisenbahnen die notwendigen Lebensmittel heranschaffen. Heute und morgen kommen 500 000 Pfund Fett für die Berliner Bevölkerung in den Verkehr. Mit den zur Verfügung gestellten Devisen werden weitere Lebensmittel gekauft, die herangeschafft werden müssen. Kartoffeltransporte sind im Anrollen, desgleichen Frischgemüse. Ihr braucht Besserung der Lohnverhältnisse! Die Goldanleihe, durch Sachwerte gedeckt, wird herausgegeben. Die Mark darf nicht weiter fallen. Deshalb muß der Reichshaushalt ausgeglichen werden. Deshalb hat der RT die großen Steuergesetze beschlossen. Die neuen Steuern treffen den Besitz und werden viele Mio GM bringen. Sie müssen sofort eingezogen werden. Ein Generalstreik aber wird die Steuerzahlung verhindern, ein Generalstreik wird die Mark ins Bodenlose sinken lassen.“ (R 43 I /2123 , Bl. 113 f.). Der Aufruf ist von Hamm abgezeichnet. Zum Generalstreik kommt es jedoch nicht.

[729] Minister Dr. Brauns: In Sachsen können sich Lohnverhandlungen kaum … und wenn in bewußter Form. Die Arbeitgeber werden von den Hundertschaften zum Verhandlungsplatz gebracht, dort mißhandelt usw. Es entstehen dann Löhne, die auch für heute zu hoch sind, und es entstehen schlimme Berufungen. Im Buchdruckgewerbe steigt der Lohn von 5 auf 12 Millionen, bei den Bergarbeitern im Ruhrgebiet jetzt 11 Millionen. Die Löhne steigen wöchentlich ungeheuer. Die Streikverhandlungen mit den Buchdruckern haben gezeigt, daß die Sache in ganz schlimmer Bahn fließt; es sollen keine Lohnverhandlungen, sondern Zug um Zug ist mit … zu tun. Ich habe den Buchdruckern 5 Millionen für diese Woche gewähren müssen, nicht übermäßig hoch gegenüber 8 Millionen für die Bergarbeiter in Sachsen8.

8

In den Lohnverhandlungen hatte das RArbMin. für die Woche vom 4.–10. 8. zunächst 3,2 Mio M angeboten, die Funktionärsversammlung der Buchdrucker hatte demgegenüber am 8. 8. die Angebote des RArbMin. als völlig unzureichend zurückgewiesen und 150% zum bestehenden Lohn gefordert (DAZ-Meldung vom 9.8.23, im Ausschnitt in R 43 I /2123 , Bl. 112). Mit dem Zugeständnis von 5 Mio hatte der RArbM den Streik in der Reichsdruckerei offenbar beenden können.

Reichspräsident dankt Minister Brauns.

Minister Luther: Der Margarinepreis wird etwas ermäßigt. Für Berlin stehen morgen bereit 190 000 fl. Am Montag [13. 8.] werden aus Hamburger Lagern nachgeschoben werden. Die Versorgung des Lebensmittel-Kleinhandels ist Kreditfrage des Großhandels.

Minister Becker: Wie die Löhne werden sich die Preise entwickeln. Wir haben gestern eine Kohlenpreiserhöhung gehabt, die das 4fache bedeutet. Die Zahlungsmittelnot wird daher rasch wieder einsetzen. Die Reichsbank versucht nunmehr dem [Geldmangel] zuvorzukommen. Wenn sich das besetzte Gebiet und die Industrie nicht schon längst auf Notgeld und Schecks eingestellt hätte, wären die Dinge noch schlimmer gelaufen. Die Reichsdruckerei muß daher den Kreis der Privatdruckereien erweitern und die Arbeit dort verstärken. Sie muß uns aus der Zahlungsmittelnot heraushelfen und [eine Reserve] schaffen. Die Kleinhändler haben jetzt große Schwierigkeiten, weil sie nur gegen Dollar oder Gulden Verrechnung bekommen. Sie wollen am nächsten Donnerstag [16. 8.] alle Läden schließen, auch die Lebensmittelgeschäfte und zwar wegen dieser Preis[schilder]-Verordnung9. Auf dem Wege der Gesetzgebung kann[730] man jetzt nichts ändern; es kann ihnen aber zugesagt werden, daß die preußische Polizei etwas mehr auf die Finger sehen wird10.

9

VO über Preisschilder und Preisverzeichnisse vom 26.7.23 (RGBl. I, S. 766  f.).

10

Muß wohl heißen: „durch die Finger sehen wird.“

Minister Luther: Es bleibt nur der Weg nach einem wertbeständigen Zahlungsmittel raschest weiter zu verfolgen.

