2.176.8 (feh1p): 8. Frage des belgischen Markabkommens in Verbindung mit den Londoner Verhandlungen.

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8. Frage des belgischen Markabkommens in Verbindung mit den Londoner Verhandlungen.

Staatssekretär Schroeder trägt den Inhalt des seinerzeit vom Reichsminister Erzberger unter Zustimmung des Reichskabinetts mit Belgien abgeschlossenen Markabkommens vor1. Belgien hätte die in diesem Vertrag in Aussicht gestellten wirtschaftlichen und politischen Zusagen nicht gehalten. Trotzdem stelle Belgien sich auf den Standpunkt, daß Deutschland die ihm aus dem Vertrag obliegenden Verpflichtungen erfüllen müsse, da die belgischen Zusagen nur unverbindlich gewesen seien. Nach Ansicht des Auswärtigen Amts und des[470] Reichsfinanzministeriums könne Deutschland rechtlich sich auf den Standpunkt stellen, daß das Abkommen mit Rücksicht auf die Nichterfüllung seitens Belgiens und, da es deutscherseits nicht ratifiziert worden sei, hinfällig sei. Politisch frage es sich jedoch, ob man diese Angelegenheit nicht benutzen solle, um Belgien auf der Londoner Konferenz dem deutschen Standpunkt geneigter zu machen. Staatssekretär Bergmann halte es für nützlich, wenn Belgien in Aussicht gestellt würde, daß wir über das Markabkommen mit uns würden reden lassen, falls 1.) die Verhandlungen in London für uns günstig verliefen und 2.) in der Freigabe des deutschen liquidierten Eigentums Belgien mit gutem Beispiel voranginge. Staatssekretär Bergmann glaube, daß durch eine solche Erklärung mit Hilfe der belgischen Vertreter in London eine bessere Atmosphäre für uns geschaffen werden könne. Die Angelegenheit eile, da die belgischen Vertreter in den nächsten Tagen zu Besprechungen mit Lloyd George nach England abführen.

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Während der dt. Besetzung Belgiens im Weltkrieg war Belgien gezwungen worden, dt. Markbeträge im Verhältnis 1 M zu 1,25 belg. Franc in Zahlung zu nehmen.

Unmittelbar nach dem Waffenstillstand hatte Belgien dann an Dtld. die Forderung gestellt, diese Markbeträge zurückzunehmen. Während von dt. Seite diese Beträge auf 2,5 Mrd. M geschätzt wurden, gaben die Belgier diesen Betrag mit 6,1 Mrd. M an. Ursache für diese höhere Summe war, daß in ihr die Markbeträge enthalten waren, die nach dem Waffenstillstand aus den Niederlanden, aus der Schweiz und aus Elsaß-Lothringen zu Spekulationszwecken nach Belgien geströmt waren.

Die dt. Reg. weigerte sich zunächst, diese höheren Markbeträge zurückzunehmen. Im Sommer 1919 kam es jedoch zu Verhandlungen zwischen Dtld. und Belgien, die am 25.11.1919 mit einem Vertrag zwischen dem damaligen RFM Erzberger und dem Generaldirektor des belg. Schatzamtes, Rombouts, abgeschlossen wurden. In diesem Vertrag verpflichtete sich die dt. Reg., 5,5 Mrd. M der dt. Markbeträge in Belgien in Schatzbons umzutauschen, die mit 5,5% verzinst waren und die, beginnend am 1.5.1920, bis zum 1.11.1939 zurückgezahlt werden sollten. Als Gegenleistung sagte die belg. Reg. durch den Minister Francqui mündlich zu, daß es der dt. Reg. gestattet sein sollte, die Ein- und Ausfuhrverbote in dem von den belg. Truppen besetzten Gebiet durchzuführen, ferner daß die Liquidation des dt. Eigentums in Belgien beendet werden sollte und schließlich daß die belg. Reg. dafür Sorge tragen wolle, Erleichterungen in der Auslieferungsfrage zu erreichen. Sehr bald erwies sich jedoch, daß die belg. Reg. nicht bereit war, diese mündlich gemachten Zusagen zu halten. So wurde dieses Abkommen gar nicht erst der Nationalversammlung zur Ratifizierung vorgelegt und erlangte daher auch keine Rechtskraft.

