2.86.1 (cun1p): 1) Außerhalb der Tagesordnung: Politische Aussprache über die Ruhrlage, angeregt durch den Herrn Preußischen Ministerpräsidenten Braun.

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Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

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[282] 1) Außerhalb der Tagesordnung: Politische Aussprache über die Ruhrlage, angeregt durch den Herrn Preußischen Ministerpräsidenten Braun.

Sodann bittet der Herr Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Maßnahmen zu erwägen, einer Beschlagnahme der Mittel der Ruhrhilfe durch Franzosen vorzubeugen2 und ferner Sorge zu tragen, daß Geldmittel ungehindert in den Bezirk hineinkommen und endlich möglicherweise das Internationale Rote Kreuz zum Schutze der Bevölkerung und der Verhafteten in Anspruch zu nehmen. Hinsichtlich des Internationalen Roten Kreuzes wird beschlossen, daß eine neue Fühlungnahme in dieser Hinsicht in Genf oder Amerika gut wäre3.

2

Die Erlasse über Rhein-Ruhr-Hilfe nach dem Dürener Abkommen (vgl. Anm. 4 zu Dok. Nr. 71) waren einem Bericht aus Essen zufolge in die Hände der Franzosen gefallen. In diesem Bericht des RArbMin. über die Essener Besprechung vom 24. 2. hieß es u. a.: „In der Unterhaltung mit den Herren aus dem Ruhrgebiet wurde von diesen fast allgemein die Auffassung vertreten, daß die nächsten Wochen bis etwa Mitte März für den Ausgang des Unternehmens entscheidend seien. Vor allen Dingen müsse man sich unbedingt darauf einstellen, daß der Verkehr zwischen dem besetzten und unbesetzten Gebiet gänzlich zum Erliegen komme und ferner darauf, daß eine umfangreiche Arbeitslosigkeit, von der bisher noch keine Rede sein kann, ganz plötzlich einsetzt. Für diesen Zeitpunkt müssen die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stehen. Soweit ich im einzelnen feststellen konnte, sind Beträge für Lohnsicherung bisher nur in verhältnismäßig geringem Umfange, und zwar in der Hauptsache durch die Gemeinden an entlassene Arbeiter gezahlt worden, während Anträge der Arbeitgeber auf Gewährung der Lohnsicherung bisher offenbar nur vereinzelt gestellt worden sind. Ein Vertreter der Arbeitgeber bestätigte die frühere Zusicherung, daß die Arbeitgeber ihre Betriebe solange wie irgend möglich in Gang halten wollen, nochmals ausdrücklich.“ (R 43 I /210 , Bl. 161-163).

3

Mit Schreiben vom 12. 3. bittet das Dt. Rote Kreuz den RK um Unterstützungsgelder für die Gefangenenbetreuung und fügt hinzu: „Vertraulich gestatten wir uns zu bemerken, daß wir Grund haben zu der Annahme, daß das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, mit dem wir in der Rotkreuzarbeit im Einbruchsgebiet in dauernder Fühlung stehen, in Paris und Brüssel dafür eingetreten ist, daß dem Deutschen Roten Kreuz größtes Entgegenkommen durch die Besatzungstruppen erwiesen wird, sei es auch nur, um die Notwendigkeit eines internationalen Rotkreuzeingreifens überflüssig zu machen oder ein solches Eingreifen zum mindesten auf längere Zeit hinauszuschieben.“ (R 43 I /222a , Bl. 326).

Der Preußische Herr Minister für Volkswohlfahrt regt an, daß an Stelle der Erwerbslosenunterstützung Bauvorschüsse gezahlt werden sollten, um die Neubautätigkeit im besetzten Gebiet zu beleben und um die Ausgaben für die Erwerbslosen damit produktiv zu verwerten4. <Alle Reichsstellen sollten gerade jetzt möglichst umfangreiche Bauaufträge im besetzten Gebiet erteilen.

4

Die folgenden Sätze sind handschriftlich von v. Stockhausen hinzugefügt.

Es folgt sodann eine Aussprache über die Polizeifrage in den großen Städten des Ruhrgebiets5.

5

Am 19. 2. hatte der frz. General Fournier in Essen erklärt, die Schupo dürfe nur dann ohne Grußpflicht gegenüber frz. Offizieren ihren Dienst versehen, wenn sie in Zivil unter Kenntlichmachung durch ein Abzeichen auftrete und bis auf einen Revolver pro Mann sämtliche Waffen abliefere. Dienst in Uniform werde nur bei Anerkennung des bisher verweigerten Grußbefehls gestattet. Bei Nichtbefolgung einer dieser Bedingungen werde die Schupo aufgelöst und die Aufstellung einer Ersatzpolizei aus ehemaligen Polizeibeamten der Kommunen in halber Stärke der Schupo anheimgestellt. In Übereinstimmung mit RegPräs. Grützner hatte Severing am 19. 2. „Dienstverrichtung Exekutivbeamter in bürgerlicher Kleidung sowie jede Beteiligung eines Polizeibeamten an Ersatzpolizei“ telegrafisch verboten. Zur Begründung führte er u. a. aus: „Der General Fournier bezweckt mit den durch die Alternative angedrohten Maßnahmen, der Staatsverwaltung wie auch der Bevölkerung ihre letzte Stütze, die sich als wirksam erwiesen hat, die Polizeiexekutive, zu nehmen, um sie durch eine ihres Ansehens entkleidete Polizei oder durch eine unter Einwirkung der Besatzungsarmee stehende Organisation zu ersetzen. Dies kann ich unter keinen Umständen dulden. Es ist an dem Standpunkt festzuhalten, daß die aus den Verhandlungen mit der IMK in ihrer jetzigen Form hervorgegangene Schutzpolizei die allein rechtmäßige Hüterin der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung ist und daß zu einem Ab- oder Umbau dieser Organisation unter der gewaltsamen Einwirkung der Besatzungsarmee niemals die Hand geboten werden darf.“ Im übrigen werde die Besatzung schon im eigenen Interesse die angedrohte Auflösung der Schupo kaum in größerem Umfange durchführen. (Schreiben Severings an den RK vom 19. 2. in R 43 I /209 , Bl. 77a-79.) Tatsächlich schreiten die Franzosen in der Folgezeit zur Entwaffnung und Auflösung der Schupo, deren Beamte ausgewiesen werden.

[283] Der Herr Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hielt die Ablehnung des Angebots an die Schutzpolizei in Essen, mit Armbinde und Revolver Dienst zu tun, für nicht glücklich.

Der Preuß. Min. d. Innern erklärt, daß in großem Umfang Polizeibeamte in den Kriminaldienst übernommen werden sollen, um den Schutz der Bevölkerung vor Gesindel wenigstens einigermaßen sicherzustellen.>

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