Minister Hermes: Diese Frage wird morgen im Ausschuß um 10 Uhr besprochen werden11.

11

Das RFMin. hatte auf Drängen der Parteien, der öffentlichen Meinung und anderer Ressorts seinen Widerstand gegen die Einführung wertbeständiger Konten und Kredite soweit aufgegeben, daß ein Expertenausschuß zur Klärung dieser Frage einberufen wurde (vgl. Anm. 5 zu Dok. Nr. 234). Am 9. 8. vermerkte Kempner: „Frage der Goldkonten wird jetzt grundsätzlich behandelt. Die Sache braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden.“ (R 43 I /2435 , Bl. 330). Die Frage wird vom Kabinett Stresemann weiter behandelt.

Minister Becker: Gerade auch das besetzte Gebiet verlangt dringend, daß in den ersten Tagen der nächsten Woche die ersten Anleihescheine herausgebracht werden als erstes wertbeständiges Zahlungsmittel12.

12

Der RdI hält zudem die sofortige Ausgabe der Anleihescheine bei Zeichnung und Bezahlung für entscheidend, um den Erfolg der Anleihe zu sichern (vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 243).

Reichspräsident Folgt nachher Stützungsaktion?

Reichskanzler Die Sache ist in gutem Gange. In New York wird wieder [interveniert]13. Schlimm ist heute die [Dollar]-Steigerung als Frage des Buchdruckerstreiks, die den Dollar von New Yorker Stand von 2,6 wieder auf 3,8 Millionen gehen ließ.

13

„weiter vornotiert?“ ist handschriftlich in die Textlücke eingesetzt worden, was aber keinen rechten Sinn ergibt.

Reichspräsident Nach den Berichten ist geschehen, was möglich war; die Schwierigkeit liegt in der Beschaffung der Zahlungsmittel. Wenn die große Masse kein Geld hat und schließlich [Hunger leidet], kommt der Krawall auf der Straße. Wenn morgen in weitem Maße, wenn auch nicht völlig, in den Betrieben gezahlt werden kann, ist sehr viel gewonnen. Auch das wird stark verlangt, daß für Fett gesorgt wird. Die Menge von 198 fl. ist allerdings herzlich wenig14. Die Leute haben in den letzten Tagen nichts bekommen. Sie bekommen eine Menge Geld und können nichts kaufen; da sie kein Fleisch kaufen können, ist Fett die Hauptsache. Wenn also umgehend die Möglichkeit geschaffen würde, Fett in den Handel zu bringen, wäre viel gewonnen. Wenn dies nicht geschieht, fürchte ich für morgen doch sehr üble Dinge.

14

Gemeint sind offenbar die 190 000 Gulden, die nach Aussagen Luthers für die Fettbeschaffung aufgewandt werden sollen.

Reichskanzler erholt Beschluß.

Reichspräsident stellt dies als Gesetzgebung des Kabinetts fest. Der Direktor der Reichsdruckerei hat mehrfach Klage geführt, daß er die volle Leistungsfähigkeit nicht aufbringen könne wegen der Dispositionen der Reichsbank. Ich schlage daher vor, daß morgen einer der Minister mit dem Betriebsleiter der Reichsdruckerei spricht.

Minister Hermes wird das morgen tun.

Minister Oeser verweist auf Provinzdruckereien.

Reichspräsident Für die Anleihescheine könnten vielleicht auch die riesigen Rotationsmaschinen in den Dienst gestellt werden. Die Verordnung über[731] die Preise ist herausgegeben15. Es sollte, wenn möglich morgen früh schon, die ‚Rote Fahne‘ und auch das [‚Deutsche Tage]blatt‘ unterdrückt werden. Wichtig ist, morgen in einer guten Presseaufmachung darzulegen, was alles geschehen soll: Lebensmittelbeschaffung, Golderwerbung für Markstützung usw. – Zur Frage der [Presseverbote] ist zu erwägen, die Presseverordnung bereits jetzt [zu erlassen]. Sollten die Betriebsräteversammlungen zu Ausnahmezuständen Anlaß geben, so müßte das morgen mittag geschehen, beschlossen und in der Abendpresse verkündet werden. Mit dem sächsischen Minister[präsidenten] muß jetzt eine ernste und entschiedene Sprache geführt werden. Hauptsache ist aber, daß wir Berlin sichern und halten. Die Dinge stehen also so ernst, aber es [ist] nicht zum Verzweifeln. Wir müssen auf der Hut sein und eventuell von Stunde zu Stunde handeln.