Nachdem neue Verhandlungen über die belg. Markbeträge im Verlauf des Jahres 1920 immer wieder gescheitert waren, sprach der belg. Minister Delacroix StS Bergmann am 22.1.1921 in Paris von neuem auf die Markverhandlungen an. Auf die Frage StS Bergmanns, wie sich die Repko dazu stellen würde, erklärte Delacroix, daß an der Genehmigung der Repko nicht zu zweifeln sei. StS Bergmann entwarf daraufhin unter dem Datum des 11.2.1921 einen neuen Vorschlag für ein dt.-belg. Markabkommen, nach dem Dtld.Mrd. Francs mit 2% jährlich in Francs verzinsen sollte. Die Tilgung sollte, beginnend nach 10 Jahren, mit 1% steigend bis auf 2% erfolgen. Der Restbetrag der im Erzberger-Abkommen genannten 6,1 Mrd. M in Höhe von etwa 1,3 Mrd. M sollte mit 5% in M verzinst werden und konnte nach 20 bis 30 Jahren zurückgezahlt werden. StS Bergmann erwartete von seinem Vorschlag eine Unterstützung der dt. Stellung von seiten der Belgier bei den bevorstehenden Londoner Verhandlungen und empfahl in seinem Vorschlag, den Belgiern gegenüber zunächst folgendes zum Ausdruck zu bringen: „Deutschland sei bereit, das neue Markabkommen zu zeichnen, sobald die gesamte Entschädigungsfrage mit den Alliierten im Wege der Verständigung geregelt sei. Erst dann könne Deutschland übersehen, ob es in der Lage sei, die aus dem Markabkommen entstehenden besonderen Opfer zu tragen. Voraussetzung sei ferner dabei, daß Belgien für ein weitgehendes Entgegenkommen in der Frage des beschlagnahmten deutschen Eigentums bei den Alliierten eintrete und durch sein eigenes Verhalten dafür ein gutes Beispiel gebe, indem es das ganze deutsche Eigentum freigebe.“ (Denkschrift des ehemaligen RbkVPräs. v. Glasenapp über „Die belgischen Markbestände“ vom Juli 1926, R 43 I /53 , Bl. 129 f.).

Dieser Vorschlag StS Bergmanns lag der Kabinettssitzung zu Grunde.

Reichsbankdirektor Havenstein warnt in eingehenden Ausführungen, den von Staatssekretär Schroeder gezeigten Weg zu beschreiten.

Ministerialdirektor v. Simson unterstützt den Antrag des Reichsfinanzministeriums und erklärt, daß auch Reichsminister Dr. Simons auf dem Boden des Vorschlags stehe.

Reichswirtschaftsminister Dr. Scholz warnt, denselben Fehler wie bei Abschluß des Erzbergerschen Vertrages zu begehen. Wir würden nur mündliche Zusagen erhalten und im Endeffekt nichts erreichen.

Reichsminister Koch erklärt, er habe seinerzeit zusammen mit dem damaligen Minister Schiffer gegen den Vertrag gestimmt. Anders liege die Frage, ob man auch heute sich gegen [den] Abschluß der vom Staatssekretär Schroeder skizzierten Vereinbarung stemmen soll. Der einmal vorhandene schriftliche Vertrag spreche gegen uns. Wenn Staatssekretär Bergmann glaube, durch die vorgeschlagene Erklärung in London etwas zu erreichen, so sei es schwer für das Kabinett, das den Dingen ferner stehe, ihm diese Waffe aus der Hand zu schlagen.

Staatssekretär Albert weist darauf hin, daß man dem Vorschlag des Auswärtigen Amts und des Reichsfinanzministeriums folgen müsse, wenn man glaube, durch Belgien bei den Londoner Verhandlungen einen entscheidenden Einfluß ausüben zu können. Hieran zweifle er. Auch in der Frage der Freigabe des liquidierten Vermögens werde nicht die Haltung Belgiens, sondern die Amerikas und Englands entscheidend sein. Unsere Gesamtposition Belgien gegenüber sei nach den Londoner Verhandlungen besser. Komme es in London zu keinem Ergebnis, so sei die Sache an sich erledigt. Komme es zu einer Verständigung, so würden wir so belastet sein, daß wir Belgien sagen könnten, es sei unmöglich, noch etwas aus Deutschland herauszuholen. Belgien wäre dann gezwungen, sich mit uns zu verständigen.

Das Kabinett lehnt es bei der Abstimmung mit Stimmenmehrheit ab, Belgien gegenüber die vorgeschlagene Erklärung abzugeben.

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