15

Gemeint ist wohl die VO über Preisschilder und Preisverzeichnisse vom 26. 7., die am 13. 8. ausgegeben wird und am 15.8.23 in Kraft tritt (RGBl. I, S. 766  f.).

Reichskanzler In der Veröffentlichung würde ich empfehlen, nichts über die Stützungsaktion zu sagen.

Minister Geßler verweist auf die Gefahren des langen Anstehens. Man könnte es wohl leicht vermeiden durch Einführung des vormaligen Kundensystems oder Markenregelung.

Reichskanzler … Zeichnung unserer Wirtschaft für die Anleihe ist gesichert unter der Voraussetzung, daß die [Verbände] das Recht erhalten, Widers[trebende] zwangsweise beizuziehen16.

16

Vgl. die Äußerungen der Wirtschaftsführer in der Besprechung vom 9. 8. (Dok. Nr. 243).

Minister Becker berichtet über Verhandlungen mit der Wirtschaft; anfangs sträubend, dann bereit. Mit kleineren Gruppen wird morgen oder Montag [13. 8.] verhandelt. Aufgenommen werden muß noch eine Amnestie17.

17

Henrich und Albert hatten bereits in ihrer Juli-Denkschrift vorgeschlagen, in gewissem Umfange eine Amnestie für Steuer- und Devisengesetzverstöße denen zu gewähren, die Anleihescheine gegen Devisen zeichnen (Dok. Nr. 229, P. 3), doch überwogen in den folgenden Verhandlungen die Bedenken gegen eine derartige Amnestie. Sie wird daher nicht in die Anleihebedingungen aufgenommen. Der Abg. Höllein lehnt sie am 14. 8. vor dem RT entschieden ab (RT-Bd. 361, S. 11861 ).

Reichskanzler hält für ausschlaggebend, daß Anleihescheine in der nächsten Woche bereit sind.

Stingl meint, daß sie in drei Tagen gedruckt werden können.

Minister Hermes: Wenn wir morgen im Ausschuß die Sache durchgebracht haben, fangen wir sofort mit dem Druck an18.

18

Der Gesetzentwurf über die Sicherung und die steuerliche Behandlung der wertbeständigen Reichsanleihe (RT-Drucks. Nr. 6142, Bd. 379 ) wurde im Steuerausschuß des RT beraten, der am 13. 8. seinen Bericht vorlegen kann (RT-Drucks. Nr. 6157, Bd. 379 ), so daß der Gesetzentwurf am 14. 8. in der Ausschußfassung vom RT angenommen (RT-Bd. 361, S. 11859  ff.) und als Gesetz verkündet wird (RGBl. I, S. 777).

Reichsminister Groener hat die Berliner Bahnhöfe abgefahren. Keine Besorgnis. Fernverkehr ist im Gange. Im Vorortverkehr heute kaum Züge aus[ge]fallen; wenn die Gewerkschaften heute abend scharf abblasen, wird morgen wieder Ruhe eintreten. Die Gewerkschaften haben sich glänzend gehalten.

[732] Minister Becker: Am Sonntag tagen hier zusammen die Betriebsräte von Golpa und (fehlt Fortsetzung des Stenogramms)19.

19

Diese eingeklammerte Eintragung wurde mit Bleistift vorgenommen.

Minister Dr. Brauns: Wir können die Reichsdruckerei nicht so belassen, wie sie heute ist. Durch [Einfügung] einer [neuen] Bestimmung zum Betriebsrätegesetz müssen wir das im gegebenen Augenblicke tun20.

20

Am 7. 8. hatte der RPM einen sechsseitigen Bericht über die Arbeitsverhältnisse in der Reichsdruckerei vorgelegt, in dem die starken linksradikalen Tendenzen in der Arbeiterschaft sowie die weitgehende Machtlosigkeit der Direktion betont wurden. „Einen dauernden Erfolg vermag sich die Direktion nur durch Einreihung der Reichsdruckerei unter die lebenswichtigen Betriebe und die Erklärung zu einem Unternehmen im Sinne des § 67 des Betriebsrätegesetzes zu versprechen.“ (R 43 I /950 , Bl. 80-82, hier: Bl. 82). StS Hamm übersendet den Bericht abschriftlich an den RArbM, den RFM und den RbkPräs. und bittet um Vorschläge, da der RK es „für dringendst geboten hält, die Arbeitsverhältnisse in der Reichsdruckerei raschestens zu reformieren, sobald hierfür einigermaßen Zeit gewonnen ist.“ (R 43 I /950 , Bl. 84).

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